„Bestimmt haben Sie sowas noch nie im Leben gesehen!“
Als seinen vorletzten Film lieferte der US-amerikanische Regie-Veteran Roy Del Ruth („Der Würger von Paris“) mit dem Mad-Scientist-Horrordrama „The Alligator People“ im Jahre 1959 einen klassischen B-Movie ab, der stark von „Die Fliege“ inspiriert ist (und als Co-Film für dessen Fortsetzung produziert und aufgeführt wurde). Dank dem Label Anolis hat der Film vor wenigen Jahren nicht nur eine deutsche Veröffentlichung, sondern auch eine äußerst gelungene deutsche Synchronisation aus dem Bodo-Traber-Qualitätsstudio für Retro-Synchros erhalten und heißt hierzulande seither „Im Sumpf des Grauens“.
„Es ist so wild... und vorsintflutlich.“
Krankenschwester Jane Marvin (Beverly Garland, „Gesandter des Grauens“) leidet unter einer ausgeprägten Amnesie, weshalb sie sich eine Therapie begibt. Unter Hypnose ist sie aber in der Lage, den Psychiatern zu erzählen, was ihr Schreckliches widerfahren ist: Ihr eigentlicher Name ist Joyce Webster, sie war verheiratet mit Paul Webster (Richard Crane, „ Fallschirmakrobaten“). Dieser hatte vor einiger Zeit ein Flugzeugunglück überlebt, verschwand jedoch von einem auf den anderen Tag spurlos. Joyce stellte Nachforschungen an, die sie in die Sümpfe Louisianas führten – und damit zu Dr. Sinclair (George Macready, „Die Killer von Dakota“), der ein Serum aus Alligatorhormonen entwickelt hat und damit auch Paul behandelte…
„Hier sind schreckliche Mächte am Werk!“
„Im Sumpf des Grauens“ macht mit seinen beeindruckenden Schwarzweißbildern (u.a. echter Alligatoren) im Cinemascope-Breitwandformat und seiner durchaus namhaften Besetzung für einen B-Movie schon ordentlich was her. Dem vornehmlich als audiovisualisierte Rückblende inszenierten Film merkt man Regisseur Del Ruth‘ Erfahrung an, aus der heraus er das Suspense-Konzept versteht und prinzipiell recht gut beherrscht. Ein gealterter Lon Chaney Jr. („Der Wolfsmensch“) als unsympathischer, fieser Alligatorenhasser Mr. Manon mit Hakenhand setzt einen schönen Kontrast zur zarten, klassischen Filmschönheit Beverly Garland, doch zwischen diesen charakterlichen Polen bekommen wir es mehr mit Drama und Tragik zu tun denn mit Horror. Dr. Sinclair ist kein Mad Scientist im eigentlichen Sinne, da er weder als größenwahnsinniger Irrer noch als Böses im Schilde führender Wissenschaftler gezeichnet wird. Und das „Monster“, der sich langsam zum humanoiden Alligator verwandelnde Paul, ist in alter Frankenstein-Tradition eine bedauernswerte Gestalt.
Neben einigem unvermeidlichen pseudowissenschaftlichen Gequatsche und „Phantom der Oper“-Anleihen zwischendurch wartet der Film mit guter, seriöser Maskenarbeit auf, die Paul ein immer schuppigeres Äußeres verpasst. Das ist alles recht seriös und sorgfältig inszeniert, wenngleich der vorgezeichnete Weg zum Finale etwas arg dialoglastig und dadurch langatmig ausfällt. Eben jenes Finale fällt dafür regelrecht überdreht aus, konterkariert die auf unheimliche Atmosphäre und menschliche Tragik bedachte Ausrichtung und damit vermutlich auch die eigentlich intendierte Wirkung des Films – unterhält dafür aber prächtig und macht aus einem etwas behäbigen Gruseldrama ein Spektakel für Freundinnen und Freunde des Abseitigen.