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Nach ihrer illegalen Einreise in die USA findet die junge Mexikanerin Ambar in Cleveland einen miesen Job als Näherin in einem Sweatshop und eine billige Wohnung in einem heruntergekommenen Mietshaus. Schon kurz nach ihrem Einzug häufen ich da die merkwürdigen Vorkommnisse in der Bude: Da flackern die Neon-Röhren im Treppenhaus munter vor sich hin, unheimliche Geräusche und Schreie gellen aus den Abflussrohren und so manche Nachbarin verschwindet plötzlich spurlos... und ihr Vermieter Red macht einen zunehmend zwielichtigeren Eindruck. Als ihr dann auch noch ziemlich eindeutige Spuk-Erscheinungen das Leben schwer machen, sitzt Ambar in der Falle, denn an die Polizei kann sie sich nicht wenden, ohne deportiert zu werden. Hat das alles irgendwas mit einer atztekischen Steinkiste zu tun, die 1963 bei einer archäologischen Ausgrabung inmitten eines Massengrabs kopfloser Leichen freigelegt wurde und die Ambar nun immer wieder in ihren Träumen erscheint...? Dieser gar nicht mal so üble Streifen, der innerhalb der breiten Masse an Content, die der Streaming-Gigant Netflix so auf seine Abonnenten loslässt, leider ein wenig verschütt gegangen ist, führt einen nicht ungeschickt auf eine falsche Fährte: Ob der präsentierten Bilder in kränklichem grün-blau und einigen gruseligen Szenen in den dusteren Fluren des Mietshauses, die doch ziemlich nach der alten J-Horror-Manier von "Ring", "Dark Water" oder "The Grudge" (Originale wie auch Remakes) geraten sind, ist man sich da doch zunächst mal sicher, hier ein kleines Geisterfilmchen vor sich zu haben, das den besagten Vorbildern huldigt, die mittlerweile ja auch schon weit über zwanzig Jahre auf dem Buckel haben... und das da vermutlich auch zum Ende hin in Richtung eines "Shining"-Derivats kippen könnte. Noch wichtiger scheint Regisseur Santiago Menghini, der hier sein Langfilm-Debüt gbt, dann aber doch der Blick auf das harsche Schicksal illegaler Einwanderer zu sein, dem hier echt viel Platz eingeräumt wird und der dann auch eine ganz andere Art von Schrecken vermittelt. Die Melange ist leider nicht immer so homogen geraten, wie man sich das gewünscht hätte und über weite Strecken kommt "Niemand kommt hier lebend raus" mit seiner Mischung aus abgegriffenen Spuk-Einlagen und gesellschaftskritischem Drama eher uneinheitlich daher und überzeugt in erster Linie durch seine solide Machart, an der es nicht wirklich etwas zu bekritteln gibt, während die Geschichte hintenanstehen muss. Doch halt, bevor man das Ganze mittendrin mental schon als laues Mittelmaß abhaken und vergessen will, kommt der Schluss-Akt urplötzlich mit originellen Ideen, bizarren Visuals und ein bisschen sachtem Splatter um die Ecke, überspielt die Langeweile, die zuvor hier und da mal aufgekommen ist und verpasst der Angelegenheit in den letzten 30 Minuten dann ganz überraschend doch noch ein wenig dringend benötigtes, eigenes Profil... und wertet "Niemand kommt hier lebend raus", der rückblickend betrachtet vielleicht doch mehr auf einer Linie mit solchen Streifen wie "American Monster" oder dem 1988er-"Das Ritual" liegt, als mit irgendwelchen asiatischen Geisterfilmchen, nicht unerheblich auf. Dass das Ende sich da zudem als zynischer Kommentar auf das marode amerikanische Gesundheitssystem lesen lässt, ist sicherlich so beabsichtigt und passt thematisch auch gut. Ganz ehrlich, wäre die Protagonistin Ambar da nicht so dermaßen naiv gezeichnet, dass sie kaum zur Identifikations-Figur taugt und würden ihr vom Drehbuch nicht mehrmals die depperten Verhaltensweisen aufoktroyiert, um die Handlung am Laufen zu halten, könnte man hier glatt 'ne klare Empfehlung aussprechen. So isses halt insgesamt aber doch nur "okay"...

6/10

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