Azubi Kubrick
Krieg macht kirre. So einfach lässt sich die Aussage von "Fear and Desire" zusammenfassen. Nicht gerade neu, originell, clever. Und das soll ein Kubrick sein? Ja, wenn man genau hinsieht, dann kann man hier und da einen gelungenen Ansatz erahnen. Kamerawinkel, Schnitt, Schattenspiel, Ambition. Doch selbst wenn man diesen Kriegsfilm nicht an Kubricks bald darauf schon folgender und dann durchgängiger Jahrhundertform misst, ist er nicht der Rede wert. Wenn ihn mir ohne Vorwissen jemand vorgeführt hätte, wäre in meinem Kopf niemals der Name Kubrick gefallen. Wer in "Fear & Desire" schon das spätere Genie erkennt, muss mit Nostradamus verwandt sein. Denn auf mich wirkte das langsam verrückt machende Treiben hinter feindlichen Linien nie auch nur ansatzweise gut, sinnvoll oder mitreißend. Da muss ich mich als großer Kubrick-Fan, der hiermit endlich die letzte Lücke in seiner Filmographie geschlossen hat, dem Macher anschließen: "Fear & Desire" hätte keiner vermisst, wenn es ihn nicht gegeben hätte oder er verschollen wäre.
Ich war froh, dass die Laufzeit knapp bemessen ist. Denn schnell war ich den Charakteren, der Handlung, der Aussage und dem Stil überdrüssig. Und dass, obwohl ich versucht habe die Erwartungen herunter zu schrauben oder erst gar nicht mit Kubrick in Verbindung zu bringen. Vielleicht habe ich darin auch etwas versagt und wäre bei einem anderen Regisseur nicht ganz so streng. Nur leider hat "Fear and Desire" außer ein paar netten Kameraeinstellungen und eindringlichen Szenen (z.B. das Mädchen gefesselt am Baum und der langsam abdriftende Soldat vor ihr) nichts, was man nicht schon tausend Mal gesehen hätte, auch damals, nichts, was im Gedächtnis bleiben wird. Alles wirkt wie eine Stilübung und ein zahmes Gedankenexperiment. Eines, dass von absolut jedem hätte kommen können. Alleinstellungsmerkmale nahezu null. Besonders ärgerlich ist, dass nur die Hälfte der äußerst hölzern aufspielenden Akteure einen vollständigen Storybogen bekommt. Insgesamt eine frühe Fingerübung des vielleicht größten aller Zeiten, die belanglos und dröge vor sich her dümpelt. Kann man als Fan mal gucken. Ist kurz genug. Erhellendes sollte man jedoch nicht erwarten. Einen Kratzer am schwarzen Monolithen Kubrick allerdings noch weniger.
Fazit: der Beweis, dass nicht alles Gold ist, worauf Kubrick steht. Wirkt roh, unreif, unvollständig und ziellos. "Fear & Desire" ist nur für schmerzfreie Kubrick-Komplettisten. Kein Wunder, warum sich der Meisterregisseur zu Lebzeiten von diesem Frühwerk distanzierte. Kein Müll, aber viel Genie sieht man noch nicht. Eher prätentiös und nicht zu Ende gedacht. Das Gegenteil des späteren Regiegott.