„Wo bleibt der Spaß? Wo der Funke? Wo das unsagbare Böse?!“ – „Diesen Punkt wollte ich gerade ansprechen...“ (Konferenz bei EES)
Der britische Schauspieler Alex Winter („Fever“), der in erster Linie als Schauspieler durch die Komödie „Bill & Ted's verrückte Reise durch die Zeit“ populär wurde, führte im Jahre 1993 zusammen mit Tom Stern („Ein Mann greift zur Waffe“) die Regie für die US-Horror-Trash-Komödie „Freaks“, für die er auch höchstpersönlich das Drehbuch verfasste – und die Hauptrolle übernahm. Die „20th Century Fox“ verweigerte dem Film schließlich die Promotion und ließ ihn an den Lichtspielhauskassen floppen. Fürs Heimkino allerdings handelt es sich um einen echten Geheimtipp für Freunde des abseitigen Geschmacks.
Hollywood-Teenie-Sternchen Ricky Coogan (Alex Winter) hat sich vom „EES“-Konzern („Everything Except Shoes“) verpflichten lassen, für deren auf der Chemikalie Cygrot-24 basierenden Superdünger „Noxon“ zu werben. Er geht auf Promotion-Tour in Südamerika, wo er zusammen mit seinem Freund Ernie (Michael Stoyanov, „The Dark Knight“) und der Umweltschützerin Julie (Megan Ward, „Rated X“) auf den Freakshow-Betreiber Skuggs (Randy Quaid, „Das letzte Kommando“) trifft, der das Trio mittels eben jener Chemikalie kurzerhand selbst zu Freaks mutieren lässt. Ernie und Julie sind künftig zusammengeschmolzen wie siamesische Zwillinge und Ricky wurde halbseitig zu einem grässlichen, sabbernden, schleimigen Ungetüm entstellt. Skuggs will die neu erschaffenen Kreaturen neben den anderen Stars seiner Freakshow – dem Wurmmann, dem Kuhjungen, der bärtigen Lady, dem Sockenkopf etc. – öffentlich zur Schau stellen. Dock Ricky trommelt alle Schicksalsgenossen zusammen, um sich gegen Skuggs zur Wehr zu setzen und die Freaks zu befreien…
Da nimmt man mal einen ansonsten eher unscheinbaren Film vom Trödelhändler mit, weil einen das Cover mit skurrilen Mutanten anlacht, wundert sich noch über die Angabe namhafter Darsteller auf der Verpackung… und reibt sich spätestens dann ungläubig die Augen, wenn Haudegen Mr. T („Das A-Team“) als „bärtige Lady“ im Fummel zwischen einer Bande Freaks sitzt. Was Alex Winter hier fabriziert hat, ist eine freiwillige Trash-Komödie oberster Kajüte, voll von schwarzem Humor, Albernheiten, Masken, Make-up- und Spezialeffekten von Screaming Mad George und Zitaten aus bzw. Verweisen auf zahlreiche Unterhaltungsfilmklassiker. Neben dem grotesken Anblick der Gestalten – beispielsweise einer, äh, „Person“, die anstelle eines Kopfes eine Socke hat, unter der sich, wie in einer wahrhaft schockierenden (haha!) Sequenz aufgedeckt wird, eine dritte Hand befindet, oder eben dem wie „Two-Bad“ aus der Bande Skeletors ungleich zusammengeschweißten Paar Ernie und Julia, das sich trotz allem einfach nicht näherkommt, ganz zu schweigen von Ricky, der aussieht wie eine besonders ekelerregende Mischung aus Gremlin im Fiesheitsmodus und Two-Face und ständig Schleim und Eiter absondert – ist es der absichtlich geschmacksverirrte, selbstironische, häufig extrem alberne und doofe Humor, der dafür sehr pointiert, in verdammt hoher Frequenz und vor allem oftmals tatsächlich überraschend daherkommt, der den Unterhaltungsfaktor von „Freaks“ in die Höhe schnellen lässt. Die Sause steckt voller witziger und augenzwinkernder Details, derer es bei einer Zweitsichtung mit Sicherheit noch so einige zu entdecken gibt. Skuggs Freak-Wunderland ist ein Hort des Bizarren, ein Paralleluniversum des Abnormen, das den kleinen Jungen im Zuschauer weckt, der mit großen Augen alles in sich aufsaugt (pfui!). Diverse Kostüme und Tricks wurden dabei bewusst leicht fürs Publikum nachvollziehbar umgesetzt, was den Trashfaktor erhöht und besonders dann viel Freude spendet, wenn von Menschen in Anzügen über Stop-Motion bis hin zu hartem Körperhorror die ganze Palette der Phantastik-SFX Berücksichtigung findet.
In „Freaks“ regiert der Wahnsinn, von dem sich wodurch auch immer auch „seriöse“ Schauspieler wie Brooke Shields und Keanu Reeves anstecken ließen und sich an der Freakshow beteiligten. Von Keanu Reeves bekommt man unter seine Maske als Hundemensch zudem so gut wie nichts zu sehen, so dass man theoretisch jeden anderen Schauspieler hätte nehmen können. Große Klasse, wie Hollywood-Größen den respektlosen Umgang mit ihren Personen gestatten, das bringt Sympathiepunkte ein. Auch Filmemacher wie Sam Raimi und Rob Tapert finden sich in Nebenrollen. Die große Spannung ist nun natürlich nicht Sache des Films, doch läuft er auch nie Gefahr, zu einer eindimensionalen Gag-Revue zu verkommen, die irgendwann nur noch langweilt. Stattdessen reicherte man die Handlung mit satirischen Elementen an, die den unbedarften Umgang mit hochgiftigen Chemikalien sowie die mit Füßen getretenen Arbeitnehmerrechte von Industriekonzernen frech aufs Korn nehmen und damit bei aller Entrücktheit Bodenständigkeit und Intelligenz beweisen, die über reinen Fäkal- und Schmodder-Holzhammer-Humor weit hinausgehen. Auch der Punk-Soundtrack mit Songs von Henry Rollins, den Butthole Surfers und Blind Idiot God unterstreicht den anarchischen Stil des Films und passt perfekt – bereits wenn er zu Beginn zum animierten Vorspann erklingt, der die grobe Marschrichtung vorgibt.
Fazit: Höchst unterhaltsames Freak- und Kreaturenspektakel voll nur oberflächlich betrachtet stumpfsinnigem, viel mehr schrägem, ironischem und bisweilen hintergründigem Humor und Darstellern, die sich im positiven Sinne für nichts zu schade sind. Herrlich geschmacksverirrt und aufgrund seiner Mischung aus Ekelfaktor und Frechheit garantiert nicht gesellschaftstauglich – demnach Pflicht für B-Movie-Freaks, die auch mit „Bad Taste“, „Meet the Feebles“ und ähnlichen Kalibern bzw. generell allem, worin Screaming Mad George auf die Kacke haut, etwas anzufangen wissen. Kultverdächtig!