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Schamlos, talentlos, Carlos

Da will einer einen Italowestern drehen, aber weil es doch Kunst werden soll, gibt er sich richtig Mühe. Und wenn sich einer Mühe gibt, der vom Filmhandwerk und auch allem anderen nichts versteht, dann sieht das Ergebnis so aus, wie der CARLOS von Hans W. Geissendörfer. Letzterer gibt sogar offen zu, dass es ihm an Handwerk mangelte, als er diese Produktion in Israel realisierte. Dabei durfte er immerhin mit Anna Karina und Geraldine Chaplin arbeiten, die aber nicht gerade glücklich aussehen und eher gelangweilt in der Wüstenlandschaft herumstehen, ohne wirklich etwas retten zu können. Gottfried John spielt zwar ausdruckslos genug für einen Italowestern, aber der revolutionäre Gestus bringt ihn dabei immer wieder aus dem Konzept.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Ich liebe Italowestern. Schade, dass Geissendörfer diese Einstellung nicht mit mir teilen mag. Denn er versucht, Schillers Don Carlos „zeitgemäß" aufzupeppen. Anderen gelingt die Verknüpfung von klassischem Drama und Western nicht nur ohne Probleme, sie erreichen sogar eine neue Qualität, wie z.B. „Django, die Totengräber warten schon", eine Hamletadaption von Enzo G. Castellari oder „3 Kugeln für ein Ave Maria", eine Umsetzung der „Orestie" des Euripides von Ferdinando Baldi, beweisen.
Eines sieht man dabei mit Erschrecken: Der Geissendörfer kennt nicht viele Filme. Ein oder zwei Italowestern mag er sich angeschaut haben, bevor er zu drehen begann, aber das reicht einfach nicht aus, wenn man ein Genre bedienen oder auch brechen will. Der Regisseur ist heute immer noch stolz darauf, dass er damals einfach so loslegte, ohne sich groß auszukennen. Was Eckhard Henscheid einmal über Heinrich Böll gesagt hat, trifft hier voll und ganz zu: Geissendörfer ist „steindumm". So ist es auch kein Wunder, dass dieser Film nie im Kino landete, sondern ausschließlich im Fernsehen eine Heimat, wenn auch gewiss nur wenige Zuschauer fand. Hier passte er in den 70ern zu den vielen anderen gut gemeinten und schlecht gemachten Fernsehspielen des so genannten „Jungen deutschen Films".
Ich wollte diesen Film wirklich gut finden, weil ich das Genre liebe. Vielleicht hatte ich zu hohe Erwartungen an den heutigen Lindenstraßenproduzenten. Aber so wurde aus der Linden- eine Schiller- und daraus eine Einbahnstraße. Denn natürlich sind die Klassiker nicht tot, aber Geissendörfer nietet Schiller rücksichtslos um. Nichts hat er verstanden, weder das klassische Drama, noch den Film. Was hätte ein Leone daraus machen können. Oder ein Corbucci. Selbst Demofilo Fidani hätte es besser gemacht. Und wer dessen Oeuvre kennt, der weiß, was ich gelitten habe.
2 von 10 geladenen Pistolen

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