Mit „Die Passion Christi“ wollte Mel Gibson also seine Version einer Geschichte auf die Leinwand bringen, deren Ende schon jeder kennt, im Gegensatz zu Filmen wie „Titanic“ vor diesem Background keine eigene Geschichte erzählen.
Also ist „Die Passion Christi“ eine Wiedergabe jener Bibelpassage, die man getrost zur Allgemeinbildung zählen kann, allerdings beliebig aus den vier Evangelien zusammengeklaubt, denn Gibson entscheidet sich nicht für einen Autor. Hinzu kommt noch eine Prise Historisches, damit erzählt Gibson dann seine Version der Passionsgeschichte, sodass man jedweden dokumentarischen Anspruch schon im Vorfeld vergessen kann.
Für einen handfesten Skandal war damit natürlich gesorgt und vielleicht war es auch gerade diese Tatsache, welche dem Film Publicity und hohe Einspielergebnisse bescherte, denn was ist schöner, als mitreden zu können und das möglichst zeitig? Teilweise sind die Vorwürfe überzogen, teilweise berechtigt, doch der Film hinter dem Ganzen Trubel erweist sich schlussendlich als riesiger Langweiler.
Lobenswert und wirklich gelungen sind die handwerklichen Qualitäten, welche „Die Passion Christi“ (in den meisten Passagen) aufweist. Gerade durch die Inszenierung kann Mel Gibson ein paar packende Momente (z.B. der Tod Jesu Christi am Kreuz) auf die Leinwand zaubern, wobei vor allem der geschickte Musikeinsatz zur Unterstützung beiträgt. Auch die Idee, den Film in Aramäisch und Latein aufzuziehen, wird hier ziemlich konsequent und sorgfältig durchgezogen, was „Die Passion Christi“ schon eine gewisse Stimmung verleiht.
Doch darüber hinaus tun sich dann Abgründe auf, wobei Gibson sich handwerklich nur wenige Böcke schießt, im Falle der unfreiwillig komischen Verhaftung Jesu, bei der unmotiviert wie übertrieben Slow- und Fastmotion eingesetzt wird. Die Umsetzung der biblischen Geschichte ist jedoch schlicht und einfach unter aller Sau. Die Pharisäer sind alle garstige, alte Männer, bei den römischen Soldaten sind die meisten grobschlächtige, meist kahlköpfige Folterknechte, wer anders (also ziviler) aussieht, hat früher oder später Mitleid mit dem armen Jesus. Die Jünger Jesu sehen immer etwas gestriegelter aus als der Rest der Bevölkerung, der Höhepunkt der lächerlichen Klischeedarstellungen ist jedoch König Herodes. Der Massenschlächter sieht hier so aus, als stamme er aus „Mel Brooks verrückte Geschichte der Menschheit“, trägt Tuntenschminke und kann noch nicht mal seine Perücke richtig aufsetzen. Von Barrabas, einem klischeehaften Schmieriack sondergleichen, ganz zu schweigen.
Das ist an sich sogar ärgerlicher und unsubtiler als die im Vorfeld viel diskutierten Folterszenen. Die sind ziemlich lang, die Kamera hält immer voll drauf und das Kunstblut fließt in Strömen – sicher nichts für zart besaitete Gemüter. Doch dies kann nicht vertuschen, dass die ausgewalzte Darstellung des Martyriums nach kurzer Zeit nicht mehr schockiert. Doch Gibson hält eisern daran fest die Auspeitschung mit den neunschwänzigen Peitschen rund 10 Minuten lang (mit kleinen Unterbrechungen) zu zeigen, obwohl wenige Schläge ausgereicht hätten. So wirkt es fast lächerlich, denn Jesus wird über den halben Platz verteilt und müsste schon längst an Blutverlust gestorben sein, doch mit Subtilität hat „Die Passion Christi“ es ja nicht. In der Kreuzigungsszene kann Gibson noch mit einem fiesen Armbruch und dem Nägeleinschlagen ekeln, doch das macht den Film auch nicht interessanter.
Denn gerade hier liegt der Hund begraben: „Die Passion Christi“ erzählt nichts Neues und verweilt ewig lange in Einzelmomenten. Andere Aspekte (z.B. Petrus’ Verleugnung von Jesus) werden in Mindestzeit eingebaut, scheinbar nur um sie drin zu haben. Dazu kommen noch ein paar eigene Andichtungen, gerade das Auftauchen des Teufels (hier als Zwitter, teilweise mit Dämonenbaby im Arm) ist unfreiwillig komisch und trashig. All dies ist nur um des simplen Effekts eingebaut, es reicht nicht, dass Judas aus Schuldgefühl Selbstmord begeht, nein, er muss zuvor von dämonischen Kindern gehetzt werden. Und ein Augenauspicken durch eine Krähe kommt zwar nicht in der Bibel vor, soll aber schocken.
Da gehen die Darsteller an sich samt und sonders unter, auch wenn es echt eine Herausforderung ist die Dialoge in den toten Sprachen aufzusagen. Doch bis auf James Caviezel, der eine wirklich gute Performance als Jesus hinlegt, bleibt einfach keiner im Gedächtnis.
Unterm Strich bietet „Die Passion Christi“ wenig, ist noch nicht mal das große Ärgernis als das viele ihn sehen. Er ist viel mehr ein Langweiler, sorgfältig gemacht und mit ein paar Momenten, aber quälend lahm, teilweise unfreiwillig komisch und mit Holzhammersymbolik, gerade im Bereich Figurenzeichnung.