Review

Argentos biederstes Frühwerk - Plausibility (Not That Much) Missing Part 2


„Die neunschwänzige Katze" sticht aus dem Fundus der Gialli tatsächlich mal etwas heraus und ich schaffe es, beim Sinnieren über den Film ihn nicht permanent mit anderen zu verwechseln. 

Im Gegensatz zu Argentos Vorgänger „Das Geheinis der schwarzen Handschuhe" und dem Nachfolger „Vier Fliegen auf grauem Samt" haben wir es hier eher mit einem klassischeren Genremix aus Kriminalfilm und Thriller zu tun. Das Tätermotiv liegt genaugenommen zwar an einer, hier sogar wissenschaftlich belegt, dem Verbrechen zugeneigten Psyche, aber dennoch ist die Ausrichtung hier eine gänzlich andere und es gibt deutliche Elemente des Politthrillers, wenn als zentrales Element Zeugen systematisch ausgeschaltet werden. Besonders der Mord per Bahngleisschubser ist ein klassisches Motiv aus diesem Subgenre und so spielt „Die neunschwänzige Katze" deutlich weniger mit den mystischen und erotischen Elementen, die ein Giallo häufig so aufweist. 

Als Spannungsverstärker soll hier die Blindheit eines der Protagonisten dienen, was grundsätzlich eine gute Idee ist, wenn Karl Maldens Rolle zu Beginn dem alles auslösenden Gespräch lauscht. Allerdings hätte man aus der Ausgangslage wesentlich mehr rausholen können, wenn man bedenkt, dass ein Giallo oftmals nur eine Aneinanderreihung von Spannungsepisoden ist, die durch einen Alibirahmen zusammengehalten und oftmals noch nachträglich in einen mehr oder minder nachvollziehbaren Kontext gerückt werden müssen. So sehr man hier die übersehenen Chancen bedauern muss, so sehr kann man sich dafür auf der anderen Seite über einen verhältnimäßig stringenten Handlungsbogen freuen. Die Narration rückt im Vergleich deutlich mehr in den Mittelpunkt als in den beiden anderen frühen Argentos und als es im Subgenre grundsätzlicht üblich ist, wengleich ich hier auch keinen spannenden Politthriller à la „Die drei Tage des Condors" oder „I wie Ikarus" gesehen habe. Aber in seinem Wesen ist das vielschwänzige Katzenvieh diesen Filmen inhaltlich wesentlich näher als Filmen wie „Torso" oder auch „Der Killer von Wien".

In kleineren Sequenzen wandelt Argento dann aber doch in gruseligeren Gefilden, wenn er seine zwei Hauptfiguren auf einen nächtlichen Friedhof schickt und sie es dort mit dem Mörder zu tun bekommen. Hier wird dann endlich auch einmal mit dem Element der Blindheit gespielt, wenngleich hier der Figurenfokus meines Erachtens genau falsch gelegt wurde.

Ein ganz klar wiederkehrendes Element neben dem bedrohten aber natürlich zu neugierigen Helden, der hier aber mehr als klassischer Ermittler angelegt wurde, ist das Auftauchen einer homosexuellen Figur, hier verkörpert durch den immer gern gesehenen Horst Frank, der zwar in jedem Film nur eine Sache macht, die aber eben gut: da sein. 

Die schwule Figur erweist sich hier aber nicht als überdrehte Version der Feld-Wald-und-Wiesenschwuchtel (Zitat von Inspektor Clouseau), die in den beiden anderen Filmen auftauchte und zumindest in „Vier Fliegen auf grauem Samt" als Comedy-Sidekick positiv besetzt war, sondern als aufgrund seiner Sexualität allenfalls etwas abseits stehende Figur, die aber einen gefestigten gesellschaftlichen Stand hat. Nun bin ich nicht betroffen, wäre aber hier vermutlich als Schwuler deutlich weniger genervt oder vielleicht auch beleidigt als von den beiden anderen, sehr auf Stereotype ausgerichteten Darstellungen. Insofern muss man Argento hier angesichts des Erscheinungsjahres 1971 eine fortschrittliche Handhabe des Themas zugestehen, denn in Interviews mit Darstellern aus dieser Zeit wird die ablehnende Haltung gegenüber dem Thema ganz deutlich, wenn nicht einmal das Wort benutzt wird, während man über eventuelle homoerotische Komponenten zwischen männlichen Figuren spricht. (Zum Beispiel George Hilton zur Beziehung der beiden männlichen Hauptfiguren in „Der Killer von Wien".) 

Die Morde und die Bedrohungsszenarien fallen in Argentos zweitem Film handwerklich zwar sauber aus, allerdings gibt es davon sehr wenige, was zu der allgemeineren und abstrakteren Bedrohungslage der Hauptfiguren passt. Die Mordszenen sind dann im Vergleich zum Genredurchschnitt eher schlicht umgesetzt und verzichten zumeist auf viel Blut und perspektivische Spielereien. Lediglich der Tod des Täters ragt inszenatorisch heraus und ist mit dem Sturz mit subjektiver Kamera und dem Verbrennen der Hände äußerst schmerzhaft umgesetzt worden. 

Ennio Morricones Musik untermalt dabei einmal mehr angenehm den Film, allerdings gibt es eben auch eindringlichere Kompositionen im Subgenre, die wesentlich markanter sind und einem eher im Ohr bleiben. Morricones Meldodien zu den drei frühen Argentos kann ich aus dem Stehgreif weder summen noch beim Anhören zuordnen. Man erkennt immer Morricone, aber hier nicht den Film, was bei seinem Output auch nicht weiter verwunderlich ist und bei jedem seiner über 100 Filme einen Geniestreich abzuliefern ist dann eine Forderung, die kein Komponist halten kann.


Fazit

„Die neunschwänzige Katze" ist ein etwas vom Genrekern abweichender Giallo, der Elemente des Politthrillers in sich aufnimmt und in seiner Gesamtkonzeption recht bodenständig daherkommt. Zwar gibt es vereinzelt die typischen Argento-Spielereien und hier und das etwas Gänsehaut, allerdings fällt Argentos zweiter Film seiner Tier-Trilogie insgesamt hinter den Vorgänger und Nachfolger zurück, die sowohl in ihre Einzelteile zerlegt als auch insgesamt für mich die interessanteren Filme darstellen. Und das, obwohl Argento sich hier tatsächlich einmal um eine erzählerische Stringenz bemüht hat, die mir ja sonst immer ein wenig fehlt und für mich die Filme trotz herausragender Elemente immer von der letztlichen Topbewertung fernhält. Man kann in Italien halt nicht alles haben.

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