Review

Gesamtbesprechung

In mehrerlei Hinsicht nicht uninteressant angelegte Krimiserie, die August 2019 gedreht und ein Jahr darauf auch als Bestandteil des Second Line-up von jeweils wochentags 20:30h bis 21:30h ausgestrahlt wurde. Zum einen lag der Zeitpunkt des Dreh noch mit im Höhepunkt der Umbrella Revolution, bespielt die (Polizei)Serie mit der Internetkriminalität à la CSI: Cyber (2015-2016) ein für Hongkong ungewohntes und neues Terrain und ist der hiesige Hauptdarsteller Mat Yeung zwar seit mehreren Jahren ein fester Bestandteil des Fernsehsenders TVB und entsprechend auch häufig, aber vermehrt als Unterstützung der eigentlichen Stars, als Mitglied eines Ensembles und nicht als Anführer dessen zu sehen. Zusätzlich gibt es als weitere Besetzung eine dem Thema eher ungewöhnliche Riege an Prominenz von weiteren älteren Darstellern, darunter u.a. David Chiang, Helen Ma und Henry Yu Yung sowie Ricky Yi, gedreht wird das ganze Unterfangen um Calvin Leung, Tse Ho-yeung und Lee Kin-wo, während der Produzent selber zuvor einen Publikums- und Kritikererfolg mit dem düsteren Brutally Young (2020) erlangt hat und auf den Namen Simon Wong Wai-yan hört.

Im Vorspann selber schon mehr Trubel als Jubel und Heiterkeit, die Bilder werden gleichzeitig im Splitscreen, also auf zwei Monitoren eingefangen und so aus verschiedenen Sichtweisen oder auch verschiedenen Eindrücken und Wahrheiten präsentiert, auf dem größeren der Beiden laufen auch einige Aktionszenen, darunter tatsächlich stuntintensive Einlagen außerhalb des Computer- und Telekommunikationsbereichs, darunter aber auch körperliche Aktivitäten, also Ohrfeigen zwischen den Beteiligten oder auch die andere Seite der Medaille, von einer angekündigten oder je nach Zuschauerlieben auch angedrohten Hochzeit sieht man auch schon Szenen. Eine Art Quellcode läuft unlesbar im Hintergrund entlang und präsentiert die folgenden Ereignisse und dies innerhalb einer Hauptgeschichte:

Senior Inspector Sunny Szeto Chong [ Mat Yeung ] ist beim Cyber Security & Technology Crime Bureau (CSTCB) unter Führung von Tam Yuk-Tak [ Miguel Choi ] für Internetkriminalität und Betrug zuständig, zusammen mit u.a. den Untergebenen Fion Fong Ho-yan [ Amisha Ng ] und Tsim [ Frankie Choi ] wobei er neuerdings Hilfe von Denise Siu Mei-Ting [ Hera Chan ] an seiner Seite, allerdings mit Startschwierigkeiten miteinander bekommt. Probleme hat der junge Mann auch privat, zum einen ist seine ehemalige große Liebe Vincy Jie [ Samantha Ko ] wieder zurück und verdreht ihm weiterhin den Kopf, trotz dessen oder weil sie mittlerweile auch mit Michael Shum [ Stephen Hyunh ] verheiratet ist. Zum anderen sind seine Eltern Szeto Cham [ David Chiang ] und die ehemalige Polizistin Mok Suet-Fong [ Helen Ma ] gerade im ausufernden Nachbarschaftsstreit mit Chow Si-Lai [ Strawbbery Yeung ] und unfreiwilligerweise damit auch ihrem Mann Chow Si-Gun [ Li Shing Cheong ], einem guten Freund von Cham verstrickt. Sunny selber hat allerdings auch so genug zu tun, wird von Thailand aus unter Aufsicht von Kwok Man Lung [ Stephen Ho ] eine großangelegte Lovescammer-Betrugsmasche angeleiert, in die bald auch der eigentliche Drehbuchautor Ho Sai-Hin [ Alex Yung ], der beste Freund von Sunnys kleinem Bruder Szeto Zing [ Lawrence Lau ] als unfreiwilliger Mitwisser und gar Zuarbeiter gerät.

Erst kommt die Warnung, die gesprochene und per Text zusätzlich bereitgehaltene Einleitung, in der ausgehend vom zunehmenden technischen Fortschritt auch die entsprechende Kriminalität sich entwickelt hat und neue Wege der Schädigung des Menschen gewonnen wurden, neben der zunehmenden Isolation der Gesellschaft, der Einsamkeit in der Digitalisierung, des Schwindens des direkten Kontaktes zugunsten einer "Like-Button-Spiegelung" und der Entfremdung in Mobilisierung, Globalisierung und Individualisierung. Negative psychosoziale Bindungen allerorten und Abhängigkeit von Social Media, dazu Viren, Ransomsoftware, Cyber-Erpressung, Identitätsbetrug, Cryptojacking und Co., die Welt hier allgemein als Bedrohung gezeichnet, bevor es speziell zur Eröffnung nach Thailand und dort genauer in bei nieseligen Mistwetter in den Dschungel geht.

Der Hauptplot spielt dabei in West Kowloon, die flächenmäßig kleinste Region der Sonderverwaltungszone und mit dennoch höchster Bevölkerungsdichte, entsprechend wuselig ist die Gegend und entsprechend privat und vollgestopft ist auch das Geschehen. Spielen tun die familiären Stränge allesamt in der engeren Nachbarschaft, in den Straßen der Stadt, in den kleinen und den etwas größeren Läden, in den Situationen zwischen privat und beruflich, in den Konstellationen zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern und Kinder, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder auch zwischen Mietern einer der vielen Wohnungen und zwischen Kollegen; das Alltagsleben findet dabei hier durchaus und teils vermehrt auch Betrachtung, wobei die Inszenierung dieser persönlichen Szenen auch ebenso alltäglich und quasi arbeitstäglich gehalten sind. Dramaturgisch und darstellerisch sind schon erste Situationen wie die Vermeidung eines angekündigten Selbstmordes durch Sprung von der Dachterrasse oder ein Zwist in der Nachbarschaft um den Posten des 'Blockwarts' eher profan bis banal bis trivial gehandhabt und anders als bspw. durch formell durchaus auffällige Stilisierung der ersten Minuten in Thailand absolut gewöhnlich.

Der produzierende Sender selber musste sich seit längerem die Kritik dieser Abfolge von Nichtigkeiten in Theatralik und dem Hang zur biederen Soap gefallen lassen, eine Kritik, die nicht gänzlich unberechtigt ist, aber die Tatsache des Bedienens gerade von Erwartungen und Sehgewohnheiten und eben der gewissen Harmlosigkeit und Vertrautheit vergisst; zumal der Sender de facto rund um die Uhr für durchaus diverses serielles Programm sorgt und dabei nicht nur einen eingeschränkten Markt vorfindet – die VRC hat ihr eigenes Füllmaterial und investiert auch ganz anders –, sondern auch begrenzte Finanzen und mittlerweile auch viele abgewanderte Schauspieler und andere (teils auch in Rente gegangene) Mitarbeiter hinter der Produktion, der Kreation und vom Dreh. Die hiesige Serie selber hat dabei durchaus gute Zuschauerquoten eingefahren, die Zeit bis September des Jahres war sowieso erfolgreicher als der dann noch kommende, teils aber auch zuvor schon online ausgestrahlte und entsprechend weniger 'altmodisches' Publikum ansprechende Rest. Das Genre hier ist Drama mit Versatzstücken des Krimis, ähnlich wie bspw. Forensic Heroes IV, welches sich auch um Ermittlungen, aber auch viel drumherum drehte, und wo das heimische Wohnzimmer genauso Dreh- und Angelpunkt war wie das Büro und keine strikte Trennung zwischen Berufs- und Privatleben ist. Ähnlich wie dort wird auch hier ganz simpel erzählt und dem Zuschauer viel vorgekaut und dieser teils auch lektoriert, der am Ende von Folge 1 stattfindende "Mobile Phone Scam" mit falschen WhatsApp - Nachrichten wird zu Beginn von Folge 2 noch einmal für die letzten Begriffsstutzigen auseinander klamüsert und ebenso mit einer Warnung, aber auch einer Lösung (beim Absender nachfragen, nichts unbedarft herunterladen oder einscannen, das Gerät sowieso vorher sicher, beim Anti-Deception Coordination Center nachfragen etc.) präsentiert. 

In Folge 2 selber treten auch zwei weitere Hauptfiguren erstmalig auf, aufgrund der Ebenmäßigkeit von Beruf und privat eine alte Flamme und eine neue Kollegin, zudem erfolgt mit einem Motorradunfall eine erste Actionszene und werden mit Rückblenden nach (scheinbar) England und Frankreich etwas Internationalität und Bewandtnis und in Folge 3 mit einer fußläufigen Verfolgungsjagd durch die Menschenmassen und einer Festnahme und in Folge 4 mit der Verhaftung eines WiFi Phishers/Stalkers nach einer Prügelei in der Seitengasse etwas Polizeiarbeit vorgetäuscht. Deutlich am interessantesten sind auch hier (exakt in Folge 5) die Szenen in Thailand, eine Streiterei der beiden 'Geschäftsführer' um die Bezahlung, ein Fluchtversuch der 'Arbeiter' in dunkler Nacht und die Verfolgung der zu Fuß unterwegs seienden mit hoher PS-Zahl und Scheinwerferlicht und schließlich auch eine Autobombe nach eingewilligten Deal; auch wenn keiner der Actionszenen wirklich gut und das Ganze teilweise haarsträubend getrickst aussieht. (Ein Autounfall nach Alkoholfahrt plus folgende Explosion auf den nächtlichen Straßen Hongkongs in Folge 22 ist allerdings aufwändiger und auch wirksamer umgesetzt.)

Ab Folge 6 bis zur 9 geht es um Wirtschaftskriminalität, Datendiebstahl und einer angestrebten feindlichen Übernahme, in dessen Trubel auch Eric Ko, der Freund von Polizistin Denise, gespielt von Brian Chu als Ergänzung der Hauptrollen und dies eingangs auch als Verdächtiger mit hineingerät. Während am Ende von Folge 9 buchstäblich ein Geldregen im Viertel auf die dort schnell und eifrig versammelte Bevölkerung und entsprechend Promotion für eine dubiose Kryptowährung im großen Stil ein niedergeht; wobei die Hintergründe dessen in Folge 10 angerissen werden und da auch eine erste Handgreiflichkeit zwischen Obrigkeit und dem selbsterklärten Robin Hood erfolgt. Weiterführend wird in Folge 11 noch ein Schneeballsystem installiert und das Phänomen der Cancel Culture obduziert.

Die Begebenheiten im Büro (bzw. den Büros, meist sind schon Innenaufnahmen installiert) selber und auch anderswo atmen dabei eine angenehme Leichtigkeit, die die Serie trotz eher viel Belanglosigkeiten, Nichtigkeiten, eventuell auch Füllmaterial oder behutsamen Aufbau für überschaubaren Thrill (das Treiben in den Suizid in Folge 15, aufgrund einer vorgetäuschten Online-Romanze, ein Kidnapping und Mordversuch in Folge 17) erstaunlich konsumierbar macht, der Platz wirkt gleichzeitig offen und isoliert von der Außenwelt, und hell und aufgeräumt. Das Team und die Darsteller dort und insgesamt sind auch entspannt im Umgang miteinander, die Arbeit (mit Monitor und Tastatur) hier von Kollegialität und Freundlichkeit zusammengehalten und im lockeren Ton gezeichnet, viele Weiß- und Blautöne, aber nicht gänzlich steril, sondern fast schon 'bequem' gezeichnet. Darüber hinaus sind auch die anderen Farben in der Umgebung eher hell gehalten, rosé, flieder, pastell oder blassgelb, dazu viel casual Kleidung und vielerlei Personen, die eher unauffällig, gesetzt im Alter und/oder im Verhalten und optisch strikt durchschnittlich sind. Die Akteure sind bestenfalls grundsolide Mittelschicht, die Jobs alltäglich, Mehr-Generationen-Haushalte stehen im Vordergrund und die Probleme oder eher Problemchen sind teils hausgemacht und andererseits oftmals kleinkariert bis nebensächlich; was der gesamten, eigentlich eher für die Älteren inszenierte Serie eine gewisse Beliebigkeit beifügt und eine Nachlässigkeit – viele Szenen erfordern schlicht keinerlei Aufmerksamkeit –, sie dadurch aber auch erstaunlich konsumierbar, nur eben im Nebenher macht.

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