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Ein Mann dreht total durch! Ohne im Detail zu wissen, was für Zeug sich "Mad Mel" gepfiffen hat, so spricht dieses (unter)belichtete Machwerk erschreckende Bände. Wie es dazu kommen konnte, dass ein Schauspieler, der durchaus beachtenswerte schauspielerische Leistungen erbrachte und auch hinter der Kamera ein gewisses Geschick bewies, so abstürzen konnte, bleibt dennoch ein trauriges Rätsel.
Das Grundmissverständnis hinsichtlich dieses Films dürfte sein, dass er mitnichten eine, wenn auch reaktionär katholische, Sichtweise auf die Bedeutung des Martyriums des christlichen Religionsgründers vermitteln, sondern einzig eine detailverliebte, weitgehend handlungs- und sinnfreie Darstellung der physischen Fakten eben dieses Martyriums präsentieren will.
Macht man das Gedankenexperiment und ersetzt Jesus von Nazareth durch eine/n Normalsterbliche/n, könnte man wohl Anzeige erstatten, basierend auf §131 StGB und nach dem Präzedenzfall "Maniac" müsste das Gericht auch eine Beschlagnahmung anordnen, etwa mit der Begründung: "...genussvoll ausgespielte Folter- und Tötungsszenen..".
Gegen eine drastische Gewaltdarstellung ist nichts einzuwenden, solange sie im Zusammenhang des entwickelten Plots eine Funktion hat, Figuren charakterisiert, weitere Handlungselemente bedingt, kurz, eingebettet im Gesamtbild des Films ist. Im vorliegenden Fall jedoch ist sie tatsächlich reiner Selbstzweck, der weder aus einer vorhergehenden Geschichte herzuleiten ist, noch weitere Folgen zeitigt, denn der Kernpunkt der Jesuspassion ist immer noch die Auferstehung, die hier in geschätzten drei Filmminuten erledigt wird - ich scherze nicht! Ob man beim durchschnittlichen europäischen Kinobesucher auch eine so umfassende Kenntnis des Neuen Testaments voraussetzen kann, dass das Gezeigte Sinn macht, wage ich vehementest zu bezweifeln und selbst WENN man es könnte, leuchtet mir keinerlei Grund ein, sich die minutiöse Zerfleischung eines Menschen als religiöse Erbauung anzusehen.
Es stellt sich also die Frage, wer etwas oder was man mit dem Film anzufangen wissen soll. Erbaulich ist er nicht, informativ noch weniger - denn die Genauigkeit des Gezeigten orientiert sich ja nicht an der theologischen Forschung, sondern lediglich am Wortlaut einiger Texte des Neuen Testaments, welche alles andere als präzise sind -, abstoßend ist er im hohem Maße und wenigstens für Satanisten und worttreue Nietzscheaner sollte hier die Erfüllung zu finden sein. Alle, die keine geifernden Fanatiker sind, werden ratlos den Kinosaal verlassen - in vielen Fällen wohl noch vor Ende des Films.
Mit dem ausschließlichen Gebrauch toter Sprachen - Aramäisch, Hebräisch und Latein - sollte wohl eine "authentische" Atmosphäre erzeugt werden, doch da es keine Tonbandaufzeichnungen von der tatsächlichen Aussprache gibt, bleibt dies natürlich hochspekulativ und man hätte eigentlich gleich in Englisch drehen können.
Zumal auch die Schauspieler auf denkwürdige Weise verheizt werden: Monica Bellucci als Maria von Magdala darf schmachten, heulen und die Fresse weitgehend halten, was den Eindruck erweckt, ihr Aufputzauftritt in den letzten beiden "Matrix"-Reinfällen wäre vergleichsweise eine Hauptrolle gewesen. Nichtsgesicht James Caviezel in der undankbaren Hauptrolle besteht ohnehin bald nur noch aus Latexapplikationen und läßt einen lächerlichen Hippie-Geezus!-Shtick ab, bisweilen an den schwarzen Ritter in "Monty Python and the Holy Grail" erinnernd, der auch nach mehreren Amputationen noch voll aktiv ist. Von den restlichen Knallchargen bleibt keiner in Erinnerung, außer vielleicht Rosalinda Celentano, die "Satan" spielt (natürlich, gut katholisch, eine Frau), denn dieser Blick ist tatsächlich nicht wirklich mehr heimelig. Aber diese Rolle ist leider extrem reduziert.
Ein Film wird aus dem Ganzen nie, doch Fans von "Guinea Pig" oder "Gesichter des Todes" bzw. Leute, die die Abschaffung von Hexenverbrennungen immer noch nicht verkraftet haben, finden hier vielleicht ihren Kultfilm.
Eine Anmerkung noch zu den Antisemitismusvorwürfen: Gibson war natürlich schlau genug, sich schlicht wortgetreu auf einige judenfeindliche Texte des Neuen Testaments zu berufen und sich selbst somit gekonnt aus der Affäre zu ziehen, nur: die Tatsache, dass man die Darstellung trotzdem so übernimmt, ist natürlich genauso eine Aussage. Man stelle sich vor, ein Regisseur verfilmt "Mein Kampf" und sagt dann: es steht alles so da drin, ich kann nichts dafür! Dann kann man ihm trotzdem vorwerfen, dieses Buch so verfilmt zu haben. Insofern ist "The Passion of the Christ" tatsächlich ein latenter Antisemitismus vorzuwerfen, ohne Gibson dessen bezichtigen zu wollen.
Eigentlich sollte es hier eine 1 hageln, doch diese Bewertung ist von mir für echte unterhaltsame Trash-Granaten vorgesehen - wer jedoch hierfür Geld ausgibt, ist selber Schuld!

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