Eigentlich wollte ich mir „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“ gar nicht ansehen, da ich ein großer Fan der Comic-Vorlage bin und eine totale Verhunzung befürchtete. Schon „Mit Schirm, Charme und Melone“ begrub mit seiner Bombast-Ausstattung und seinen technischen Finessen die das altmodische Flair, die Eleganz und die Ironie des Vorbilds. Hier schien mir ein ähnlicher Fall vorzuliegen. Die schlechte Presse, die der Film im Vorfeld erntete, machte auch nicht unbedingt mehr Lust auf den Streifen. Da mir die Trailer jedoch zusagten, bin ich ohne Erwartungen in den Film gegangen und wurde positiv überrascht.
Der Weltfrieden ist mal wieder in Gefahr: Im Jahre 1898 will das Phantom einen Weltkrieg anzetteln, indem es in Venedig ein Treffen von wichtigen Vertretern aller europäischen Nationen in die Luft jagt. Also rekrutiert der britische Geheimdienst außergewöhnliche Männer und Frauen für die Liga um die Pläne des Phantoms zu vereiteln. Mitglieder sind Mina Harker aus Bram Stokers „Dracula“, der Unsichtbare von H.G. Wells, Allan Quatermain aus Henry Rider Haggards „König Salomons Diamanten“, Robert Louis Stevensons Dr. Jekyll/Mr. Hyde und Kapitän Nemo aus Jules Vernes „20000 Meilen unter dem Meer“. Ginge es nach Alan Moores Comic, wäre die Liga jetzt komplett, doch die Produzenten des Films fügten noch zwei bekannte Gesichter dazu: Oscar Wildes Dorian Grey und Mark Twains Tom Sawyer. Zusammen bilden diese Sieben so eine Art viktorianische X-Men.
Mit Kapitän Nemos U-Boot, der Nautilus, nehmen die Außergewöhnlichen Kurs auf Venedig. Doch vor Ort müssen sie erkenne, dass der Anschlag auf die Lagunenstadt nur ein Ablenkungsmanöver war. Durch einen Verräter in den eigenen Reihen werden die Mitglieder der Liga fast getötet, können aber im letzten Moment dem Unheil noch entgehen. Nun ist es an der Zeit für sie Rache zu nehmen an denen, die sie benutzt haben...
Regisseur Stephen Norrington, der schon mit „Blade“ bewies, dass er ein Händchen für Comic-Umsetzungen hat, fährt hier mächtig auf: Die Ausstattung ist beeindruckend. Die Kostüme, die Bauten, die Nautilus oder auch das Auto der Liga sehen allesamt bombastisch aus. Außerdem knallt und kracht es an allen Ecken und Enden, was allerdings auch ein Problem des Films ist: Die Action erschlägt alles, was den Reiz des Comics ausgemacht hat, was ja nicht so schlimm gewesen wäre, aber gemessen an dem, was mittlerweile Standard im Actionkino ist, wirkt „Die Liga“ häufig lahm und veraltet. Nichtsdestotrotz macht es Spaß sich das Effekt-Feuerwerk anzusehen, was bei den Blockbustern der jüngsten Zeit, wie „Terminator 3“ oder „Fluch der Karibik“, nur selten der Fall war. Auch die Macher des „Hulk“ hätten sich mal eine Scheibe bei Mr. Hyde abschneiden sollen, dann wäre ihr Computer-Monster vielleicht nicht so lächerlich geraten.
Die Schauspieler bieten alle eine solide Leistung, was nicht unbedingt erstaunt, da ihnen auch nicht besonders viel abverlangt wird. Den Hut muss man aber vor Sean Connery ziehen: Nicht dass er so eine großartige darstellerische Leistung vollbracht hat, das lässt der Film auch gar nicht zu, aber trotz seines Alters teilt er hier noch kräftig aus, was einem schon Respekt abnötigt.
Der Film muss sich allerdings vorwerfen lassen, die großen literarischen Figuren teilweise plump zu verschenken: Sicherlich kennt fast jeder die Figuren, aber man hätte durchaus mehr auf ihren Background eingehen können. Hier werden sie als primitive Superhelden verheizt, was im Falle von Nemo besonders lächerlich wirkt: In seinem Kostüm sieht er ohnehin aus wie eine Witzfigur, aber wenn er dann auch noch zum wilden Kung-Fu-Kämpfer mutiert, dann ist das einerseits doch schon arg trashig und andererseits ein Kniefall vor der aktuellen Mode im Actionkino.
Insgesamt kann man dem Popcorn-Kino nicht den mangelnden Tiefgang vorwerfen, denn sonst wäre kein Platz mehr für Action und Effekte. Leute, die auf Popcorn-Kino stehen, sollten auf jeden Fall mal einen Blick riskieren. Hardcore-Fans der Comic-Vorlage sei jedoch abgeraten, denn es ist teilweise schon grausig, was aus Alan Moores Geniestreich gemacht wurde.
8/10