Erfolgsregisseur Guillermo del Toro kann es sich durchaus erlauben, ein Remake zu drehen und auf übersinnliche Elemente zu verzichten, die seinen Werken oftmals den besonderen Kick gaben. Das schreckte womöglich einige Fans ab und der Streifen floppte an den US-Kinokassen, vielleicht nicht ganz zu Unrecht.
1939: Stan (Bradley Cooper) landet als Hilfsarbeiter auf einem Jahrmarkt von Clem (Willem Dafoe) und greift der dortigen Wahrsagerin Zeena (Toni Collette) unter die Arme, während er sich die Tricks eines vermeintlichen Mentalisten aneignet. Zwei Jahre später hat er es in die New Yorker Upper Class geschafft, wo er nun mithilfe der Psychologin Lilith (Cate Blanchett) Details einiger potenzieller Klienten herauszufinden sucht…
Nach einer leicht verstörenden Einstiegsszene, die Hauptfigur Stan nicht gerade zum Sympathiebolzen erklärt, geht es unvermittelt auf den Jahrmarkt, dessen Kuriositäten unweigerlich an den Klassiker „Freaks“ erinnern. Allerdings mit weitaus weniger Freaks denn Illusionen, denn Täuschung ist das Kernthema der Geschichte, die sich in der zweiten Hälfte zum Film noir entwickelt.
Del Toro lässt sich in jeder Hinsicht Zeit und schürt mithilfe der starken Ausstattung, der versierten Kamera und dem angenehm zurückhaltend eingesetzten Score eine in sich stimmige Atmosphäre, die Stans Werdegang in groben Zügen umreist. Dessen galante Täuschungen sind teils gewitzt in Szene gesetzt und man mag sich ausmalen, wie Scharlatane unbedarfte, leichtgläubige Figuren zu täuschen vermögen, indem sie anhand winziger Anhaltspunkte und einiger Wahrscheinlichkeiten Interesse auf sich ziehen. Aktuelle Bezüge sind da kaum von der Hand zu weisen.
Und dennoch zieht sich die Geschichte zusehends, denn es will sich schlicht keine Spannung einstellen. Während es in der ersten Hälfte durchweg ruhig und unaufgeregt zugeht, bestimmen in der zweiten viele Klischees und Vorhersehbarkeiten das Geschehen. Die entsprechende femme fatale ist nichts weiter als ein Klischee und die Tiefe der Hauptfigur geht kaum über einige Flashbacks hinaus. Entsprechend mag man sich die finalen Minuten weit im Vorfeld ausmalen, wodurch trotz einer kleinen Temposteigerung keine Überraschungen auszumachen sind.
Zudem ist es schade, dass einige namhafte Mimen regelrecht vergeudet werden. Wie etwa Ron Perlman als ehemals stärkster Kerl oder Dafoe als perfekt getrimmter, selbstgefälliger Besitzer, welche allenfalls als Stichwortgeber fungieren. Cooper macht sich hingegen sehr gut als wortkarger Gaukler und Rooney Mara hat als vages Love Interest ebenfalls einige starke Szenen.
Wie gewohnt stimmt bei del Toro nach außen hin alles. Handwerklich ist „Nightmare Alley“ nahezu perfekt abgestimmt, die Mimen liefern zuverlässig, nur birgt Story nicht genügend Potenzial für ein Werk von satten 150 Minuten. Gutes Schauspielkino, doch es reißt nicht mit und berührt nicht.
Knapp
6 von 10