Review

Als die kleine Sati am Ende der Revolutionen quasi die keys to the kingdom in die Hand gedrückt bekam und sofort damit begann, den Himmel mit Wachsmalkreide regenbogen zu färben, schien alles gesagt. Das weiß auch dieser Film, und vermittelt an mehr als einer Stelle deutlich, dass es so auch in Ordnung gewesen wäre. Um sich dann paradoxerweise daran zu machen, über zweieinhalb Stunden die eigene Einstellung zu widerlegen. Weil die Welt ist, wie sie ist:
Sie gönnt uns kein Happy End.

Das Wiederkehrende, Variierte, Loopende: Darum geht es in „Matrix Resurrections“. In Verweisen, Zitaten, Anlehnungen. In Bildern und Musik. Das in den Werbetrailern bereits eingesetzte, man möchte passenderweise sagen, exhumierte „White Rabbit“ von Jefferson Airplane (alte Musik, natürlich!) hat dann auch hier seinen Auftritt, und das sogar in der wahrscheinlich besten Szene des ganzen Films: Während einer Montage über Neos Alltag, der das Kunststück gelingt, das schleichende philipkdicksche Infragestellen der Realität mit öden Dayjob-Abläufen zu
verzahnen UND dabei die vermeintlich unabdingbarsten Elemente geistiger Befreiung, nämlich Fantasie und Kreativität, selbst zu Zahnrädern der Mühle macht. Kein Entkommen mehr. Nicht vor dem nächsten Tag im Büro, nicht vor Teil 17 der Lieblingsfilmreihe, deren Anfang einem einst doch überhaupt so etwas wie Inspiration schenkte. Alles ist zu Ende ausgedacht. Roll credits.
Wäre diese Montage so etwas wie eine einleitende Sequenz des Films, die uns das abschließende Schicksal des Mr. Anderson zeigt; sie wäre der grausamste und konsequenteste Witz, der Film im Film. Danach und ausschließlich mit den frischen Charakteren rund um Bugs weiterzumachen und ihre durch den Glauben an das Evangelium des Morpheus geprägte Sicht der Dinge zu erzählen wäre nicht das Schlechteste gewesen.
Es sind viele „wäres“ – die sie aber auch bleiben, denn der Film macht natürlich mit Neo weiter. Und weiß in der Folge recht wenig mit ihm anzufangen.

Dass wir seiner vermeintlich vollständigen Geschichte über drei Filme gefolgt sind, ließ eigentlich genug Raum für eine spannende Neuausrichtung. Aber so sehr dies auch zunächst der Fall zu sein scheint und der thematische rote Faden über alles Binäre in der Welt immer wieder durch Dialoge und Setpieces durchdröselt, so sehr scheint es für die Heldenreise auch zwanzig Jahre später einmal mehr nur Schwarz und Weiß zu geben: Ganz seiner geistigen Patin Alice verpflichtet wird der „Auserwählte“ wieder von allerlei wunderlichen Gestalten an die Hand genommen und in die Tiefen des Serverbaus geführt, um Fähigkeiten und Haltung zurückzuerlangen. Doch in diesen Tiefen war er schon! Das hatten wir alles schon einmal, das gewinnt auch durch den gewollten Reload nicht unbedingt einen Blumentopf, da genügt es nicht, Kommentar zu sein, was in erster Linie Film sein müsste. Vieles, was den Umgang mit neuen und alten Figuren betreffend cleveren Drehbuchideen entspringt, entfaltet auf der Leinwand nur bedingt Zauber. Immer, wenn auf die erzählten Geschichten zurückgegriffen wird, kommt der Film ins Straucheln. Neo staunt und stöhnt, muss wieder sämtliches Leid der Menschheit schultern und will doch eigentlich nur heim zu seiner Trinity. Die Sinnsuche nach ihr wird entsprechend zum Motor der Handlung. Und erfährt auch eine selbstbewusste Auflösung, welche die inhaltliche Abnabelung vom „kultigen“ WG-Poster-Actionkino ganz deutlich ausstellt (und nebenbei das alte Disneybild von Familie gegen das neue Disneybild von Familie tauscht; zum Glück gab es „Revolutions“ schon). Dass dabei Begriffe von einer schlafenden Masse, die jede Zumutung der Welt kritiklos schluckt, fallen, wird es spannend zu beobachten machen, ob sich der Film hier eine neue Gefolgschaft züchtet, die einen, schlimmstenfalls ironisch, die Badabumm-Filmbros der Vergangenheit noch vermissen lassen wird.

„Resurrections“ ist ein Autorinnenwerk durch und durch. Lana Wachowski spinnt die Trilogie konsequent weiter, passt sie elegant an eigene biografische Entwicklungen an und nutzt die Aufmerksamkeit der Fangemeinde, um ein künstlerisches Statement über das Erzählen im Zeitalter von „alles-wird-und-wurde-erzählt“ zu machen.
„Resurrections“ ist auch Gegenwartsblockbuster durch und durch: Er setzt stilistisch keine neuen Impulse und zu oft „tell“ vor „show“. Bei ihm mitzufiebern, sich aufzuregen, atemlos das Geschehen zu verfolgen und sich einem filmischen Rausch hinzugeben ist einfach nicht möglich. Der Film schultert viel mehr, als er müsste:
Grübeln über Kino? Unbedingt. Einfach nur Kino? Does not compute.
„Resurrections“ ist... ein Matrix-Film durch und durch. Er stellt viele richtige Fragen. Nur ob einem die Art gefällt, wie er die Antworten händelt, steht auf einer anderen Diskette.

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