Review

„Der Mensch ist die Summe seiner Fehler.“
Mit diesem Satz wird resignierend hingenommen, dass der Mensch seine vielen Fehler, die er im Laufe seines Lebens begeht, später nicht mehr ausmerzen kann. Er kann sie versuchen wieder gutzumachen, er kann sie versuchen zu vergessen, er kann es auch häufig schaffen, sie zu verdrängen. Aber er kann sie niemals ungeschehen machen. Die Fehler formen uns ja auch, wir wären vielleicht tatsächlich oftmals eine ganz andere Persönlichkeit, hätten wir sie nicht begangen. Dennoch bleibt es ein alter Traum: „Ach, wenn ich doch damals da gewesen wäre…! Mann, hätte ich das mal in dem Augenblick nicht getan…!“

Von der Erfüllung dieses Traums geht es in „The Butterfly Effect“. Die Chaostheorie mit ihrem berüchtigtem Schmetterlingseffekt ist zwar eine der am weitesthergeholten Theorien der Wissenschaften überhaupt, bietet sich aber für einen phantastischen Film hervorragend an: Hier kann sogleich plastisch dargestellt werden, was ein nur klein anmutender Eingriff in die Biographie Großes bewirken kann. Genau genommen handelt es sich hier um eine psychologisch verkappte Zeitreise-Story, mit all den diesem Subgenre eigenen Logikbrüchen: Dem Helden des Films gelingt es, zu bestimmten Zeitpunkten seiner Vergangenheit in das Geschehen einzugreifen und den fatal erscheinenden Weg der Dinge zu ändern. Natürlich ein hanebüchener Schmarrn, aber wir sehen hier schließlich einen phantastischen und keinen Dokumentarfilm. Und auch wenn nicht alles logisch ist, bisweilen sogar ziemlich aufgesetzt, bringt es der Film fertig, dass wir die jeweilige neue Zeitlinie gespannt und gerne annehmen und mit dem Helden fühlen.

Der Grund dafür ist –neben der Faszination daran, welch unterschiedliche Bahnen ein einziges Menschenleben nehmen kann–, dass die Kindheit, die der Held und seine Freunde erleben, leider gar nicht so phantastisch ist, sondern hart am Leben. Die Kinder erleben nicht nur missglückte Jugendstreiche, sondern auch die Scheidung der Eltern, Gewalt in der Familie und Kindesmissbrauch. Diese Themen werden in dem Film jedoch nicht mit der Keule und ständigem Druck auf die Tränendrüse ausgewalzt, sondern fast wie nebenbei dargestellt und wirken damit in ihren jeweiligen Konsequenzen für das Leben der Protagonisten umso drastischer und tragischer.

Unterstützt wird die Tragik durch eine stimmig düstere Atmosphäre, die mit schattigen Bildern im Vordergrund und dunkler Musik im Hintergrund geschaffen wird. Gerade im ersten Drittel des Films, wenn der Zuschauer noch nicht weiß, was Sache ist, und vor der sich immer dramatischer drehenden Zeitreise-Spirale erst einmal die Ursprungshandlung erzählt wird, wirkt die Atmosphäre sehr beengend. Man sollte hierbei aber keineswegs meinen, es handle sich durchgehend um eine Tragödie. Der Film hat seine heiteren Momente, die allerdings nie die Überhand gewinnen und passend in die Geschichte integriert sind.
Die Schauspieler machen ihre Arbeit durchweg gut, insbesondere ist Hauptdarsteller Ashton Kutcher herauszustellen. Ganz anders als in seinen Comedy-Rollen sehen wir ihn nicht nur mit fusseligem Bart abseits des üblichen Schönheitsideals, sondern auch und vor allem überzeugend ernst in der Rolle des tragischen Helden.

Zum Schluss lernen wir etwas, was wir eigentlich ohnehin schon wissen: Ein perfektes Leben können wir uns selbst gar nicht schaffen. Zu viele Zufälle, zu viele (Re-)Aktionen anderer Menschen haben massiven Einfluss auf unseren Werdegang. Man muss häufig Verzicht üben, um das größtmögliche Glück zu finden. Das Selbstopfer muss zwar nicht so drastisch ausfallen wie im noch düstereren Director’s Cut des Films – es möge bereits der Weg der Kinoversion genügen. Trotzdem müssen wir am Ende nüchtern erkennen, dass wir verhängnisvolle Fehler vielleicht minimieren können, das große Glück uns aber dafür verschlossen bleiben kann.

8 von 10 Punkten.

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