Review

iHaveCNit: Der Schlimmste Mensch der Welt (2022) – Joachim Trier – Studiocanal
Deutscher Kinostart: 02.06.2022
gesehen am 20.04.2022 in OmU in der Spotlight-Sneak
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Parkett - Reihe 4, Sitz 9 – 21:00 Uhr
gesehen am 09.06.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Lumiere – Reihe 5, Platz 12 – 20:45 Uhr

Endlich komme ich mal dazu, etwas über den neuen Film von Joachim Trier zu schreiben. Denn ich habe „Der Schlimmste Mensch der Welt“ bereits April im Rahmen einer Sneak in der norwegischen Fassung mit Untertiteln gesehen – wollte aber noch darauf warten ihn auf Deutsch zu sehen, bevor ich etwas zu dem Film schreibe, der auch bei der letzten Oscarverleihung sowohl im Bereich „International Feature Film“ und „Best Original Screenplay“ nominiert war. Aktuell ist „Verdens Verste Menneske“ bzw. „The Worst Person In The World“ neben „Come On, Come On“ auf der Spitzenposition des Jahresrankings der Sneakreihe. Mich hat er auch fasziniert und abgeholt – gerade auch weil ich vom Alter her vieles nachvollziehen und mich reinfühlen konnte.

Julie ist kurz vor der 30 und hat sich im Leben von einer Station zur Anderen durchgehangelt. So wechselt sie von einem Studium der Medizin ins Psychologiestudium, bis sie sich als Fotografin verwirklichen möchte und im Buchladen arbeitet. Genauso wechselt sie auch ihre Partner, bis sie den etwas älteren Comicautoren Aksel kennen- und liebenlernt. Sie ziehen und leben zusammen, bis Julie etwas gelangweilt vom Trubel einer Comicveröffentlichung flieht und sich bei einer Hochzeitsparty einschleicht und dort den gleichaltrigen Eivind kennenlernt, den sie nach einem intensiven Flirt ziehen lässt, ihn aber nicht wirklich vergessen kann. Bis an einem verhängnisvollen Tag die Welt still zu stehen scheint und sich das Leben von Julie, Eivind und Aksel einschneidend verändern wird.

„Der Schlimmste Mensch der Welt“ erinnert mich daran, auch die anderen beiden Filme „Auf Anfang“ und „Oslo, 31. August“ der thematisch zusammenhängenden Oslo-Trilogie von Joachim Trier zu sichten. Der Film selbst hat mich fasziniert und in seinen Bann gezogen. In Prolog, Epilog und 12 Kapiteln behandelt der Film nicht nur unterschiedlichste Themen aus dem Leben und der Gesellschaft, sondern liefert uns ein vielschichtiges, modernes Generationenporträt von Millenials und auch jüngeren Generationen, dem Überangebot an beruflichen und partnerschaftlichen Möglichkeiten, der Überforderung mit diesem Überangebot, dem Hang zur Optimierung und zur stetigen Unzufriedenheit inmitten dieser konstanten Selbstfindung, immer mit dem Druck gesellschaftlicher und auch durchaus konservativen Erwartungshaltungen und Ansprüchen des eigenen Umfelds. Im Kontext des Films aus einer eher weiblichen Perspektive, auch wenn man hier durchaus gut ausbalanciert auch der männlichen Perspektive etwas Raum gibt. Für die weibliche Perspektive und die Hauptprotagonistin Julie konnte man mit der mit bis dahin nicht bekannten Renate Reinsve eine perfekte Auswahl treffen. Diese sehr vielschichtige und ambivalente Darstellung und Zeichnung der Julie, die zwar eigentlich eher weniger sympathisch aufgenommen werden sollte, schafft es, ebendiese Sympathie und Empathie für ihre Sicht und Entscheidungen zu entwickeln. Nicht nur das, ich konnte mich ihrer Faszination auch nicht entziehen, so dass es auch ein leichtes für mich gewesen wäre, mich in Julie zu verlieben und ihr auch absolut nicht böse zu sein, wenn ich sie ziehen lassen müsste. Der Film hat jedoch in seiner Struktur und seinem Aufbau ein paar Kleinigkeiten, die mir weniger gut gefallen haben. Dieses Überlappen einer Voice-Over-Narration, in dem Dinge erwähnt werden, die auch direkt gleich gesagt und quasi wiederholt werden ist mir ein wenig zu viel des Guten und eine kapitelhafte Struktur hat für mich den Nachteil, das manche Kapitel weniger interessant sind als andere, in denen die Momente jedoch so faszinierend und genial inszeniert und dargestellt worden sind, dass die Momente alleine für sich genommen eine Höchstpunktzahl gerechtfertigt hätte. So verhindern diese Kleinigkeiten und leichte Schwächen im Pacing ebendiese Höchstpunktzahl. Und damit hoffe ich an dieser Stelle, nicht „Der schlimmste Mensch der Welt“ zu sein.

„Der Schlimmste Mensch der Welt“ - My Second Look – 9/10 Punkte.

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