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Modehochadel im Fadenkreuz


„House of Gucci“ ist Ridley Scotts zweiter Kinofilm aus dem abgelaufenen Jahr und könnte trotz ähnlich ambitionierter Laufzeit kaum konträrer zu seinem feministischen Ritter-Triathlon sein. Und ist dennoch ein kongeniales Biopic zwischen Autounfall und Geniestreich. Ein zweischneidiges Schwert, von dem man die Augen kaum abwenden kann - selbst wenn man das manchmal will. Besonders wenn Jared Leto auf der Leinwand ist als meschugge Mischung aus Super Mario, Italo-Papasöhnchen-Klischee, Charakter aus einem GTA-Videospiel und peinlichster Performance des Jahrzehnts. Faszinierend. Faszinierend schlecht. Baff! Aber eins nach dem anderen. Erzählt wird in „House of Gucci“ von dem Aufstieg und Fall der Patrizia Reggiani, die Ende der 70er Maurizo Gucci, den „Thronfolger“ des gleichnamigen Modeimperiums, auf einer Party kennen und lieben lernt. Und ihn fast dreißig Jahre später ermorden lässt… 

„House of Gucci“ ist anderen filmischen Modebiografien überlegen. Denn er ist noch viel mehr als nur das. Manches freiwillig, bei anderem bin ich mir da weniger sicher. Er ist Posaune und Persiflage. Er hat zwei Hälften, zwei Gesichter, zwei tonale Ebenen. Mindestens. Er ist 150 Minuten lang und doch kurzweilig ohne Ende. Er umspannt Jahrzehnte und kommt doch zum Punkt. Er nimmt eine gierige, scheinheilige, egoistische und sich andauernd selbst kannibalisierende Familie, Industrie und Denkweise auseinander. Er ist mal platt, mal messerscharf. Er bietet schmerzhafte und einen total herausreißende Querschläger wie Leto, aber auch meisterhafte Leistungen von Irons, Pacino oder einer Lady Gaga, die alles an Leidenschaft hereinlegt, was sie hat. Und das ist eine Menge. „House of Gucci“ ist Werbung genauso wie Verriss. Er ist ein abschleckendes Beispiel und doch eine unantastbare Statue. Er ist voller Hits und doch kein Soundtrack, den ich mir in die Sammlung stellen würde. Er ist voller Mode und doch nur selten wirklich stilvoll. Oft sogar absichtlich das Gegenteil davon. Er ist Satire und Drama, er zeigt Eheeishölle und Liebesfeuer. Er ist Poesie wie Prachtstück, er ist Troll und Telenovela. Er ist einseitig und doch vielschichtig, amerikanisch und doch universell, alle Dargestellten verärgernd und doch hat man wenig Mitleid mit ihnen. „House of Gucci“ ist alles andere als eingerostet, eher rotzfrech und quietschfidel. Erst recht, wenn man bedenkt, dass sein Regisseur schon weit über 80 ist und schon lange nicht mehr nur Hits abliefert. Aber mit diesem cheesy Epos hat er es geschafft. Finanziell. Denn wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass „House of Gucci“ auf nahezu jedem Markt mehr einspielt als „Matrix 4“? Aber auch qualitativ meiner Meinung nach. Selbst wenn „The Last Duel“ der noch bessere, wichtigere Film ist und etwa die zweite Staffel von „American Crime Story“ ein ähnliches Thema vielleicht ernster darstellen konnte. 

Fazit: genauso Soap wie Saga, genauso „Der Pate“ wie SNL-Sketch, genauso TV-Film wie großes Kino, genauso Fremdscham wie Verbeugung. Genauso legendäre Oper wie Tiefkühlpizzawerbung. „House of Gucci“ macht einen sexy Spagat zwischen den Stühlen, ist einer meiner Guilty Pleasures 2021 und meiner Meinung nach ein höchst unterhaltsames Must See - nicht nur für Fashionistas! 

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