Take the penis and run
Um elf Uhr vierzehn passieren in einer kleinen Stadt einige Dinge, die so manches Leben für immer verändern oder aus der Bahn werfen, oder sogar beenden. Fünf parallel ablaufende Handlungsstränge verknüpfen perfekt die Erlebnisse der Protagonisten kurz vor der Erreichung der titelgebenden Uhrzeit. Ihre Wege kreuzen sich mehrfach, zum Teil ohne dass es die Beteiligten bemerken, nehmen aber einen gewichtigen Einfluss auf die Ereignisse, die die betroffene Person durchleben wird.
Da ist zum einen der angetrunkene Fahrer („E.T.“s Henry Thomas), dem jemand vor das Auto gerät. Diese Leiche mit zermatschtem Kopf gilt es jetzt zu verstecken, bevor die Polizei eintrifft, denn eine hilfsbereite Dame hat in der Annahme, der junge Mann hätte ein Reh angefahren, per Handy die Uniformierten verständigt.
Ein ähnliches Erlebnis hat der Fahrer einen kleinen Lieferwagens (Colin Hanks), der mit seinen Freunden nur etwas Spaß haben wollte. Er überfährt jemanden, da er von einem Freund, der grad während der Fahrt unbedingt aus dem Fenster pinkeln musste, abgelenkt war. Das größte Probleme ist jedoch, dass der Begleiter der Überfahrenen sogleich das Feuer auf die drei im Van eröffnet, was den Freunden die Möglichkeit nimmt, nach dem „besten Stück“ ihres Kumpels Ausschau zu halten, denn das hat sich beim Zusammenstoss vom Eigentümer getrennt.
Ein treusorgender Vater (Patrick „Dirty Dancing“ Swayze) hat unterdessen das Problem, eine Leiche verschwinden zu lassen, die scheinbar das Überbleibsel einer Notwehrsituation zu sein scheint, in die seine Tochter geriet. Auf seine Odyssee mit Leichnam hätte er aber besser nicht seinen Hund mitnehmen sollen, denn dieser sorgt für Schwierigkeiten.
Ein bisher unbescholtener Teenager in Geldnot beschließt, den kleinen Laden, in dem er arbeitet, zu überfallen. Allerdings muss er zuvor seine Kollegin (Hilary Swank), die momentan Dienst hat, zum mitspielen überreden.
Im letzten Segment erleben wir die durchtriebene Tochter (Rachael Leigh Cook), die schon ihrem Daddy eine Leiche hinterlassen hat, auf ihrem Weg zu eben diesem Ereignis und darüber hinaus.
Diese Geschichte wirkt nun vielleicht etwas verworren, ist sie auch, doch löst sich am Ende jede offene Frage auf, wenn man alle Fäden, die einem präsentiert wurden, im Hinterkopf passen miteinander verknotet hat. Vielleicht ist diese Art des Geschichtenerzählens, die mit Tarantinos „Reservoir Dogs“ ihren großen Einstand feierte, dem einen oder anderen schon wieder zu oft kopiert und deshalb nicht mehr originell genug, doch ist dies nach wie vor ein nützliches Stilmittel, mit dem man auf herkömmliche Art nicht zu erzählende Themen geschickt aufbereiten kann. Und von einem Plagiat kann bei diesem raffinierten Kleinod mit Sicherheit nicht sprechen.
Mit einer hervorragenden Besetzung in Bestform, auch Patrick Swayze bietet nach einigen üblen Gurken und zeitweiliger Leinwandabstinenz hier eine tolle Vorstellung, rätselt und fiebert man der Auflösung entgegen, denn die zwei Leichen müssen schließlich irgendwoher stammen, und wer wird wohl dran glauben müssen?
Während in diesem schwarzhumorigem Thriller mit zunehmender Laufzeit das Gesamtbild im eigenen Verstand immer genauere Formen annimmt und alles in seiner Platz zu fallen scheint, verschieben sich oftmals die Sympathien für die Figuren und können nach der nächsten überraschenden Wendung schon wieder völlig anders verteilt sein. Hatte man mit jemandem grad noch Mitleid, kann man Momente später oftmals wieder Schadenfreunde über seine Situation verspüren. Hier bleibt niemand wirklich unschuldig und nichts wirklich ungesühnt.
Ein kleines Vergnügen und ein Geheimtipp. Als Abschlussfilm des Fantasy Filmfests 2003 ausgewählt, wobei dieser meist ein besonderer Leckerbissen ist, hat man hier sicherlich eine richtige Entscheidung getroffen.