Im Zentrum des Streifens von Regisseur Martin Owen steht nicht etwa der gleichnamige Tanz, der seinerzeit mit den Songs von Chubby Checker angeheizt wurde. Gemeint ist auch nicht die narrative, unerwartete Wendung am Ende einer Geschichte, sondern einmal mehr wird ein Roman von Charles Dickens einer Frischzellenkur unterworfen. Eine Neuinterpretation für Millennials.
Im zeitgenössischen London schlägt sich Waisenjunge Oliver Twist (Rafferty Law) auf den Straßen durch, mag Street Art, Parcour und Freerunning. Als er beinahe von der Polizei erwischt wird, helfen ihm Teens um Dodge (Rita Ora) aus der Klemme, die einen Diebesclub unter der Leitung von Fagin (Michael Caine) betreiben. Fagin plant, den dubiosen Kunsthändler Losberne (David Walliams) zu bestehlen, doch die skrupellose Sikes (Lena Headey) verfolgt offenbar ganz andere Pläne…
Zum Einstieg stellt die Titelfigur direkt klar: Es gibt keinen Tanz, keinen Gesang und kein Happy End, was durchaus den Erwartungen hinsichtlich der klassischen Literaturvorlage entspricht. Im Zusammenspiel mit der Mutter ergibt sich ein frühkindliches Interesse an der Malerei, was sich zu einem der wesentlichen Themen entwickelt, während Aktivitäten rund um Parcourläufe ein wenig für Schwung sorgen, was die Kamera mit einigen 180 Grad-Drehungen zuweilen etwas übertreibt.
Mit den Figuren wird man leider nur sehr bedingt warm, denn der erwachsene Twist folgt kaum einer Motivation außer Großraum-Graffittis, während die übrigen Kleinganoven eher in die Klischeeecke abdriften, einschließlich des Nerds, der binnen von Sekunden alles Digitale hackt und dem Love Interest, welches jedoch der fiesen Sikes unterliegt. Um das zu untermauern, trägt diese latent den dazugehörigen, schwarzen langen Ledermantel.
Fagin kommt bei alledem noch relativ sympathisch rüber, er offenbart zu keiner Zeit eine boshafte Ader, wie Dickens ihn einst beschrieb.
Sonderlich originell gestaltet sich der Kunstraub indes nicht. Hier und da wird geplant, Kleinigkeiten laufen schief, ab und an werden komplizierte Fluchtwege in Kauf genommen, doch nichts überrascht, der doppelte Twist bleibt sozusagen aus. Vereinzelt sind zwar einige Polizisten involviert, damit diverse Actionszenen über den Dächern am Rande Londons überhaupt einen Sinn ergeben, markante Schauwerte sind allerdings kaum dabei. Mit zwei, drei Szenenübergängen gab man sich allerdings sichtlich Mühe, was entfernt an Werke von Guy Richie erinnert.
Darstellerisch wird recht durchwachsenes Niveau geboten: Rafferty Law, Sohn von Jude Law und Sadie Frost wirkt in der Hauptrolle wie eine Schlaftablette und verdankt den Einsatz wohl eher irgendwelcher Vetternwirtschaften. Rita Ora müht sich und singt tatsächlich erst zum Abspann, während Michael Caine zwar nur Routine abliefert, mithilfe der Stammsynchro des nunmehr 93jährigen Jürgen Thormann jedoch wie eine Legende anmutet. Lena Headey überzeugt als fiese Intrigantin und auch Walliams hat ein paar lustige Momente als depperter Kunsthändler.
Was optisch weitgehend ansprechend gestaltet wurde und erzählerisch zumindest flott vorgetragen wird, entpuppt sich als recht formelhafter Stoff, der nicht allzu viel Spannung zutage fördert und die meisten Themen nur oberflächlich streift. Übereinstimmungen zu Dickens Vorlage finden sich allenfalls im ersten Teil der Geschichte, in Sachen Heist-Movie driftet er dann völlig ab und bietet austauschbares, wenig clever erdachtes Material.
5,5 von 10