Review
von LittleMole
Der Fotograf Roger stolpert zufällig über eine heiße Sache: Nacktbilder der Millionärsgattin Laura Parrish. Am nächsten Tag ist der Besitzer der Bilder tot, die Bilder sind verschwunden, und Roger hat eine Affäre mit Laura, die ihn von Berlin erstmal nach Nizza bringt. Dort lernt er verschiedene Handlanger Parrishs kennen, unter anderem Borrell, dessen Stand zu Parrish sehr unklar erscheint, der aber einen großen Einfluss auf Laura hat. Nach und nach verstrickt sich Roger in einem Netz, dessen Ausmaße er überhaupt nicht abschätzen kann. Immer denkt er dass er die Fäden in der Hand hält. Er verschleudert Lauras Geld, tut mächtig groß, und ahnt gar nicht, dass sein kleines Lichtlein auch sehr schnell ausgeblasen werden könnte.
Ein Film wie ein sanfter und cooler Drogenrausch. Die Charaktere lassen sich treiben, die Handlung dümpelt im warmen Wasser, die Bilder entspannen, die Musik groovt, und nichts wirklich relevantes passiert. Trotzdem schafft NEGRESCO es die Spannung zu halten, allerdings muss man sich dafür auf ein paar Grundvoraussetzungen einlassen:
- Filme, in denen die Richtung alle paar Minuten geändert wird, sind lässig.
- Wenn die männlichen Hauptfiguren unverschämt und cool sind und sich die Zeit mit Whiskytrinken und Schönefrauenvögeln vertreiben, und die weiblichen Hauptfiguren alle Naslang ins nächstverfügbare Bett hüpfen und ansonsten reichlich undurchsichtig wirken, dann ist das oberlässig.
- Eine große Liebe zu den späten 60ern, zu Mode, Autos, Musik und dem Ambiente älterer Städte muss zwingend vorhanden sein. Mit einem Iso Grifo über den großen Sankt Bernhard-Pass zu fahren sollte für den Zuschauer einer der letzten großen Lebensträume sein. Alternativ aber auch entspanntes Schlendern auf der Croisette von Nizza, und zwar ohne dass man in Abgasen erstickt. Rettungslose Nostalgiker sind hier schwer im Vorteil …
- Wer Antonionis BLOW UP mag, ZUR SACHE SCHÄTZCHEN von May Spils, und mit Filmen wie Godards DIE VERACHTUNG etwas anfangen kann, der ist hier richtig. Wer Filme bevorzugt die logisch fortführend sind, bei denen eine Szene immer auf der vorhergehenden basiert, und in denen Charaktere einen praktischen Sinn haben, der ist hier falsch! Genau wie im richtigen Leben gibt es in NEGRESCO Personen, die sinnlos sind, aber zumindest hübsch anzuschauen. Oder kann mir jemand erklären was die hübsche Dunkelhaarige in Borrells Villa für einen sittlichen Nährwert haben soll? Eben.
Sprich, wir haben es hier mit einem sehr ernsthaften Ausflug in eine Zeit zu tun, in der in jedweder Richtung Grenzen ausgelotet werden. Vor allem natürlich kulturell, was bereits die Startsequenz zeigt: Wer im Windkanal tanzende Frauen mag, deren nackte Körper von psychedelischen Lichtmustern eingehüllt werden, für den ist NEGRESCO ein Muss. Und für alle, die Geschichten ohne konkretes Ziel mögen, ebenfalls. Für alle anderen eher ein Alptraum. Mir persönlich hat es verdammt gut gefallen, und ich konnte an diesem doofen Tag für anderthalb Stunden so richtig in eine andere Zeit abtauchen. Herrlich ....!