Review

Wenn die Bewertungen für einen Film derart verschieden sind wie bei "Die Passion Christi" ist es das Beste, man lässt sich nicht von einer Tendenz beeinflussen, sondern schaut ihn sich selbst an und bildet sich seine eigene Meinung...so weit, so gut. Das habe ich gemacht, ich habe mir den Film angeschaut und muss mich all denen anschließen, die den Film schlicht scheiße fanden, was anderes kann man nicht sagen.
Wie viele andere empfinde ich aber die Brutalität und Grausamkeit jetzt nicht so schlimm, dass man nur deswegen den Film verreißt, weniger wäre sicher oft besser gewesen, warum man die Geißelung so lange zeigen muss, sei in Frage gestellt. Nachdem der Film aber "Die Passion Christi" heißt und die letzten Stunden bis zum Tod am Kreuz zeigen möchte, ist die Rohheit und Grausamkeit zumindest nicht deplatziert, wenn auch deutlich überstrapaziert.
Was viel schlimmer wiegt und den Film auch komplett kaputt macht, ist die Tatsache, dass Mel Gibson den Film so ernst meint wie er ihn darstellt und sich dabei völlig in religiösem Pathos verliert, dass dieser teilweise lächerlich wirkt. Er verstrickt sich in naiv-religiöse Vorstellungen, differenziert in keiner Weise zwischen den z.T. völlig verschiedenen Evangelien, aus denen er sich je nach Belieben bedient. Hauptquelle bleibt für Mel Gibson bedauerlicherweise das Johannes-Evangelium, das der Historie am wenigsten nahe kommt. Ohne zynisch zu sein, es ist schön, dass Jesus in all seinem Leid am Kreuz noch die Zeit hat, einen Mitgekreuzigten zu trösten und seine Familienverhältnisse zu ordnen!
Die Bildgewalt der ersten Filmhälfte ist gar nicht schlecht, auch die Idee, Ereignisse aus Jesu Leben in Rückblenden in die Passion einzubinden, hat mir ganz gut gefallen, aber leider hat sich Mel Gibson in den Rückblenden darauf beschränkt, Sprüche Jesu aus dem Johannes-Evangelium einzubauen, so dass es wirkt, als ob Jesus sein Leben nur auf den Tod hin gelebt hat. Die hier zitierten Sprüche dürften auch weniger bibelfesten Zuschauern irgendwoher bekannt sein, auf jeden Fall lassen sie den Film zunehmend lächerlich wirken.
Schlimm, ganz schlimm wird der Film mit Beginn des Kreuzweges. Hier wird der ganze Pathos, die ganze naive Hingabevorstellung Gibsons offenbar. Richtig gelacht habe ich dann das erste Mal, als Veronika Jesus das Schweißtuch reicht und danach Jesu Gesicht auf diesem zu sehen ist, toll, so zeigt Gibson gleich mal seine Version des Turiner Grabtuches, von dem seit Jahren klar ist, dass es wohl nicht echt ist und Jahrhunderte jünger ist. In der gleichen Szene muss Mel Gibson auch die Zuschauer, die schon am Abschalten sind, aus dem Sitz reißen, denn ein kurzer kleiner Schockeffekt lässt wohl jeden erschrecken, wenn der römische Soldat Veronika den Becher aus der Hand tritt, den sie Jesus reichen will. Toll!
Toll und beeindruckend auch die Szene, wo der Rabe dem "bösen" Mitgekreuzigten die Augen auspickt, schließlich wagt der es ja, Jesus am Kreuz zu veräppeln. Was passiert jetzt wohl mit Mel Gibson? Weil das, was er rund um die Kreuzigung an Bildern und platten Vorstellungen kredenzt, ist wohl auch nichts anderes als Veräppeln, oder?
Lustig ist dann auch der Sturzbach, der aus Jesu Seite plätschert, der römische Soldat "duscht" sich und glaubt.

Schade, wirklich schade um eine vielleicht gar nicht so schlechte Idee, die Passion Christi so realistisch wie möglich zu zeigen, aber realisiert hat den Film leider ein komplett falscher: Jemand, dessen Lebenstraum genau dieser Film war. Tiefste religiöse Überzeugung als Motiv für einen solchen Film - Riesenfehler. Was bei "Braveheart" noch super funktioniert hat, geht bei der Übertragung auf Jesus komplett schief.
Wenn es jemandem daran liegt, einen realistisch wirkenden Film über Jesus zu sehen, soll sich lieber "Die letzte Versuchung Christi" ansehen, hier wird Jesus nicht idealisiert-perfekt-hingebungsvoll-willenlos dargestellt, sondern auch innerlich zerrissen.
Mel Gibsons Film auf jeden Fall hat sein Ziel komplett verfehlt - und er selbst muss aufpassen, dass er sich nicht mit weiteren Projekten wie diesem seinen Ruf zerstört, einen Gefallen hat er sich auf jeden Fall damit nicht gemacht, auch wenn er glaubt, genau das getan zu haben.
Für die sporadische Bildgewalt, die z.T. wirklich beeindruckt hat, gibt es einen Zusatzpunkt, ansonsten gibt es für diesen Schrottfilm nicht mehr als eine 2/10.

Details
Ähnliche Filme