Review

22 Jahre nach dem phänomenalen Erfolg mit "Matrix", der die Kino- und Cyberlandschaft des filmischen Erzählens nicht nur nachhaltig beeindruckt sondern auch gravierend verändert hat, wagt sich die Hälfte der Wachowskis, Lana, als Autorin und Regisseurin an eine Wiederbelebung der Saga, die zwar nicht alle Erwartungen in Sachen Handlungsfortführung erfüllen kann, aber als konsequente Weiterentwicklung der künstlerischen Reise der Regisseurin voll ins Schwarze trifft!

Neben Jada Pinkett-Smith und Lambert Wilson gibt es ein Wiedersehen mit Carrie-Ann Moss und Keanu Reeves als Trinity und Neo und genau das ist es, was die Matrix auch im Jahre 2021 funktionieren lässt.
Hätte man die Handlung in Kleinigkeiten abgewandelt und mit komplett unterschiedlichem Cast als die Vorgänger inszeniert, wer weiss, es wäre womöglich ein neuer und gänzlich abweichender Cyber-Krimi mit jeder Menge Selbstreflektion und Augenzwinkern entstanden, wie sie erst nach 1999 möglich gewesen waren.

Es wird sehr viel referenziert, zitiert (visuell und verbal) und man wird das Gefühl nicht los, dass die drei genannten Autoren und die Regisseurin nicht nur verdammt grossen Spass an der Demontage des zum Kult gewordenen Franchises hatten, sondern auch, dass ein Auseinandernehmen und neu unter anderen Vorzeichen zusammensetzen das Ziel dessen gewesen ist.
Anders kann ich mir die anfängliche Inszenierung von Keanu Reeves Figur Thomas Anderson als verlorenem Wirrkopf nicht erklären, der mehr als einen Schubser von aussen benötigt, um zu alter Form zurück zu finden.
Reeves, der zwar aussieht wie John Wick, allerdings hier versucht, differenziert zu spielen, ist als Zugpferd des Films selbstverständlich ein Trumpf, allerdings läuft ihm Carrie-Ann Moss in ihren viel weniger Szenen mühelos den Rang ab.
"Matrix Resurrections" ist nicht von ungefähr ihr Film, während sie in den vorangegangenen drei Teilen eher ein besserer Sidekick gewesen ist.
Sie wirkt durchweg weiblicher, steht ihre Frau in jeder Situation und unterstreicht damit die erkennbare Absicht, einen "Matrix"-Film aus weiblicher Sicht zu erzählen.
Die Männer sind spätestens zum Ende hin alle zu Randfiguren verkommen und man mag es kaum glauben, dieser Aspekt lässt den vierten Teil auch angenehm realistisch in der Gegenwart ankommen.

Dass Lana Wachowski nicht nur äusserst kreativ ist sondern auch sehr selbst reflektierend erzählt und inszeniert, hat nicht zuletzt ihre einprägsame Netflix-Serie "Sense 8" bewiesen.
Da sie einen Teil der Darsteller direkt von dort mit in die Matrix genommen hat, ist auch das Figurenbild an sich mit von dort herüber gewandert, so scheint es zumindest.

Über 148 Minuten kann der neue Matrix-Film sehr gut unterhalten, ist für Fans mit vielen Insidern gesegnet (und mal ehrlich, was sonst für Gründe sollte man haben, sich einen Film mehrmals anzuschauen, als genau diese zu identifizieren), mit frischen Sichtweisen auf bekannte Themen gespickt und erhebt den Individualismus und den toleranten Zusammenhalt über die Massenkultur und deren Fallstricke wie Kontrolle und Überwachung hinaus.
Eine stetige Ironie ist immer Teil der Erzählung (besonders erkennbar im Auftritt des optisch heruntergekommenen Merowingers, der die Vorzüge der aus seiner Sicht erhaltenswerten Kultur preist aber sich dabei in Fluch-Tiraden ergibt, die jemandem seines selbst gewählten intellektuellen Standes niemals zupass stehen sollten) und hier ergibt sich aus meiner Sicht auch der einzig wirkliche Kritikpunkt des Filmes:

Waren die alten Matrix-Teile noch von einer massiven Ernsthaftigkeit geprägt mit all ihren Bedrohungen und kleinen Kämpfen ums Überleben, so wirkt die nunmehr vorliegende Wiederbelebung im direkten Vergleich einfach an vielen Stellen verspielter und sogar klamaukig.

So gesehen ist zwar eine wirkliche filmische Weiterentwicklung der Lana Wachowski von 1999 bzw, 2003 zu 2021 zu sehen, doch passt diese nicht wirklich zu einem derartigen Themen-Vermächtnis.

Zeigte George Miller mit seinem letzten "Mad Max" den Mut zu brachialem und epischem Action-Kino und damit die Abkehr von filmischen Massen-Entwicklungen und wurde dafür auch breit angelegt gelobt und geadelt, wird die Welt sicher den Weg, den die neue "Matrix" eingeschlagen hat, nicht durchweg belohnen.
An sich ist das natürlich irgendwie schade aber auch zu einem gewissen Grad gerechtfertigt, denn seit "Jupiter Ascending" und "Cloud Atlas" ist der Beweis erbracht, dass sich das Erzählen der Wachowskis leider nicht mit dem Geschmack der Massen vereinen lässt.
Meine Theorie ist, dass sie vielleicht ihrer Zeit immer etwas voraus sind, wie es bereits beim ersten "Matrix" der Fall war, nur damals überwogen die neuen Ideen und inszenatorischen Qualitäten bei Weitem, da das Action-Kino der damaligen Zeit auf der Stelle getreten ist.

Als Fazit hoffe ich darum, dass "Matrix Resurrections" dann über die Jahre ihre/seine Fans im Heimkino finden wird.

Details
Ähnliche Filme