„El Padrino“, ein Crime-Movie des „Allrounders“ Damian Chapa (Co-Produzent, Co-Autor, Regisseur, Hauptdarsteller), wäre gerne eine hispanische Version von… ach, man muss die Sprache nicht gelernt haben, um den Namen des Films übersetzen zu können – aber für alle, die zusätzliche Hinweise benötigen, einfach mal die Titel-Ergänzungen betrachten: „the Latin Godfather“ bzw „das tödliche Vermächtnis des Paten“. Ja, Chapa hat im Vorfeld gewiss fleißig Klassiker und Referenzen des betreffenden Genres, zum Beispiel „GoodFellas“, „Blow“ oder „Scarface“, ausgiebig konsumiert und sich dabei fleißig Notizen gemacht, um jene dann (unter Zuhilfenahme einer ganzen Reihe Klischees) zu einer „eigenen“ Story zu vermengen. Das Ergebnis dieser Bemühungen stellt sich jedoch relativ schnell als eine ziemlich unoriginelle Geschichte über den Aufstieg und Fall eines machthungrigen Kriminellen heraus, welche darüber hinaus sogar noch (zu allem Überfluss) quasi in Form einer langen Rückblende präsentiert wird, denn gleich die Eröffnung zeigt unseren aus vollen Rohren ballernden Hauptprotagonisten mit verkniffenem Gesicht inmitten eines auf ihn einprasselnden Kugelhagels stehend (natürlich in Zeitlupe, versteht sich), während eine Stimme aus dem Off zu erzählen beginnt:
This is my Story.
This is a Story about me.
This is a Story about some stone cold Gangster-Shit…
San Fernando Valley, 1964: Im Kindesalter wird Michael, Sohn einer Amerikanerin und eines Mexikaners, von letzterem (Ismael Carlo) zu sich genommen und lernt so bereits in jungen Jahren das Dasein im rauen, zwielichtigen Milieu der Stadt kennen, denn Dad verdient sich seinen Lebensunterhalt vornehmlich mit krummen Geschäften – bis er den Cops ins Netz geht und für längere Zeit hinter Gittern verschwindet. Derart geprägt von dieser Phase, dass er sich inzwischen Miguel (Damian Chapa) nennt, kann Michael 1978 die beiden Latino-Drogendealer Rudy (Emilio Rivera) und Loco (Sal Lopez) dazu überreden, mit ihm ein Business aufzuziehen, um weißen High School Kids ihre Ware schmackhaft zu machen. Der Erfolg erweckt die Neugier der impulsiven Tochter eines kolumbianischen Drogenbarons, Sebeva (Jennifer Tilly), welche sich ihnen anschließt – u.a. dank ihrer weiblichen Angestellten fassen sie nicht nur auf dem örtlichen Campus zügig Fuß, sondern bauen darüber hinaus rasch eine weitläufige und verdammt lukrative Organisation auf, welche ohne zu zögern knallharte Mittel einsetzt, um sich immer größere Macht-Anteile zu sichern. Alles läuft ausgezeichnet, Miguel trägt unterdessen gar stolz den Spitznamen „Kilo“ – bis er und seine engsten Wegbegleiter verhaftet werden. Da die beteiligten Polizisten einen Zeugen zu einer Falschaussage zwingen, kann selbst sein werter Verteidiger (Robert Wagner) nicht verhindern, dass man sie zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt…
Ohne auch nur einen Gedanken an eine Kurskorrektur zu verschwenden, knüpft er „drinnen“ umgehend fleißig Kontakte zu jamaikanischen und afroamerikanischen Gangs (u.a. vertreten durch Tom „Tiny“ Lister), was dem Anführer der Arischen Bruderschaft (Brad Dourif) gar nicht in den Kram passt – nur ist er da schon viel zu mächtig, als dass er sich ernsthafte Sorgen um die Empfindungen jener Neonazi-Gruppierung machen müsste. Eines Tages wird der pädophile Serienkiller Lars (Gary Busey) ebenfalls in die betreffende Institution eingeliefert – dieser hatte zuvor die kleine Tochter des Gouverneur-Ehepaars (Stacy Keach, Joanna Pacula) ermordet und war von der zuständigen Richterin (Kathleen Quinlan) „nur“ zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das ist dem trauernden Vater allerdings nicht genug: Kilo´s Anwalt kennt er noch von früher, und so wird die Botschaft weitergegeben, dass er die Ermordung des Perversen mit einer Aufnahme in ein Resozialisierungs-Programm belohen würde – im Endeffekt nichts anderes als sofortige Bewährung. Gesagt, getan: Lars tritt auf unschöne Weise seinem Schöpfer gegenüber, wenig später sind Kilo und seine treusten Gefolgsleute wieder auf freiem Fuß und bauen ihre Unternehmung vollends zu einem mächtigen Kartell aus, indem sie umfangreiche Mengen an Kokain aus Mexiko importieren und extrem einträglich unter die Leute bringen. Ungefähr zur selben Zeit, als Miguel langsam über einen Ausstieg aus der Illegalität nachzudenken beginnt, da das Risiko regelrecht täglich steigt und er indessen auch ein liebender Ehemann und Vater geworden ist, hat die amtierende Generalstaatsanwältin (Faye Dunaway) genug von den Zuständen auf „ihren“ Straßen, weshalb sie eine Task Force unter der Führung des unerbittlichen Agenten Kurt Meyers (Ralf Möller) zusammenstellt, welche Kilo sowie seinem Syndikat ein für alle Mal den Garaus machen soll…
Filme dieser Ausrichtung folgen meist einem ähnlichen Muster – ausschlaggebend sind demnach die Feinheiten bzw Details, mit denen sie sich voneinander abgrenzen (die Qualität der Dialoge, Poesie der Bildersprache, Vielschichtigkeit der Handlung etc). „El Padrino“ ist sicher ein ambitioniertes, für die Verantwortlichen herausforderndes Projekt gewesen, allein schon aufgrund der limitierenden Budget-„Höhe“ von unterhalb der 2 Millionen Dollar Marke, weshalb Chapa auch höchstpersönlich durchs Land zog und Promotion-Arbeit aus einem Van heraus betrieb – aber gerade dann ist es umso wichtiger, auf eine gute Geschichte als solide Basis und stabiles Fundament zurückgreifen zu können. Dies ist vorliegend leider kaum der Fall, denn man verwechselte augenscheinlich Klischees mit unumstößlichen Genre-Stützpfeilern – die betreffenden Szenen tauchen durchaus auch in den großen Vorbildern auf, doch ihre Anordnung und Häufigkeit ist dort wesentlich geschickter ausgearbeitet worden. Kilo muss sich anfangs in der für ihn neuen Kultur erst einmal behaupten, Respekt ist nicht leicht verdient, bei seiner Verhandlung löst die Urteilsverkündung einen lautstarken Wutanfall aus, im Knast rettet er einem Afroamerikaner das Leben, worauf die Gangs näher zusammenrücken, einigen seiner Partner steigt der spätere Erfolg im Geschäft zu Kopfe, die eigenen Reihen weisen einen Verräter auf, er lässt sich eine Träne unters Auge sowie den Namen seines Sohnes auf den Hals tätowieren, irgendwann will er schließlich aussteigen und fortan ein ehrliches Leben abseits jenes gefährlichen Wirkungskreises führen – nur ist es dafür dann bereits zu spät, am Ende wird es gar persönlich. Das Grundmuster ist bekannt – etwaige Abweichungen vom gängigen Schema fallen nicht ausgeprägt oder attraktiv genug aus, zumal das Finale, also sein Schicksal, darüber hinaus ja noch vorweggenommen wird. Chapa versucht, dies ist offensichtlich, den Untergang seines (Anti-) Helden in jenen Einstellungen förmlich zu zelebrieren, so wie es „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ auf solch großartige Weise gelang – und während die Szene hier tatsächlich „nett“ ausgefallen ist, lässt sie jeglichen nachhaltigen Effekt vermissen, da einem die betreffenden Figuren schlichtweg gleichgültig sind (er und sein Kumpel T-Bone (Lister) treten übrigens Seite an Seite zum letzten Gefecht an). Mit Tony Montana und Carlito Brigante konnte man leidenschaftlich mitfiebern – Miguel ist einem vollkommen egal.
Äußerlich sieht Damian Chapa wie ein typischer amerikanischer Sonnyboy aus – doch in seinen Adern fließt tatsächlich mexikanisches Blut. Okay, das prädestiniert ihn freilich keineswegs automatisch dazu, als cineastischer Fürsprecher jenes Kulturkreises aufzutreten, aber man kann zumindest verstehen, wie die betreffenden Gedanken so zusammenkamen. Bekannt wurde er durch seine Rolle in dem urbanen Drama „Blood In, Blood Out“ von Taylor Hackford, bevor er, dank seiner Beteiligung an schwachen Machwerken á la „Sometimes They come back...for more“, „Hitman´s Run“ oder „U.S. Seals II“, rapide im B-Movie-Morast versank. Tja, und was gibt es in solch einer Karriere-Phase besseres, als eine „epische Gangster-Story“ zu stemmen, in deren Rahmen man sich selbst in ein leuchtendes Licht rücken kann? Vielleicht hätte er sich dennoch für eine einzige Aufgabe entscheiden sollen, denn sowohl seine Performance als auch Regieleistung wirkt stellenweise arg hölzern und ungelenk. Eventuell markierte die Doppelbelastung vorort am Set ein zu großes Gewicht – andererseits konnte mich Damian noch nie vollends überzeugen, egal ob nun vor oder hinter der Kamera.
In Papier-Form muss sich die Geschichte wohl recht interessant gelesen haben – anders kann ich es mir kaum erklären, dass derart viele namhafte Schauspieler ihre Beteiligung zusagten (an der Bezahlung lag es bekanntlich, angesichts des Budget-Umfangs, kaum). Ich gestehe offen, dass die Besetzung der einzige Grund war, warum ich mir den Streifen überhaupt zu Gemüte geführt habe – umso erstaunter war ich, als ich feststellen musste, dass es sich bei den jeweiligen Auftritten fast ausschließlich, mit Ausnahme von Rachel Hunter´s („Final Move“) Cameo, um echte Nebenrollen (und nicht bloß kurze Mini-Auftritte) handelt, welche für den Verlauf unerlässlich sind. Masse ist allerdings nicht zwangsläufig gleich Klasse – fangen wir in diesem Zusammenhang mal mit der schwach agierenden Jennifer Tilly („Bound“/„Tideland“) an: Herrje, wer ist nur auf die Idee gekommen, ausgerechnet sie, 1958 in Harbor City (Ca., USA) geboren, als eine junge Latina zu casten?! Schon in Natura besitzt sie eine der unerträglichsten Stimmen dieser Welt – und hier versucht sie sich an einem überbetonten spanischen Akzent, bei dem einem die Ohren bluten. Aber der Horror geht weiter: Von ihren Dialogen („I may be a Whore, but I´m a loyal Bitch!“) und Over-Acting-Ausbrüchen mal abgesehen, ist es vor allem die Absicht, sie verrucht-erotisch rüberkommen zu lassen – sie tötet Feinde beim Geschlechtsverkehr, trägt ständig knappe Kleidung und räkelt sich gelegentlich lüstern auf der Zimmereinrichtung herum…nur ist Tilly beileibe nicht sexy und trägt etliche Kilos zuviel auf den Hüften – furchtbar! „Tiny“ Lister („Blast!“/„Men of War“) lebt von seiner typischen Präsenz, Stacy Keach („American History X“/„Escape from LA“), Faye Dunaway („Eyes of Laura Mars“/„Network“), Robert Wagner („Wild Things“/„Midway“), Joanna Pacula („Gorky Park“/„Virus“) und Kathleen Quinlan („the Hills have Eyes“/„Breakdown“) liefern solide Vorstellungen ab, Ismael Carlo („Bandidas“/„the Deal“) hinterlässt eine authentische Impression. Brad Dourif („Lord of the Rings“/„Death Machine“) ist schön unsympathisch als Anführer der Arischen Bruderschaft, überraschenderweise hat mich Ralf Möller („Pathfinder“/„Gladiator“) nicht im geringsten gestört – schmunzeln musste ich nur angesichts seiner Rolle als ein (natürlich deutscher) ehemaliger „GSG-9“-Mann, welcher nun eine Art Söldner-Truppe anführt. Am meisten Spaß macht es jedoch, Gary Busey („Lethal Weapon“/„Soldier“) dabei zuzusehen, wie er einen vernarbten, vollkommen irren, religiös verblendeten, rassistischen, pädophilen Serienkiller portraitiert – sehenswert, herrlich over the Top! Aus einer besseren Vorlage hätten die Akteure gewiss noch mehr herausholen können – vorliegend werden sie nicht genügend gefordert, bleiben demnach hinter ihren Möglichkeiten zurück, ihre Leistungen versanden im Mittelfeld.
Die Charaktere hätten den Schlüssel dazu bilden können, einen ansprechenden Zugang zu der verbrauchten Materie herzustellen, nur verhindern das gleich mehrere Faktoren – allen voran eine fehlende Tiefgründigkeit. Ereignisse, Handlungsstränge und Personen wirken gleichermaßen viel zu oberflächlich: Die Figuren werden zum Teil als Mittel zum Zweck verheizt (wie Busey´s Lars), die politische Ebene um die Generalstaatsanwältin und den Gouverneur, aus der man eine Menge hätte herausholen können, verbleibt zu sehr im Hintergrund – beide üben im Prinzip Selbstjustiz aus, überschreiten somit die Grenzen ihrer Ideale, nur wird das nicht einmal im Ansatz so reizvoll aufgearbeitet wie etwa in „King of New York“. Im übertragenen Sinne verwebt Chapa nach und nach scheinbar zusammenhanglose Subplots zu einem Muster, das zwar ein Ganzes ergibt, nur nicht sehr hübsch anzusehen ist, da die Gewichtung zu stark auf Kilo´s Machenschaften gerichtet wurde, statt dem im Grunde interessanteren Rest genügend Raum zuzusprechen – mehr Zeit in die Randbereiche der Geschichte zu investieren hätte das (vielleicht) entscheidend besser funktionieren lassen. Handwerklich schwankt der Film zwischen solide, ungeschickt und schwerfällig: Die Editing-Arbeit erweckt oftmals einen unbeholfenen Eindruck, etliche Szenen wurden auffällig plump ins Geschehen eingebunden (Stichwort: Sex) – und wer auch immer für die Soundkompositionen zuständig war, sollte sich besser einen anderen Job suchen. Hier und da wird dem Zuschauer zudem etwas Action aus der unteren B-Movie-Liga präsentiert – verstärkt im Schlussakt, wo etliche Schießereien und eine Verfolgungsjagd tatsächlich mal ein wenig Tempo und Kurzweil aufkommen lassen. Banalitäten, welche nicht selten mit Anflügen unfreiwilliger Komik einhergehen, verhindern innerhalb dieses Zusammenspiels verschiedener Schwachpunkte (Eindimensionalität, Klischees, Jennifer Tilly etc), dass „El Padrino“ auch nur ansatzweise an seine Vorbilder heranreicht. Kurz vorm Abspann schließt sich der Kreis sogar symbolisch, nämlich als Miguel´s Sohn in die Obhut seines Großvaters gegeben wird – und da jener es damals war, der den Grundstein dafür legte, dass aus Michael irgendwann Kilo wurde, kann man sich nur unschwer ausmalen, wie es wohl weitergehen wird. Ach, da fällt mir ein: Erwähnte ich eigentlich schon, dass Chapa gerade eine Fortsetzung abgedreht hat…?