Remakes von Klassikern sind immer heikel. Im vorliegenden Fall geht es um die bekannte 1961er Verfilmung des Musicals „West Side Story“, welche immerhin zehn Oscars abräumte und mit zu den bekanntesten Genrevertretern gehört.
Für Steven Spielberg, der die Neuauflage inszenierte, handelte es sich hierbei nach eigenen Angaben um eine Herzensangelegenheit. Seit Jahrzehnten schwirrte diese Idee in seinem Kopf herum und so hat er sich nun mit der Neuverfilmung einen Traum erfüllt. Und selbst als bekennender Musicalmuffel, der ich nun mal bin, glaube ich ihm das nach der Sichtung.
Die Geschichte dürfte bekannt sein. Und wenn nicht aus „West Side Story“ selbst, dann aus seinen Vorbildern. Pyramus und Thisbe, Tristan und Isolde, Romeo und Julia – hier im New York anno 1958 sind es Tony und Maria, die nicht zueinander finden dürfen und sich über das, was sie trennen soll, hinwegsetzen wollen.
Dies geschieht natürlich mit viel Musik und Tanz, manche Melodie dürfte auch Nichtkennern des Werks bekannt sein. Die Einlagen sind mitunter toll choreographiert, die musikalische Umsetzung der von Leonard Bernstein und David Newman komponierten Nummern vom New York Philharmonic knackig eingespielt und vom Cast meist ansprechend eingesungen.
Dass Spielberg es vermieden hat, wie es gerne gemacht wird, den Stoff in die Gegenwart zu übertragen, ist ihm positiv anzurechnen. Nicht nur wirkt somit alles irgendwie aus der Zeit gefallen und erinnert an glanzvollere Zeiten in Hollywood, als solche Filme noch mit Begeisterung produziert wurden in ihren knalligen Farben und dem Eventcharakter. Es bringt auch mal wieder ein angenehmes Retroflair auf die Leinwand. Wie viel davon echt ist oder digital eingefügt wurde - das Auge misstraut manchmal der imaginären Realität. Aber sei's drum, die Sets machen was her und auch die Ausstattung, insbesondere in den Innenräumen, ist detailverliebt und zeugt von der Hingabe der Filmschaffenden.
All das ist anzuerkennen und „West Side Story“ ist technisch wirklich superb geraten. Doch hat sich, gerade in der zweiten Hälfte die ein oder andere Länge eingeschlichen und für meinen Geschmack auch etwas viel Schnulze. Ist der Vorlage immanent, das ist mit klar. Auch fällt es mir schwer, hier Identifikationsfiguren auszumachen. Zu viele hormongesteuerte Proleten, deren Antwort auf alles einfach die Faust in der Fresse des Gegenübers ist, taugen dafür nicht. Mehr noch, solche Typen gehen mir auf den Keks. Nicht, dass die Darsteller schlecht spielen, die Charaktere sind eben so. Die darstellerische und gesangliche Leistung soll dies aber nicht schmälern.
Natürlich liegt der Fokus auf Tony und Marie, gespielt von Ansel Elgort (Baby Driver) und der neu auf der Leinwand vertretenen Rachel Zegler, die ein okayes Paar abgeben und mit denen man am ehesten mitfiebern kann. Elgort allerdings ist nicht gerade eine Espritschleuder und spielt recht steif, Zegler wirkt da um einiges lebendiger. Positiv hervorzuheben ist noch Ariana DeBose als Anita, die eine tolle Performance bringt. Funfact am Rande: Anita wurde in der 1961er Version von Rita Moreno gespielt, die nun bei Spielberg die Rolle der Valentina verkörpert.
Dass die Songs in der deutschen Version im O-Ton mit Untertiteln laufen ist zu begrüßen, dass es viele spanischsprachige Dialogpassagen ohne Untertitel gibt, eher weniger.
Über die Kameraarbeit von Janusz Kaminski, der schon oft mit Spielberg gearbeitet hat, muss man eigentlich nicht viele Worte verlieren. Die Bilder sind stilvoll komponiert und dynamisch. Nur der vermehrte Einsatz von lens flares mag nicht so recht zur restlichen Komposition passen.
Spielbergs Inszenierung der „West Side Story“ folgt der bekannten Geschichte mit ihren Melodien und Figuren. Alles sauber auf die Leinwand gebracht, vielleicht zu sauber. Man muss die großen Gesten und ausladenden Einlagen schon mögen, um hier (wie in so ziemlich jedem Musical) seinen Spaß zu haben. Am Ende bleibt die Geschichte im Kern aber zeitlos und auch, wenn sie hier ihre Schwächen hat, ist der Film für Musicalfans sicherlich sehenswert.