Irgendwann werden Kinder erwachsen und verlassen das Haus - also stand auch zu befürchten, daß Kevin Smith sich eines Tages von seinem bekannten und erprobten "Askewverse" in New Jersey verabschieden würde, um Filme jenseits von "Jay and Silent Bob" zu machen. Fünf Filme hatte er 2004 gedreht - jetzt mußte etwas Neues her.
Ich bin mir nicht ganz sicher, was das Neue ist, aber "Jersey Girl" ist es leider nicht.
Zwar verzichtet er auf bekannte Figuren oder nachvollziehbare Querverweise zu seinen bisherigen Filmen, ansonsten hat Smith hier keineswegs das Elternhaus flügge verlassen, er dreht maximal eine kleine nette Runde um den Block.
"Jersey Girl" läßt sich schon anhand des Titel erneut in New Jersey lokalisieren und wenn man es irgendwie definieren möchte, dann könnte man den fertigen Film eine "niedliche Belanglosigkeit" nennen, eine eigentlich konfektionierte Familienstory, die eigentlich kein großes Kinopotential hat.
Mann heiratet Frau, Mann schwängert Frau, Frau stirbt bei der Geburt der Tochter, Mann trauert, kümmert sich erst nach einiger Zeit um die Tochter, verliert seinen Traumjob und macht Drecksarbeit, zieht aber ein glückliches Kind groß. Sechs Jahre später lernt er eine neue Frau kennen und steht kurzfristig vor der Entscheidung "Kind oder Karriere" bzw. "Großstadt vs. Kleinstadt". Wie wohl die Entscheidung ausfallen wird?
Das ist auf den ersten Blick ebenso redundant wie vorhersagbar und Smith liefert in Sachen Plot hier wirklich keinerlei Überraschungen, wie er es beziehungstechnisch etwa noch bei "Chasing Amy" absolut meisterhaft tat. Das hier ist Herzschmerz mit ein wenig Witz - aber letztendlich kommt immer alles auf die Verpackung an.
Und da ist es gut, daß sich Smith noch nicht von seiner Vergangenheit lösen konnte, denn abschnittsweise greift er auf bewährte Materialien zurück.
Da wäre zunächst die Besetzung der Hauptrolle mit Ben Affleck. Smith dürfte einer der wenigen Regisseure sein, der aus Affleck, selbst nominell inzwischen Hollywoodstar, eine Leistung rauskitzeln kann, für die man ihn nicht prügeln möchte oder in der er nicht absolut unsympathisch wirkt, außer die Rolle verlangt es sowieso.
Affleck wirkt motiviert, aktiv und lebendig und reißt die komplette Gefühlspalette des Vaterseins von Blödeln bis Tränen babybelrund vom Zaun, was sehr gut zu der augenrollenden Lebendigkeit von Filmtochter Raquel Castro paßt, die ein passendes Jugendlookalike ihrer Filmmutter Jennifer Lopez ergibt. Lopez steuert übrigens nur einen fünfzehnminütigen Kurzauftritt bei, fällt aber ausnahmsweise nicht unangenehm auf.
Aus der Vater-Tochter-Konstellation destilliert sich dann der Restfilm heraus, der wiederum mehr oder weniger dem Mikrokosmos New Jersey huldigt, der Kleinstadtidylle mit etwas Mief, der Provinzialität mit seinen milden Reizen, die früher oder später immer wieder in die allgegenwärtige Smithsche Videothek führt, wo man dann der zukünftigen Frau seines Lebens begegnet. Vorher muß man natürlich noch beinahe den Verlockungen des alten Traumjobs Musik-Promoter verfallen, um dann (und das ist wirklich ein übles Klischee) am Ende doch noch rechtzeitig zur Schulaufführung der Tochter aufzutauchen.
Daß man diese erzählerische Klischeesuppe jedoch dennoch schmunzelnd genießen kann, liegt an der Art der Präsentation. Smith schafft es mittels seiner unnachahmlichen Fähigkeit, Dialoge sowohl profan wie tiefschürfend und gleichzeitig brüllend witzig zu gestalten, diese eckigen Versatzstücke immer wieder unterhaltsam einzufärben.
Der grummelige, aber doch liebe Großvater wird von dem alternden Komiker George Carlin erfrischend offensiv gegeben, das erste Zusammentreffen von Liv Tyler (erfrischend erwachsen) und Affleck dreht sich um eine Umfrage bezüglich der Gewohnheiten von Pornokonsumenten (und das erste richtige Rendezvous auch), der neue Job wird durch eine erfrischende Selbstdemontage Will Smiths von dramaturgischen Klischeesümpfen befreit und das zu präsentierende Stück bei der Schulaufführung (wo sonst alle nur "Memories" aus "Cats" präsentieren) ist natürlich eine Szene aus "Sweeney Todd" samt blutigen Kehlenschnitt.
So simpel und abgedroschen die Geschichte ist, so erfrischend individuell hat Smith sie meistens im Griff und läßt immer wieder einen Spruch, einen Dialog, eine Wendung einfließen, die einen eben nicht aufstöhnen läßt, wenn einen der Zynismus noch nicht komplett im Griff hat. Sicherlich, die Rolle von Jason Biggs ist letztendlich überflüssig und manche Szene hat man sicher nur geschrieben, damit Jason Lee und Matt Damon einen Gastauftritt haben, aber abseits aller sexuell eindeutigen Themen funktioniert "Jersey Girl" tatsächlich als erfrischende Familienunterhaltung mit relativ viel Drive unter der abgenutzten Oberfläche.
So altmodisch wie das alles klingt, ist es auch, zwar beschwingt bebildert, aber eben genau neben der Spur für die Zielgruppen, die hier eigentlich vereint werden sollten, weswegen dem Film kein sonderlicher Erfolg beschert war. Aber als Feelgoodfilm für einen häufigen Aufenthalt in DVD-Sammlungen genügt er dann doch.
Danach jedoch kehrte Smith noch einmal ins "Askewverse" für "Clerks 2" zurück - es ist eben doch nirgends schöner als zuhaus! (7/10)