Review

Vor 3 Jahren schwirrten Gerüchte durch die Fankreise John Carpenters, dass man in Frankreich an einem Remake seines Klassikers "Assault on Precinct 13" werkelte, an dem er aber nicht mitwirken würde. 2003 hörte ich zufällig von "Nid de guêpes" (auf deutsch so viel wie Wespennest, woraus unsere findigen Übersetzer den reißerischen Titel "Das tödliche Wespennest" zimmerten), der die Grundkonstellation des Kultfilms (oder die dessen Vorgängers "Rio Bravo") aufnahm und in ein Umfeld und einen Plot der heutigen Zeit versetzte. Regisseur Florent Emilio Siri, der bis zu diesem Film noch ein unbeschriebenes Blatt für mich war, bekräftigte mich mit seinem Werk einmal mehr in der Meinung, dass Frankreich nach wie vor (Ausnahmen wie "Deep in the woods" bestätigen die Regel) europaweit die besten Filme produziert.

In der etwas zu zähen und ausführlichen Exposition stellt Siri uns die verschiedenen Parteien vor, die des Nachts in einer großen Lagerhalle aufeinandertreffen, sich verbünden und bekriegen werden. Da ist zum einen Nasser (Taxi-Star Sami Naceri) mit seiner Bande, die eben genau aus dieser Halle Notebooks stehlen möchte, ein Nachtwächter, der dort seinen Dienst antritt und der Kern der Geschichte: Die Polizei und das Killerkommando.
Am Nationalfeiertag soll der Menschenhändler und Chef eines Prostitutionrings Grigori Manukov nach Straßburg überführt und dort verurteilt werden. Doch besitzt dieser Mann Geld, mächtige Freunde und Einfluss, denn ein gigantisches Kommando an Killern versucht ihn zu befreien.

Ab der Übergabe Grigoris durch das Militär an die Polizei (GIGN?) beginnt Siri seinen Film in eine eigene, etwas düstere, aber hübsche Optik (Gemäßigter Einsatz von Farbfiltern) zu verpassen. So erinnert die Überführung aus dem Militärflugzeug in den gepanzerten Transporter, schon ziemlich an die Auftritte eines gewissen Dr. Lecters ;), mit dessen Gefährlichkeit Grigori mithalten kann. Passend dazu immer streng diszipliniert und trainiert die Cops, bei denen jeder Handgriff sitzt. Sie strahlen bis zur Reisefertigkeit des "Gasts" ungeheure Professionalität aus, die später in Hilflosigkeit umschlagen wird. Ihnen steht ein deutscher, sehr von sich überzeugter Soldat zur Seite (spricht auch im französischen Original etwas deutsch oder englisch), der leider mit einem Klischee behaftet werden musste und ständig eine eiserne Maske mit sich herumträgt.

Während sich die Polizisten (mit einer peinlich kleinen Eskorte) auf den Weg machen, bekommt man einen Voreindruck von den Gegnern, die im Vorfeld ganz nüchtern einen Vater und seinen Sohn per Kopfschuss aus dem Weg räumen, da er sie bei den Überfallvorbereitungen störte ohne es zu wissen Nicht besser geht es der Polizeikolonne, die von dem Angriff sichtlich überrascht sind. Hier wird zum ersten Mal allerfeinste Actionkost geboten, die sich nun häufen wird. Mit einemüber die Straße gespannten Drahtseil schaltet man die vorwegfahrenden Motorradfahrer aus und erschießt sie, sofern sie den Sturz überleben. Dabei wird wieder kompromisslos und hart (blutige Shoot Outs in Zeitlupe inklusive) zu Werke gegangen, so dass die verwirrten Polizisten gar keine Zeit mehr haben sich zu verteidigen. Als man auch noch mit einer Bazooka den gepanzerten Transporter schwer zusetzt, kann der sich gerade noch in die Lagerhalle flüchten, welche gerade Nasser mit seinen Leuten ausräumen möchte.

Was nun folgt ist Actionkost der allerersten Güte, wie man sie leider nur noch selten zu sehen bekommt. Verzichtet wird hier komplett auf die in Hollywood so angesagten Hilfen wie Wirework oder CGI oder dem übertriebenen Einsatz von Fast- und Slowmotion. Letzteres wird nur dezent genutzt. Florent Emilio Siri verlässt sich hier ganz auf seine Schauspieler, Stunts, Pyrotechnik und exzellente Kamera- und Schnitttechnik. Dabei kommt auch der Härtegrad nicht zu kurz, denn blutige Shootouts, eine abgetrennte Hand oder quälende Kills (brutales Erwürgen eines Polizisten) verfehlen ihre Wirkung nicht. Dazu durchsieben ständig irgendwelche Projektile Container oder das Lagerhaus.

Es dauert nicht lange, da haben die überlebenden Polizisten sich mit den Einbrechern und den beiden Wächtern zusammengetan, um die Gegnerwellen abzuwehren, die anfangs noch zu Gas, später aber nur noch zu Blei greifen und das halbe Lagerhaus zersieben. Klar, dass es dabei tragische Verluste gibt und Figuren über sich hinauswachsen. Da aber jeder Versuch scheitert mit der Außenwelt aufzunehmen, die Munition knapp wird und der Menschenhändler ihnen klarmacht, dass sie alle sterben werden, beginnt sich die Stimmung unter den Eingeschlossenen aufzuheizen, wo dann Parallelen zu "Assault" deutlich werden. Auch hier isoliert man die Eingeschlossenen, lässt Fluchtversuche scheitern (Auch hier wird durch die Kanalisation gekrabbelt) und verräterische Spuren (Leichen wegräumen) beseitigt. Man geht sogar soweit Motive, wie das Schattenspiel der Angreifer, aus dem Vorbild zu übernehmen. Als Plagiat kann man den Film dabei aber nicht abstempeln, ist er doch ein von der Ausgangsposition völlig anderer und damit eigenständiger Film, der nur als Hommage John Carpenter zitiert.

Mitgezogen von dem verzweifelten aber sinnlosen Versuchen der Eingeschlossenen zu fliehen, die in einer verzweifelten Brachialtat mit einem Lieferwagen ihre letzte Station findet, bleibt der Film durchweg spannend, auch wenn man ab und an auch gern etwas mehr über die Hauptfiguren, allen vorran Laborie (Nadia Fares), erfahren hätte. Leider vergisst Siri bei seinem Actionfeuerwerk nämlich, ein wenig mehr Tiefe im Film zu platzieren, versucht, dass aber mit Männerfreundschaften, die bis zum Tod halten nicht ungeschickt zu kaschieren.

Als man sich dann für die letzte Welle von Killern präpariert und seine letzte Munition verschießt, begibt man sich zum letzten Rettungsversuch in den Keller (Sollte auch vom Vorbild bekannt sein) und macht sich eine Tatsache zu nutzen, die ich anfangs noch etwas störend fand, aber später dann als ebenfalls bekanntes Motiv aus "Assault" wiedererkannte: Die Angreifer sehen alle gleich aus, sprechen fast nie und da sie Nachtsichtgeräte tragen, kann man sie nicht mal von den Gesichtern unterscheiden. Es sind gesichtslose Gegner, die nur ein Ziel kennen: Den Feind zu töten.

Birgt übrigens auch den Vorteil, dass man öfter die gleichen Schauspieler verwenden kann und Gagen spart. ;) Aus dem Ensemble der "bekannten" Schauspieler waren mir bis dato nur Samy Naceri und Nadia Farès bekannt. Naceri spielt seine tragische Rolle heldenhaft und emotionell gekonnt, aber ohne seinen Taxihumor, was anfangs doch recht befremdend wirkt. Die stärkste Leistung in dem Actionspektakel, bei dem Schauspielkunst natürlich nicht im Vordergrund steht, liefert Nadia Farès ab. Kann man sich mit der Mutter, dank ihrer Präsenz und ihres Führungsvermögens doch noch am Besten identifizieren. Sie spielt auch die einzige Figur, über die man im Film mehr erfährt.

Fazit:
Sehr unterhaltsamer, mitunter harter, Actionthriller aus meinem filmischen Lieblingsexpoland Frankreich. Als störend erweist sich nur die zu ausführliche Exposition, doch sobald der Angriff auf die Polizeikolonne beginnt und man sich ins Lagerhaus flüchtet wird 1A-Action geboten. Leider treten dabei aber die Charaktere etwas zu weit in den Hintergrund und verflachen zunehmend. Nichts desto trotz eine Klassefilm, der hier außer auf dem Fantasyfilmfest leider keine Kinoauswertung genießen darf!

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