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In Island, wo außerhalb von Reykjavik gefühlt nur 50 Menschen leben, kann man schon mal auf krumme Gedanken kommen. Autor und Langfilmdebütant Valdimar Jóhannsson wusste diese allerdings sehr durchdacht umzusetzen, denn auf rein optischer Ebene ist sein Werk ein echter Hingucker.

Die Schafbauern Maria (Noomi Rapace) und Ingvar (Hilmir Snær Guðnason) leben auf einem einsam gelegenen Bauernhof. Als um die Weihnachtszeit ein Lamm geboren wird, scheint dies zunächst nicht ungewöhnlich und die beiden hüten das Tier wie ihr eigenes Baby…

…welches sich für den Zuschauer schon bald als Mischwesen entpuppt. Zunächst, eingehüllt in Wolldecken, ist nur der Schafskopf sichtbar und erst am Ende des ersten von drei Kapiteln wird ein menschlicher Arm enthüllt. Im Mikrokosmos der Einsamkeit kann die Sehnsucht nach Nähe schon mal groß sein und auch ein typischer Kinderersatz steht für einige Zeit im Raum.

Viel mehr sollte inhaltlich nicht verraten werden über diese insgesamt recht wortkarge Mischung aus Drama, Mystery und Horror. Was jedoch sogleich in Beschlag nimmt, ist die überaus versierte Kamera, die mit einer Fahrt im Schneesturm einsteigt und beobachtet, wie sich einige Pferde nicht für eine kollektive Richtung entscheiden können. Sie ist stets in entsprechender Höhe der Handelnden, was auch für die Hauskatze gilt und fängt darüber hinaus ein paar ansprechende Ansichten der urigen Landschaft ein, bei der es nicht erst Nebel braucht, um ein latentes Gefühl von Unbehagen zu schüren.

Sauber getrickst ist die Angelegenheit darüber hinaus, denn obgleich man Gefahr läuft, ins Lächerliche abzudriften, wenn ein Kind mit einem Schafskopf über die Wiese rennt, fallen entsprechende Gesichtsausdrücke nie übertrieben aus. Auch die starke Dressur des Hirtenhundes muss positive Erwähnung finden, was sich anhand einiger längerer Takes beobachten lässt. Tiere, das Tierische spielen letztlich genauso eine große Rolle wie die Verdrängung von Trauer.

Aufgrund der etwas bizarren Auflösung gibt es mindestens drei Interpretationsmöglichkeiten und es verlangt letztlich doch ein wenig Geduld, bis die Erzählung einen leichten Sog entwickelt, der jedoch nie ins Packende gipfelt. Dabei beweist Noomi Rapace einmal mehr, dass sie überaus wandelbar und sehr präsent performen kann und auch ihr Filmpartner spielt solide. Womöglich hätte der Stoff als Kurzfilm besser funktioniert, denn bei der betont ruhigen Erzählweise erweist sich besonders das erste Drittel als ein wenig ereignislos. Immerhin keine Standardkost, Arthouse-Fans dürften jedoch im Speziellen angesprochen sein.
6,5 von 10

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