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Er ging. Er war allein, und vor ihm erstreckten sich mindestens drei Kilometer Landstraße, die alle zehn Meter vom schräg laufenden Schatten eines Baumstammes unterteilt wurde. Mit großen Schritten, doch ohne sich zu beeilen, ging er von einem Schatten zum anderen. Da es kurz vor Mittag war und die Sonne sich dem Scheitelpunkt näherte, glitt ein kurzer, lächerlich gedrungener Schatten vor ihm her. Die Landstraße stieg gerade bis zum Gipfel des Hügels an, wo sie unvermittelt aufzuhören schien. Links im Wald hörte man ein Knacken. Rechts, weiter weg in den weich wogenden Feldern, war ein Pferd zu sehen, ein Schimmel, der ein auf Räder montiertes Fass zog, und im selben Feld eine Vogelscheuche, die vielleicht ein Mensch war.

Eher trüb und grau die Gegend, kein richtiges Grün, kein richtiges Leben, die Häuser oft verlassen, die Höfe karg und leer, die Landschaft am Verbleichen, die Menschen nicht am Bleiben, es ist 1934, die Zeiten sind hier schwer. Ein Mann ist auf Wanderschaft, geradeaus, den Weg entlang, er kommt nicht von hier, er hat noch Manieren, er hilft einer Frau, das ist ungewöhnlich, das erregt die Aufmerksamkeit hier:

1934, im Osten Frankreichs, Bezirk Dijon, Bourgogne-Franche-Comté Region. Nach einer kurzen Hilfestellung quartiert sich der eigentlich zu Fuß die Gegend durchwandernde Fremde Jean Lavigne [ Alain Delon ] auf ihren Wunsch hin bei der Witwe Tati Couderc [ Simone Signoret ] ein, die nur noch mit ihrem Schwiegervater Henri [ Jean Tissier ] lebt, und von dem auf der anderen Seite des Kanal wohnenden Schwägerin und dessen Mann eher drangsaliert wird. Als Jean auf deren junge Tochter Félicie [ Ottavia Piccolo ] stößt, vereinfacht es die Gerüchteküche im Dorf und das Verhältnis aller Beteiligten nicht wirklich. Es kommt zur Eskalation.

Das Leben geht so vor sich hin und geht vorbei, es wird viel von Frauenhand erledigt, wo sonst Männer dafür zuständig sind. Man hat sich eingenistet, man hat sich arrangiert, es sind viele Italiener in der Gegend, auf Arbeitssuche, der Fremde, der Neuankömmling gehört nicht dazu; er fragt zumindest nicht danach, er wird gefragt, die Antwort ist ja. Beobachtungen werden gemacht, Ansagen, Auskünfte, oft von sich aus gesprochen, ein Gast aufgenommen, drei Tage sind geplant, 6 Franc sind arrangiert.

Sein Bett, eine eiserne Bettstatt, die mitten auf dem Speicher aufgestellt worden war, genau unter der Dachluke, roch nach Heu und einem Hauch von Schimmel, und das war nicht unangenehm. Was ihn noch lange wachhielt, waren die Tropfen, die er in großen Abständen ganz nah neben seinem Kopf herunterfallen hörte. Ein Wasserhahn konnte es nicht sein, denn es gab im ganzen Haus kein fließendes Wasser. Und es regnete auch nicht, sonst hätte er den Regen auf die Scheibe der Dachluke prasseln hören. Unvermittelt war es Morgen, und das Einzige, woran er sich von dieser Nacht erinnerte, war der Geruch nach Heu und Verschimmeltem, der für ihn zum Inbegriff von Landleben wurde.“

Das Anwesen ist duster, es ist zweckmäßig noch eingerichtet, es ist nicht wirklich aufgeräumt, es tropft und leckt. Es ist durch eine Art Zugbrücke vom anderen Ufer des Flusses abgetrennt und gleichzeitig verbunden, die Menschen sind skeptisch, sie sind auch etwas unhöflich, die Gedanken verschlossen, die Antipathien spürbar. “Vor einem Fremden zu reden, das fehlte noch.“, kein “Hallo“, keine Begrüßung. Die Leute sind verbittert, sie sind nicht dankbar, die Witwe ist etwas anders, sie ist hier der Herr im Haus. Ein Vorkriegsdrama mit finsteren Omen (“Es ist die Pflicht jedes Franzosen, Frankreich sauber zu halten. Ist er Jude oder Jugoslawe?“) auf dem Lande, die Probleme noch selbst gemacht oder unfreiwillig hineingeraten, die Arbeit ist viel und ständig, die Regie hält sich knapp und betont. Es geht tagaus und tagein, es wird auch etwas nach geschnüffelt, es werden Komplikationen und Eskalationen beschworen. Es gibt Wiederholungen in den Bildern und Variation, der Alltag gleicht sich, die Arbeit auf dem Hof, die Arbeit auf dem Feld, Neugeborene haben hier keinen Namen, werden aber vor den Augen fremder Männer gestillt.

Delon stellt sich hier in den Dienst der Geschichte, er spielt zurückhaltend, er ist im Schatten von Signoret; sie hat die Hauptrolle und ihr gehört der (Original)Titel, er ist zu 'Besuch', er ist vorübergehend. Drei Tage sind kurz, 72 Stunden, sie werden länger, die Montage hält sich dennoch knapp, wie eine Stippvisite, eine Momentaufnahme, die Vorgeschichte wurde bereits in wenigen Sätzen geklärt. Uneitel die Gesellschaft, da ist keine Zeit für, man hat einfache Wünsche, Sonne und Wein. Einfache Gesten, viel Handwerk, einige Reparaturen, es wird früh aufgestanden, es geht früh zu Bett. Es wird nach Liebe auch gesucht, gefunden werden Probleme, die Einsamkeit lässt sich nicht abschütteln, die Gefühle nicht lenken, ein existenzielles Drama, eine Familientragödie. Ein Privatkrieg herrscht hier schon und zerrt an den Nerven, Gewalt bricht hervor, eine Rauferei auf sandiger Straße.

Das wenige, was vorher überhaupt noch positiv war, wandelt sich bald um in noch mehr Negativen; die Figuren sind einfach gestrickt und sie sind auch einfach zu zerstreiten, bald werden andere Mittel und Wege gesucht und gefunden, es sich das Hab und Gut schwer zu machen. Das erinnert ein wenig an Betrogen (1971), Clint Eastwood im Mädchenpensionat im Sezessionskrieg, es hat aber seine eigene Quelle, dort ein Roman von Thomas P. Cullinan, hier Georges Simenon, “Die Witwe Couderc“. Simenon (von Regisseur Pierre Granier-Deferre kurz zuvor schon bei Die Katze, 1971 und später mehrfach dessen Maigret adaptiert) ist bekannt für Kriminalliteratur, der gehobenen Art, mit politischen Ein schönen, hier werden einige Mittel aus dem Genre entsprechend der Vorlage benutzt, ein mitgeschleppter Revolver, eine Flucht aus dem Zuchthaus, ein falscher Ausweis, die lokale Gendarmerie, die informiert wurde und unliebsame Fragen stellt, das Informieren der Sicherheitspolizei. Man macht auch eigene Fehler, man wird wagemutiger, man wird wankelmütiger, man macht sich für andere erkennbar, man verlässt die eigene Blase und versucht eine Teilnahme am Leben, eine Teilhabe an der frischen Luft, an der Stadt, an mehr als nur Sonne und Wein, am frei und glücklich sein.

Die Geschichte erzählt in diesem Mikrokosmos von genau zwei Individuen, sie trennen Alter und Geschlecht, sie trennen Herkunft und Gefühle, sie trennen die Erwartungen und Hoffnungen, das muss nicht ausgesprochen und erschöpft behandelt werden, das schafft die Regie auch so zu zeigen, ein nonverbales Signal, ein festes Dirigieren, viel wird mit den Augen agiert, ein intimes Geschehen, oftmals fast ein Stillleben; weniger über das Gute als vielmehr das Schlechte im Menschen. Es wird gelogen, es wird betrogen, es wird hintergangen, es wird hinter dem Rücken geredet, es wird gestohlen. Es wird geträumt, und aufgewacht, es wird gestorben.

»Würden Sie auf dem Speicher schlafen?« »Warum nicht?« »Und Sie würden die Arbeit machen, die zu machen ist?« Er ging und pflanzte sich vor dem wimmelnden Hühnerhof auf. »Es sei denn, Sie haben Angst«, sagte er lässig und streckte sich. »Angst wovor?« »Sie wissen nicht, wo ich herkomme …« »Männer haben mir noch nie Angst gemacht!« »Und wenn doch …« »Wenn was?« »Wenn ich zum Beispiel aus dem Gefängnis käme?« Man konnte glauben, sie hätte es erraten. »Na und?« »Was ist, wenn ich heute Nacht mit Ihren Ersparnissen abhaue?« »Sie würden sie nicht finden …« »Und wenn ich Sie ermorde?« »Ich bin stärker als Sie, mein Lieber!« »Wenn …« »Wenn was?« »Nichts …« Er war jetzt nicht mehr so ausgelassen wie vorher. Er sah sie fast ernst an.

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