El Topo(1970)
Inhaltsangaben sind immer so eine Sache. Sie können unfreiwillige Spoiler enthalten oder der geneigte Leser überspringt die Schose einfach, weil er ja weiß, worauf er sich hier einlässt und informiert. El Topo ist ein Western im weitesten Sinne. Ein Western mit spiritueller Färbung, blutverschmierter Gewalt und andauernder Wortkargheit. Ach ja...einen roten Luftballon, der eine Schießerei einleitet, gibt es auch zu bewundern...wer jetzt interessiert ist, kann beruhigt weiterlesen.
Es gibt Dinge, über die es eigentlich nichts weiter zu sagen gibt und doch könnte man Stundenlang über sie grübeln, rätseln und flüstern. Alejandro Jodorowsky's Western wäre so ein Ding. Allgemein ist Jodorowsky ein Typ, der es gerne etwas anders macht. Nicht mal gegen den Strom, sondern ehr im Zickzack ohne Schwerkraft am Strom vorbei. Schaut man auf die handvoll Filme, die er in 40 Jahren zusammengetragen hat, ist wirklich jeder davon eigen, mystisch und verklärt. Inhaltlich lässt sich oft kaum mehr ausmachen als Chiffren, Zeichen oder Symbole. Kaum Spannung und doch eine fesselnde Ästhetik. Flache Charaktere, aber enorme Sogkraft. Es ist Kino, wie es oft nur unter vorgehaltener Hand gibt. El Topo ist kein schöner Film und er ist auch nicht besonders unterhaltend. Aber eine Erfahrung. Man MUSS sich derartige Werke erarbeiten. Die Intention hinter El Topo will sich nicht einfach öffnen. El Topo behält seine Werte für sich und nur geduldige Zuschauer werden diesem abnormalen Reigen interessante Elemente entreißen können.
Für einen Film von 1970 ist El Topo immer noch erstaunlich brutal und schonungslos. Auch mit nackter Haut und düsteren Symbolen wird nicht gegeizt. Vor- und Abspann sind einmalig und auch die Kapitelüberleitungen in Form kurzer Sprites einfach verstörend. Es ist kein Western im eigentlichen Sinne, es ist einer der ersten wirklich extremen Arthousewerke dieses jungen Mediums. Hier wird meisterlicher Choreografie mit Schusswaffen, absurden Dialogen, überlange Schnitte, extremen Genrewechseln und traumwandlerischer Optik gefrönt und Standards gesetzt, die noch über Jahrzente hinweg von großen Filmemachern kopiert werden sollen.
Wo wären sie heute, all die verquerten und verkopften Regisseure. David Lynch, Nicolas Winding Refn, David Cronenberg, Darren Aronofsky oder Quentin Tarantino um nur ein paar zu nennen. Jorodowsky ist eine lebende Legende und einer der wenigen, dessen Werke man als aufgeschlossener Cineast mal gesehen haben sollte. Man wird außerhalb von Foren oder Genrezeitschrifften nur wenige Menschen finden, die solche Filme kennen und auch noch mögen. Ich für meinen Teil erfreue mich an der geplanten(28.02.14 von Bildstörung/Alive!) DVD/BluRay VÖ mit einigen seiner Werke, den dazugehörigen Soundtracks, Booklet und einfach schönen Stunden fernab irgendwelcher Konventionen, Remakes oder Kitsch.
Majestätisch, extrem verstörend und so leise subtil in Botschaft, Wirkung und Umsetzung, dass es mich jedes mal wieder völlig vereinnahmt. Ein Meisterwerk des gekippten Filmes, der wohl eigensinnigste Western aller Zeiten und ein Denkmal für einen Regisseur und Hauptdarsteller, der laut eigenen Angaben selbst nicht so genau weiß, worum es sich in seiner herausragenden Fabel eigentlich dreht.
El Topo...8