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In seinem dritten und letzten Kurzdokumentarfilm porträtiert Stanley Kubrick Mitte der 50er-Jahre die amerikanische Seefahrergewerkschaft SIU. Der Film war eine Auftragsarbeit der Gewerkschaft und wurde größtenteils von dieser finanziert und produziert - und das merkt man dem knapp 30-minütigen Ergebnis voll und ganz an.

Wo seine vorhergehenden Dokumentarfilme „Day of the Fight" und „Flying Padre" bei aller künstlerischen Inszenierung um inhaltliche Authentizität bemüht waren, erweist sich „The Seafarers" als reines Werbeprodukt für die mächtige Gewerkschaft. In unverblümt pathetischen Monologen werden die Leistungen der SIU in den Himmel gelobt: Krankengeld, finanzielle Unterstützung für Familienmitglieder, Sicherung der Rechte der Seefahrer, Möglichkeiten der Erholung zwischen den Einsätzen - und vor allem und immer wieder: Zusammenhalt, Gemeinschaft und Solidarität.

Natürlich waren die 50er-Jahre noch eine Zeit, in der Gewerkschaften mit sehr harten Gegenreaktionen der Industrie zu kämpfen hatten und in denen der Zustand der Arbeitnehmerrechte im Vergleich zur heutigen Zeit oft katastrophal war. In diesem Sinne ist es durchaus verständlich, die Leistungen einer Gewerkschaft, noch dazu in einer Branche, die so harte und gefährliche Jobs beinhaltet und in der viele Menschen der großen Gefahr brutaler Ausbeutung ausgesetzt waren, besonders hervorzuheben. Und sicherlich wurde vieles von dem, was hier gezeigt wird, tatsächlich so oder so ähnlich angeboten. Und doch kommt einem schon nach wenigen Filmminuten unweigerlich die Frage in den Sinn: Wo bleibt hier eine kritische Betrachtung? Mit jeder Szene steigert sich die Lobpreisung der Gewerkschaft und ihrer Leistungen, aber gibt es nicht auch Schattenseiten? Stehen die vielen (teuren) Benefits wirklich ausnahmslos jedem Mitglied zur Verfügung? Wird wirklich so offen und freundschaftlich untereinander diskutiert? Und wie hoch sind eigentlich die Mitgliedsbeiträge? Nichts davon wird auch nur im Entferntesten angerissen, nichts soll das strahlende Bildnis einer geradezu heiligen Gewerkschaft beeinträchtigen. Inhaltlich kommt das über ein plumpes Propaganda- und Werbefilmchen nie hinaus.

Und auch inszenatorisch scheint „The Seafarers" im Vergleich zu beiden vorigen Produktionen seltsamerweise ein kleiner Rückschritt für Kubrick zu sein. Filmanalysten werden hier sicher zwei Szenen hervorheben, in denen die Kamera eine Gleitbewegung an Menschenmassen entlang vornimmt, wie sie in späteren Spielfilmen Kubricks zur Anwendung kam. Und auch bei einer Rede während einer Gewerkschaftssitzung fällt der gekonnte Schuss-Gegenschuss-Einsatz ins Auge, der zwar die Authentizität der Szene pulverisiert, aber künstlerisch durch rein formale Mittel Spannung zu erzeugen versteht. Dennoch bleibt der Film insgesamt hochgradig unspektakulär. Beliebig scheinende Aufnahmen von Häfen, Schiffen und Arbeitergruppen wechseln sich mit gestellt wirkenden Szenerien wie eben der Sitzung ab, Beleuchtung und Farbdramaturgie bleiben Standard und der Score ist so kitschig und pathetisch, wie es die Monologe aus dem Off vorgeben. Rein künstlerisch und formal dürfte das Kubricks schwächstes Werk sein.

Mit dieser Auftragsarbeit entfernt sich der berühmte Regisseur deutlich von seiner sonst stets zu entdeckenden Handschrift, die selbst seine frühen und nicht ganz ausgereiften Filme, wie etwa „Fear and Desire", zu faszinierenden Einblicken in künstlerische Obsession werden ließ. Mit „The Seafarers" verpassen im Grunde selbst eingefleischte Kubrick-Fans nichts wirklich Bedeutendes. Und das kann man wirklich nicht oft behaupten.

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