Selten zuvor hat ein Film in diesem Maße polarisiert - zu Recht. „Die Passion Christi“ umfasst ein schwieriges Thema, so dass wesentliche Fragen aufgeworfen werden, die jeder Betrachter selbst beantworten muss. Eine qualitative Bewertung ist nicht zuletzt deshalb äußerst schwierig.
Die Geschichte der letzten 12 Stunden Jesu ist im Kern bekannt und bietet daher auch keine großen Überraschungen. Auf der anderen Seite muss man konstatieren, dass der Film schockiert und bewegt, fast suggestiv ist. Diese Wirkung wird durch die vermeintlich realistische Inszenierung der Geschehnisse anhand der Vorlage hervorgerufen, wobei die schockierende Art und Weise entscheidend ist.
Schon im Vorfeld wurde das Thema enthaltene Gewaltszenen, welche vehement und bildgewaltig dargestellt sind, heiß diskutiert. Eine Bewertung der Brutalität ist eng geknüpft mit der Frage, ob es sinnvoll ist die Vorlage in dieser realistischen Art umzusetzen. Ich neige dazu, den Gebrauch von Gewalt, mit dem Nutzen, die Wahrnehmung der vermeintlichen Wirklichkeit zu verstärken, eher zu legitimieren, als beispielsweise bei der Darbietung einer künstlerischen Absicht.
Keine Frage, „Die Passion Christi“ ist brutal und schockierend und trotzdem erfüllt die Darstellung ihren legitimen Zweck, auch wenn eine konkrete Szene, in der ein gekreuzigter Verbrecher von einem Raben angegriffen wird, einen faden Beigeschmack hinterlässt und unnötig erscheint. Gibson aber deshalb vorzuwerfen, er würde das Leiden Jesu instrumentalisierten, um einen Skandal zu erzeugen und Aufmerksamkeit zu erlangen, scheitert schon an der Tatsache, dass die Grundlage es genauso beschreibt. Wie soll man sich die Art der Folter in Form von Peitschen und Geißeln sonst vorstellen?? Vielmehr stellt sich die Frage, ob es notwendig ist die Geschehnisse so realistisch darzustellen oder ob die bloße Vorstellung davon Grausamkeit genug ist!? Warum sollte man bei all der Brutalität, mit der gewisse Genres oftmals verbunden sind, hier ein Tabu setzen!? Moral ist ein weit dehnbarer Begriff und genauso gut könnte man Gibsons Absicht legitim so darstellen, dass er eine knallharte, detaillierte, ungeschönte Darstellung der Evangelien verfolgte. Das ist ihm zweifelsfrei gelungen!
Mit der Verbundenheit an der Bibel werden deren kontroverse Themen, wie beispielsweise die historisch gesehen strittige Rolle von Pilatus, oder dem Vorwurf des Antisemitismus, übernommen. Das sind allerdings grundsätzliche Punkte, welche das neue Testament berühren, aber nicht die Regiearbeit von Gibson, dem diese Schriften nur als Grundlage dienten und der sichtlich darum bemüht war, keine Details zu verändern. Logik hin oder her! Ferner erscheinen die Vorwürfe der antisemitischen Haltung ohnehin überzogen, da jene Kritik, die Wertevermittlung seitens Jesu nicht berücksichtigt und daher jeder Grundlage entbehrt. Andererseits hat die Frage nach dem Erfolg der Intention durchaus ihre Berechtigung. Es ist schon fragwürdig, ob gewisse Zielgruppen die Absicht verstehen oder zweckentfremden und sich an den inhaltlichen Kontroversen oder den Folterszenen ergötzen.
Gelungen ist zweifelsohne der Gebrauch der originalen Sprachen Aramäisch, Hebräisch und Latein, wodurch die Wirkung verstärkt und Authentizität vermittelt wird. Darüber hinaus überzeugt James Caviezel als leidender Jesus vollends, so dass ein Gefühl von Mitleid unvermeidlich ist.
Erzähltechnisch überzeugt der Film mit geschickten Reflexionen bekannter Taten und Handlungen Jesu aus dem neuen Testament, durch die immer ein Bezug zu aktuellen Szenen hergestellt wird.
Dagegen wirkt die Inszenierung der Auferstehung unangebracht, weil dadurch der Eindruck entsteht, dass die Bebilderung aller Überlieferungen forciert und vorweg genommen wird und dem Betrachter die Möglichkeit verbaut wird, das Gesamtbild selbst abzurunden.
Die „Passion Christi“ ist Plädoyer dafür, dass jede Religion Respekt verdient, unabhängig davon, ob man gläubig ist oder nicht. Wer allerdings religiös motivierte Filme grundsätzlich ablehnt oder als gefährlich betrachtet, was durchaus seine Berechtigung hat, der wird an der knallharten, bildgewaltigen sowie schockierenden Verfilmung des Leidenwegs Jesu keinen Gefallen finden. (7/10)