iHaveCNit: Abteil Nr. 6 (2022) – Juho Kuosmanen – Eksystent Filmverleih
Deutscher Kinostart: 31.03.2022
gesehen am 23.03.2022 in OmU in der Spotlight-Sneak
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Parkett - Reihe 4, Sitz 9 – 21:00 Uhr
gesehen am 31.03.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 3, Platz 9 – 18:00 Uhr
Dem nächsten Film in meinem Filmjahr geht eine kleine Kontroverse voraus. In Zeiten des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine wollte eine große deutsche Kinokette den Film „Abteil Nr. 6.“ des Finnen Juho Kousmanen boykottieren – weil Russen mit an der Produktion beteiligt waren und eine der beiden Hauptrollen vom russischen Schauspieler Yuriy Borisov verkörpert wird. Das hat zu einem kleinen Eklat geführt, der dafür sorgte, dass der Film letztendlich doch ins Programm der Kinokette aufgenommen worden ist. Denn unter anderem Borisov hat sich öffentlichkeitswirksam klar gegen die Handlungen seiner Landesregierung ausgesprochen und auch die Intention des Films und seine Botschaft hat nun mal absolut nicht mit der aktuellen Lage zu tun. Die Botschaft ist vor allem das absolute Gegenteil – und der Film hat mir richtig gut gefallen.
Laura studiert Archäologie in Moskau. Eigentlich hatte sie vor, gemeinsam mit ihrer Dozentin und Liebhaberin gemeinsam nach Murmansk zu reisen, damit sie den dortigen Petroglyphen auf die Spur geht. Doch ihrer Dozentin kommt etwas dazwischen, so dass Laura gezwungen ist, die Zugreise nach Murmansk alleine zu machen. Bis sie im Zugabteil auf den einfach gestrickten, raubeinigen und grobschlächtigen Bergbauarbeiter Ljoha trifft. Auch wenn sie anfangs mit Ljoha ihre Probleme hat, schaffen es beide dann doch miteinander auszukommen und nähern sich an.
Der Film kommt mit seiner kulturellen Annäherung zweier ungleicher Menschen, die sich kennen lernen und mehr oder weniger miteinander reden durchaus in die Richtung von Richard Linklaters „Before“-Reihe als auch „Lost in Translation“ - nur eben als Roadmovie in einem Zug. Wenn man jetzt ein wenig Lust auf einen Wortwitz hätte, ist „Abteil Nr. 6“ auch „Lost in Trainstation“. Gerade in seiner tristen, aber sehr authentischen und teils dokumentarisch anmutenden Inszenierung, bei der die Kamera immer sehr nah an seinen Darstellern bleibt, ist der Film großartig gelungen. Das mag für den ein oder anderen vielleicht zu grau, trist und spröde sein – gerade bei seinem Thema und dem Setting der Handlung in den späten 90ern passt das aber richtig gut. Der Film erzählt in seiner sehr minimalistischen Art und Weise sehr viel über Selbstfindung, kulturelle Annäherung und Klassenunterschiede aber auch über zwischenmenschliche Anziehung. Der Film ist dort unglaublich reichhaltig. Unabhängig davon wie großartig Seidi Haarla als Laura ist, komme ich nicht herum, Yuriy Borisov als unfassbar großartigen Ljoha zu loben und beide gefallen mir im Doppelpack mit ihrer sich ergebenden sympathischen Chemie trotz aller Unterschiede und Gegensätzlichkeiten.
„Abteil Nr. 6“ - My Second Look – 9/10 Punkte.