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„G.I. Joe“ bleibt als Realfilm eine eigenwillige Reihe: Alle paar Jahre ein neuer Film, oft mit denselben Figuren, aber anderer Besetzung und immer eher für sich allein stehend. Nach der ersten Adaption und seinem Sequel nun das Prequel „Snake Eyes“, das sich der Genese seines Titelcharakters widmet.
Der hat mal wieder ein traumatisches Kindheitserlebnis und deshalb rachemäßig den Tiger im Tank, denn als kleiner Junge muss er mitansehen, wie sein Vater von einem Schurken ermordet wird, der ihn um sein Leben würfeln lässt. Der Papa wirft bloß eine Zwei mit zwei Würfeln (= Snake Eyes) fängt sich dafür eine Kugel, das Kind entkommt. Jahre später hat sich Snake Eyes (Henry Golding) nicht nur nach dem fatalen Würfelergebnis benannt, sondern geht auch einer bevorzugten Tätigkeit von gebrochenen Actionhelden nach, indem er sich bei Untergrundkämpfen prügelt und Knete verdient. Dabei gibt es einen Gastauftritt von Ex-Footballer und Ex-Wrestler Mojo Rawley, der von Snake Eyes auf die Moppe bekommt.
Nach dem Fight will ihn Kenta Takamura (Takehiro Hira) für die Yakuza anwerben. Snake Eyes lehnt ab, wird jedoch mit der Aussicht auf Rache geködert: Takamura hat die Mittel den Vatermörder ausfindig zu machen. Also schuftet der Fighter bald im Waffenschmuggelgeschäft, wo er seine Loyalität beweisen soll, indem er einen vermeintlichen Verräter tötet. Snake Eyes boxt denjenigen, Tomisaburo ‘Tommy‘ Arashikage (Andrew Koji), jedoch aus der brenzligen Lage heraus und flieht mit ihm. Dabei stellt sich heraus, dass Tommy der Nachkomme eines mächtigen Ninjaclans ist, der mit Takamura im Clinch liegt. Wenig G.I. Joe also, stattdessen einmal mehr die amerikanische Actionfaszination für asiatische Kampfkünste und Traditionen, die unter anderem „Wenn er in der Hölle will, lass ihn gehen“, „Showdown in Little Tokyo“ und unzählige US-Ninja-Streifen kennzeichnete.

Der Arashikage-Clan bietet Snake Eyes Unterschlupf, auch wenn nicht alle Mitglieder ihm trauen und er drei Tests bestehen soll, um aufgenommen zu werden. Damit wird er in die Fehde hineingezogen, verfolgt aber gleichzeitig eigene Ziele…
„Snake Eyes“ wirkt manchmal wie ein Rücksturz in ältere Actionzeiten, vor allem die 1980er und 1990er, als Ninja- und Yakuza-Reißer amerikanischer Machart die Videothekenregale füllten. Ähnlich wie in der Joel-Silver-Produktion „Ninja Assassin“ gibt es die Action um die schwarzgewandeten Elitekämpfer hier allerdings mit dickem Hollywoodbudget, im Gegensatz zu „Ninja Assassin“ (oder Vorbildern wie „The Hunted“) allerdings als PG-13-Spektakel für die Blockbustercrowd. Natürlich kommen dazu jede Menge Standards und Klischees, vom Gerede über (Familien-)Ehre über die Tests von Körper und Seele bis hin zu mythischen Wesen (in diesem Falle: Riesenanacondas) und mysteriösen Artefakten, die einerseits Genrestandards abgrasen, andrerseits ein heimeliges Gefühl für Freunde besagter vergangener Actiontage erzeugen – auch wenn das Ganze weniger heftig zu Rande geht als auf den Fernsehschirmen und Leinwänden der Vergangenheit.

Die Härte ist allerdings nicht das Problem, auch die Arbeit von Stunt Coordinator Kimani Ray Smith und Fight Choreographer Kenji Tanigaki ist mehr als solide. Es gibt Stunts, Shoot-Outs und Fights, gern auch mal bunt gemischt, häufig Szenen, in denen die Ninja-Elitekrieger ganze Yakuza-Scharen abservieren. Der Einsatz von Wirework und CGI ist nicht allzu aufdringlich, es gibt oft handgemacht auf die Mütze, und doch will der Funke der Begeisterung nie so hundertprozentig überspringen, da „Snake Eyes“ nie mehr als gute Handarbeit ist und die großen Wow-Momente fehlen. So gibt es keine memorablen Einzelszenen in dem Gespringe, Gehaue und Gehacke, auch wenn es zu im Grunde genommen coole Gefechte kommt, etwa ein Duell auf einem Dach im Regen oder der Showdown auf dem Gelände des Arashikage-Clans, doch stets bleibt das nagende Gefühl zurück, dass man mehr daraus hätte machen können.
So wirkt auch ein Iko Uwais etwas verschenkt, der einen Lehrmeister des Clans spielt, aber nur am Ende ein wenig in die Action einsteigen darf. Den anderen Meister gibt Peter Mensah als leichte Variation seiner Rolle seiner Doctore-Rolle aus der Serie „Spartacus“. Auch Samara Weaving als G.I.-Joe-Abgesandte Scarlett und Úrsula Corberó als Cobra-Mitglied Baroness bleiben Randnotizen. So lastet der Film dann vor allem auf seinem Hauptdarstellertrio. Henry Golding beweist neben seinem gewohnten Charme als gut aussehender Sunnyboy auch Actionstarqualitäten, während Andrew Koji gute Arbeit als Clanchef in spe beweist. Dagegen fällt Haruka Abe als Tommys Schwester, Sicherheitschefin und potenzielles Love Interest etwas ab. Takehiro Hira ist ein solider, aber auch nicht herausragender Schurke – da hätte „Snake Eyes“ von einem stärkeren Fiesling profitiert.

Die Geschichte, in die das Ganze eingebettet ist, ist solides Malen-nach-Zahlen, bei dem sich wohl die wenigsten Zuschauer überrascht fühlen dürften, wenn sich Snake Eyes als Doppelagent mit unsicherer Loyalität offenbart. Noch weniger dürften sie sich wundern für welche Seite sich der Kampfkünstler am Ende des Tages entscheiden wird. Auch die Hintergrundgeschichte um den gemeuchelten Papi ist so generisch, dass es am Ende kaum interessiert, warum ihn denn ein Schurke einst über den Jordan schickte und in wessen Diensten dieser wiederum stand. Auch die Subplots, darunter das Verhältnis von Snake Eyes und Akiko (Haruka Abe), das von anfänglicher Abneigung zu großer Liebe umschlägt oder die Entwicklung Tommys, sind kaum mehr als okaye Routine, die nicht besonders viel falsch macht, aber auch nie mit besonders viel Elan erzählt wird oder so wirklich fühlbar in den Film hineinzieht. All das, was passiert, passiert eben, weil es in Filmen dieser Art immer passiert.
Doch immerhin sieht „Snake Eyes“ ziemlich gut aus, da haben der mittlerweile oft in Hollywood tätige Robert Schwentke und sein Kameramann Bojan Bazelli ganze Arbeit geleistet. Egal ob es das Anwesen des Arashikage-Clans mit seinen dunklen Wäldern, lichten Übungsplätzen und ehrwürdigen Innenräumen ist, die nächtlichen Straßen japanischer Großstädte oder die Docks von Los Angeles – „Snake Eyes“ ist ein atmosphärischer Actionfilm mit Asia-Flair, in dessen Welt man gerne eintaucht, auch wenn man beim Wiederauftauchen leider wenig mitnehmen kann.

Insofern ist „Snake Eyes“ ein pures Blockbusterroutineprodukt: Ein 08/15-Plot, dessen Entwicklungen man eher teilnahmslos verfolgt als wirklich glaubt, ein schicker Hochglanzlook, eine gute Besetzung, die abgesehen von Henry Golding ihre Talente kaum ausspielen kann, und recht gelungen choreographierte, aber unterm Strich erstaunlich wenig memorable Action. Kann man sich als Genrefan durchaus geben, „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ verband im gleichen Jahr amerikanische Blockbusteraction und asiatische Kinokampfkunsttradition jedoch einnehmender. 5,5 Punkte.

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