Review

Gesamtbesprechung

Vorgeschichte zur im August 2014 höchst erfolgreich auf Television Broadcasts Limited (TVB) in vielerlei asiatischen Ländern gestarteten Fernsehserie Line Walker, die nicht bloß ähnliche Versuche einer Erzählung als Action-/Crimethriller über mehr als 30 Episoden hinweg in den noch kommenden Ruse of Engagement (2014), The Fixer (2015) oder in Teilen auch The Unholy Alliance  (2017), Flying Tiger (2018) oder The Defected (2019) ausgelöst hat, sondern auch zu dem (mehr oder minder direkten) gleichnamigen Kinofilm Line Walker (2016) führte. Welcher mit einem Einspiel von 90 Mio. USD (wie auch das Sequel Line Walker 2: Invisible Spy, 2019) an den maßgeblichen chinesischen Kinokassen äußerst profitabel die Anziehungskraft vom Original und der Macht des Fernsehens auch für die Interessen und Bedürfnisse der Kinozuschauer in eindeutiger Akzeptanz widerspiegelte.

Von einer weiteren Fortführung auf der großen Leinwand ist momentan noch nicht die Rede, dafür hat man sich entschlossen, den Ursprung der Serie weiter nach vorne zu verlagern und ein Prelude, ein Prequel zu installieren, was im Grunde fast riskanter ist, da gewisse Ereignisse ja nun vorhersehbar und gewisse (liebgewonnene, aber später aufgetauchtende) Figuren auch gar nicht möglich, und zumal die hauseigene Konkurrenz auch oft dieselben Geschichten erzählte. Und die Gefahr der Eintönigkeit und des Verdrusses höher als noch vor 4 Jahren ist, während die Gefahr des eventuell frühen Ablebens bei den Figuren (bei erst später stattfindenden, aber nun ja zuvor bereits gezeigten Geschehnissen) umso geringer und nachteilig für die Spannung ist.

Gelöst hat man dieses Dilemma, bei dem u.a. auch Raymond Lam und damit ein bislang wichtiger Faktor und ein bedeutender Wert der Popularität ausfiel, mit einer teils zusätzlichen, teils veränderten Besetzung, darunter viele (dem Publikum auf dem Fernsehsessel) bekannte Darsteller wie Gaststar Eddie Cheung, Moses Chan, Pahko Chau, und einer noch erweiterten Schauplatzwahl, die nunmehr auch Thailand umfasst; ordentlich Aufwand also, was die gesteigerte Erwartungshaltung von Produzenten und Konsumenten gleichermaßen entspricht:

2010. Als der mehrere Undercover-Polizisten in Thailand stationierende und diese Operation führende Handler Cheuk Hoi [ Michael Miu ] nach einer scheinbaren geglückten Mission gegenüber der Good Luck Gang von Pak-Key [ Kenny Wong ] durch eine plötzliche Explosion alle seine Untergegeben und Kollegen verliert, kehrt er vorübergehend und gezwungenermaßen nach HK zurück, nur um dort den Tod seines Freundes und Kollegen Lai Sui-koon [ Eddie Cheung ] aufgrund eines Attentates zu bedauern. Lai, der selber mehrere Undercover in die Gangs eingeschleust hat, hat kurz zuvor vor einem korrupten Polizisten gewarnt, sodass sich Cheuk erneut aufmacht, die noch im Terrain befindlichen Identitäten aufzuspüren und möglichst heil nach Hause zurückzuholen, unterstützt wird er dabei von dem OCTB Kollegen Ben Chu Chi-bun [ Nathan Ngai ] und dem Neuling Cheng Suk-mui [ Priscilla Wong ]. Währenddessen bricht in HK in der kürzlich durch Victor Ngai Dak-sun [ Moses Chan ] übernommenen Cheung Hing Gang ein Machtkampf aus, bei dem der dort weit oben stehende Chum Foon-hei [ Hui Siu-hung ], ebenfalls ein Undercover, dem Druck weichen muss und zusammen mit seinem neuen Handlanger Chain Fing [ Vincent Lam Wai ] nach einem versuchten Racheakt nach Bangkok unter die Fittiche von Pak-key flüchtet, sehr zum Unwillen dessen rechter Hand Lok Siu-fung [ Pakho Chau ], der berechtigterweise Ärger mit Cheung Hing befürchtet. Diese entsenden auch prompt Chui Tin-tong [ Benjamin Yuen ] mit dem Auftrag, den Abtrünnigen Chum zurückzuholen, koste es was es wolle. Währenddessen schnappt sich Ngai eine neue Partnerin: die ihn zuvor heimlich ausraubende und nach oben strebende Scarlett Sze Ka-lei [ Jessica Hester ].

Eine der Geschichte voran gestellte (und damit auch Episode 30 einleitende) Zitierung aus Dickens's "A Tale of two Cities" drückt die heutig oft geäußerte, allerdings diskutierbare bis strittige Ansicht aus, dass die mittlerweile stattfindende Form und Formulierung der Gattung Serie der Vielgestalt und Einflussnahme des früheren Romans entspricht; ein Anspruch mit erhöhter Messlatte, dass das vermehrt als Unterhaltung angesehene Medium erst einmal umsetzen muss, ohne allzu vollmundig zu wirken oder gar über dem eigenen Können gesetzt. [Das bedeutungsschwangere Intro mit einer brennenden Opiumpflanze, einem Totenschädel, einer rauchenden Waffe, mehreren Grabsteinen auf Aschegrund usw. geht einen ähnlich steinigen Weg.]

Vor allem die derzeitige Wiederholung von ähnlichen Geschichten, derer man zwar mit 'Teil 1' zwar auch Auslöser war, aber nunmehr dennoch Mitläufer und so in der Falle der eventuell eigenen Gängigkeit und Beliebigkeit ist, wird hier als Gefahr gesehen; und mit anfangs gesteigerter emotionaler und dramaturgischer Fallhöhe entgegengestrebt. So ist die erste Episode einer längere des Scheitern, wird ein bereits mitten im Sein befindlicher Auftrag zwar erfolgreich gelöst, aber die Gruppierung der Undercover, ausgenommen ihrem zufällig abwesenden Mentor buchstäblich vom Erdboden gelöscht. Eine kurze Leichtigkeit nur, die die Episode selber mit viel Tempo, darunter auch Aktionszenen wie ein violent aufgelöster Drogendeal in einem Lagerhaus, eine Auto-Motorrad-Verfolgungsjagd durch die Straßen Bangkoks sowie der finalen Explosion vom geheimen Hauptquartier vorantreibt und vermeintlich bereits deren zukünftige Hauptdarsteller vorstellt und der Identifikation zuführt; um dann in die Schwere zu fallen und die eigentliche Geschichte a) erneut und b) anders, auch mit veränderter Lokalisierung, einem prominenten Gaststar in Person von Eddie Cheung und einem Cliffhanger anzugehen.

Entsprechend diesem ersten Höhepunkt wird in Folge Zwei auch verstärkt die gegenüberliegende Seite in Augenschein genommen und die Verhältnisse in der Hak Sek Wui, der Triaden-Unterwelt und ihre Mit- und Gegenspieler vorgestellt. Ein Trubel sondergleichen, wird eine Übergabe angedroht und plötzlich wieder in die alte Ordnung umgekippt, mit robusteren Methoden allerdings, inklusive einem sechsköpfigen Todeskommando mit automatischen Waffen, die den Status Quo und die Routine darin dennoch völlig auf den Kopf stellt. Eine Frage der Generationen, in der das Alteingesessene es sich zu bequem und gemütlich gemacht hat, während die Jugend nassforsch, aber ohne Kenntnis und ohne Connection nach vorne und nach oben stürmt, und mal mehr Gegenrede bekommt und mal auch die Sprache der Waffen hört.

In der Handhabe derlei Erzählungen ist das landeseigene Fernsehen mittlerweile aber erstaunlich geübt und höchst professionell, eine Akzeptanz von Tradition, die mit modernen Mitteln fortgeführt und zuweilen, durch den Einsatz von auch imposanteren Aufnahmen aus der umfassenden Vogelperspektive und der Wahl mancher (nicht nur für die kleine Mattscheibe) überzeugender Spektalszenen auch tatsächlich gestählt und attraktiv, für die heutige Zeit passend und dennoch vergleichsweise zeitlos aussieht. Angesichts eines teilweise auch philosophischen Unterbau von Plot und Person (Folge 2 wird durch Hegel 'eröffnet' usw. usf., Folge 3 durch das Thereus-Paradoxon, was ein wirklich cleverer Schachzug der Autoren ist), der eher auf gedämpfte, oft ein- bis unfarben reduziert wirkenden Bildgestaltung und der nihilistisch scheinenden Tonart sind die Ausbrüche von schneller Gewalt wie eine Macheteneinheit gegen eine mit Pistole bewaffnete und damit auch umgehen könnende Mutter (mit Kleinkind) oder eine versuchte Racheaktion des nunmehrigen Witwers samt spontan angeheuerten Söldnertrupps in der Suite und Küche eines Edelhotels immer etwas exaltiert bis agitiert, wie aus einer anderen Begebenheit wirken.

Was dann noch folgt, ist ein großes Paranoia - Gemauschel, Finanzgemengelage, Observations-Überstunden und Triaden - Kuddelmuddel mit ganz verschiedenen Parteien, jederzeit einer gewissen Gefährlichkeit und vielen Unbekannten vor allem auch in der Figurenfolge, in der keiner so richtig der ist, der er vorzugeben scheint, und wo man am Ende von Folge 11 bspw. wortwörtlich auf einer tickenden Zeitbombe sitzt. Das Attentat eines mit Motorrad berittenen Fahrers auf einen stehenden Wagen in Folge 12 schließt sich an, vorher und währenddessen wird u.a. ein großangelegter Falschgeldhandel aufgebaut, viel Geldwäsche betrieben, in Börsenspekulation gemacht und ein Fischrestaurant als Tarnung und Umschlagplatz für allerlei diffuse Drogengeschäfte akquiriert; und am Ende von Folge 13 ein nächstes, diesmal von gleich zwei Personen ausgeführtes Attentat auf dasselbe Zielobjekt und damit eine blutige Schießerei in einem Nachtclub mit auch einem menschlichen Schutzschild passiert. Einmal im Schwung gibt es auch in Folge 14 eine Messerstecherei sowohl im Restaurant als eben auch im Parkhaus, plus eine Polizeirazzia während eines Falschgelddeals, sowie die Fortsetzung der Schießerei bzw. deren Resultate von ketchuproten Einschüssen gleich zu Beginn; sodass am Ende vor dem Bergfest der Serie gleich zwei Hauptpersonen im Krankenhaus sind.

Ende des zweiten Drittels wird überraschenderweise ein Teil der Serie gekippt und auf Kopf gedreht, ohne sich von den bisherigen Grundzügen zu entfernen, werden weitere bis unscheinbare Undercover aufgedeckt und drei zivile Neulinge hinzu engagiert; dafür verliert man eine bisherige Vertrauensperson an die 'Macht des Bösen' und geht es langsam ans Sterben wichtiger Nebenpersonen + zusätzlich noch dem Installieren eines 'Dirty Cop Killer', was auch das letzte Drittel weiterhin eng schnürt. Letztlich steht die Serie trotz eines erstaunlich mäßigen, da im Schatten des 'Vorgängers' stehenden Rufes und ebensolcher Einschaltquoten bei der Erstausstrahlung in ihrer Qualität jederzeit ein Deut weit über den vergleichbaren Nachzüglern des Senders, aufgrund vor allem trotz der Länge von 1200min meist durchweg guten darstellerischen Leistungen, des Skriptes vor allem auch, welches viel Wandlungen und wenig Leerlauf aufkommen lässt, und einer präzisen Inszenierung, die ebenso nicht locker und sich nicht von ihrer Konzentration abrücken lässt.

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