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„Ok, ich hab‘ gelogen!“

Fall Nummer 14 der Essener „Tatort“-Kommissare Heinz Haferkamp (Hansjörg Felmy) und Willy Kreutzer (Willy Semmelrogge) ist der zweite im Jahre 1978 erstausgestrahlte „Tatort“ des damaligen Stammregisseurs Wolfgang Becker. Am 2. Juli jenes Jahres flimmerte der von Herbert Lichtenfeld geschriebene „Lockruf“ über die bundesdeutschen Mattscheiben und präsentierte neben einem Mord und der polizeilichen Ermittlungsarbeit vor allem eine Familientragödie.

„So viel Blödheit muss ja bestraft werden!“

Architekt Peter Huck (Herbert Fleischmann, „Raumpatrouille“) betrügt seine Ehefrau Helga (Agnes Fink, „Sternsteinhof“) mit seiner Geliebten Simone Karelus (Gracia-Maria Kaus, „Das Spukschloss von Baskermore“) im an einem Waldsee gelegenen Wochenendhaus, das Helga und ihm gehört. Ihr hat er gesagt, er befände sich auf einer Geschäftsreise in Frankfurt am Main. Den Frankfurter Hotelportier hat er geschmiert, damit er mitspielt und Helgas Anrufe zu ihm weiterleitet. Der gemeinsame Sohn Heiko (Dieter Schidor, „Der Seewolf“) gräbt derweil die aus einem Jugendheim ausgerissene Sabine Knoop (Sonja Jeannine, „Ekstase – Der Prozeß gegen die Satansmädchen“) in einer Kneipe an. Obwohl sie zunächst abweisend wirkt, hat er bald Erfolg bei ihr. Sie nimmt ihn mit in ihre kleine Hütte auf dem Bahnhofsgelände, wo sie sich häuslich eingerichtet hat. Anschließend fährt man gemeinsam zum Wochenendhaus, das Heikos Vater und dessen Geliebte gerade verlassen haben. Doch seine Mutter hat mittlerweile herausgefunden, was wirklich los ist, und erschießt Sabine, während Heiko Lebensmittel einkaufen gefahren ist. Sie hat sie mit ihrer Nebenbuhlerin verwechselt und ahnt noch nicht, dass es sich um die junge Freundin ihres Sohns handelte…

„Das ist mir zu überzeugend!“

Dieses Drama aufzuklären obliegt nun Haferkamp und Kreutzer, die erst nach ungefähr einem Drittel ins Spiel kommen. Zuvor hat Heiko die Tote gefunden und rasch alle Spuren beseitigt, da er fürchtete, der Tat verdächtigt zu werden. Und tatsächlich hat die Polizei zunächst ihn auf dem Kieker, denn sein Vater hat war schließlich in Frankfurt und die Befragung seiner Mutter hat nichts ergeben. So gerät hier also ein Unschuldiger in Schwerverdacht, während dessen Vater enervierend oft betont, in Frankfurt gewesen zu sein – bis dieser die Schuld auf sich nimmt, um ihn zu schützen. Doch Haferkamp glaubt ihm kein Wort. Eine verfahrene Situation, die erst durch weibliche Hilfe von außen gelöst wird: Einmal mehr ist es Haferkamps Ex-Frau Ingrid (Karin Eickelbaum), die hier entscheidende Hinweise gibt, als ihr Ex-Mann während einer Verabredung mit ihr nicht aus seiner Haut kann und schnell wieder dienstlich wird.

„Du hast lange kein Disziplinarverfahren am Hals gehabt!“

Die hier beide im Büro biertrinkenden Haferkamp und Kreutzer geraten sogar in Streit miteinander, als Kreutzer der mittlerweile verdächtigen Helga eine Falle stellen will, Haferkamp dies aber strikt ablehnt. Diese Sequenz ist eines von mehreren Elementen, die diesen „Tatort“ mit von vornherein bekannter Täterin und bekanntem Motiv fürs Publikum aufpeppen. Neben der eher diffusen Thematisierung von Generationskonflikten und dem Sozialchauvinismus insbesondere Helga Hucks, der der Umgang Heikos mit „einer wie Sabine“ ohnehin nicht recht gewesen wäre, ist es eben jene Sabine bzw. Schauspielerin Sonja Jeannine, die für Schauwerte sorgt: Sie konnte in diversen Sexreport- und Erotikfilmchen, aber auch im anspruchsvolleren internationalen Genrekino („Mannaja – Das Beil des Todes“) bereits Erfahrungen sammeln und zeigt sich hier vor ihrem Rollentod oben ohne, räkelt sich nackt im Bett, und die Kamera hält jeweils drauf. Dadurch erhält dieser „Tatort“ einen nicht ungefähren Sleaze-Faktor.

Dieter Schidor sieht in der Rolle Sabines Kurzzeitliebhabers Heiko hingegen alt aus, will sagen: zu alt für eine Rolle, die gerade einmal 18 Jahre jung sein soll. Tatsächlich war er bei den Dreharbeiten bereits fast 30. Heikos Trauer indes hält sich sehr in Grenzen; unklar ist, ob auch diese Rolle bewusst wenig sympathisch angelegt wurde oder es seitens der Autorschaft bzw. der Regie ein Unvermögen in Empathie für sie gab. Definitiv nicht als klassische Sympathieträger taugen die Eheleute, wobei Vater Peter immerhin einen liberaleren Eindruck als Mutter Helga macht, im Endeffekt hier aber viel zu gut wegkommt – seine zumindest moralische Mitschuld ist irritierenderweise kaum ein Thema und seine Frau ihm nach ihrer Überführung nicht mehr im Wege. Das mutet beinahe zynisch an. Musikalisch unterlegt wurde dieser ansonsten aber ansprechend erzählte und unterhaltsame „Tatort“ wiederkehrend von Pink Floyds „Shine on you crazy Diamond“.

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