Nach "Saw" (2003/2004) und "Insidious" (2010) hatte James Wan mit "The Conjuring" sein drittes langanhaltendes Horror-Franchise dargeboten, das anders als die vorangegangenen Reihen vor allem in allerlei Spin-offs verzweigte. Diese treten eine ganze Spur schmaler auf und kommen in der Regel ohne Ed-&-Lorraine-Warren-Darsteller(in) Patrick Wilson und Vera Farmiga daher: Der reichlich vordergründige "The Nun" (2018) war bereits recht ernüchternd; Michael Chaves legte dann im Folgejahr mit "La Llorona" (2019) nicht bloß die schlechteste jemals im Kino vermarktete Version des Llorona-Stoffes vor, sondern auch das bis dahin schwächste "Conjuring"-Spin-off... und beinahe zeitgleich bewies Drehbuchautor Gary Dauberman in seinem Regiedebüt "Annabelle 3" (2019), dass auch das Mitwirken von Wilson und Farmiga kein Garant für einen gelungenen "Conjuring"-Ableger ist.
Insofern durfte man mit abgesenkter Erwartungshaltung an den dritten "Conjuring"-Teil herangehen, den nun ausgerechnet "La Llorona"-Regisseur Chaves als zweite Langfilmareit in Angriff nehmen durfte. Doch lässt sich das Resultat tatsächlich sehen: Autor David Leslie Johnson-McGoldrick ("The Orphan" (2009), "The Conjuring 2" (2016)), Wilson und Farmiga sowie ein gelungen – von Krzysztof Penderecki bis hin zum Soundtrack von "The Exorcism of Emily Rose" (2005) – zusammengeklaubter Soundtrack (der teils sinnige Assoziationen mit sich bringt) erweisen sich als Pluspunkte, die Chaves mit einer doch rundum soliden Inszenierung zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügt.
Dieses stimmige Ganze schlägt dennoch einen etwas anderen Tonfall an als "The Conjuring" und "The Conjuring 2", was bereits über einen erstmals hinzugefügten Titelzusatz zu erahnen ist: "The Devil Made Me Do It". Jene bekannten Zeilen gehen zurück auf einen denkwürdigen Prozess im November 1981 – als Arne Johnson sich darauf berief, zwar einen Mord begangen zu haben, jedoch unter dem Einfluss des Teufels gestanden zu haben. Zur Seite sprang ihm damals das Dämonologen-Pärchen Ed and Lorraine Warren... Auf dieser dramatisch ausgeschmückten kuriosen Begebenheit basiert der dritte "Conjuring"-Film, der sich zwar immer noch um Besessenheit und Exorzismen dreht, allerdings kaum noch Elemente des Spukhaus-Subgenres aufweist... auch hält sich der neue Film mit spin-off-tauglichen neuen Monstren zurück, setzt keine neue Nonne, keinen Crooked Man oder dergleichen in die Welt, sondern bleibt etwas konzentrierter am Ball; geht seiner Mär ein wenig konsequenter nach.
Diese Mär ist schnell erzählt: Die Warrens sollen [Achtung: Spoiler!] dem Exorzismus des jungen David Glatzel (der horrorfilmerprobte Nachwuchsstar Julian Hilliard) beiwohnen und ebendiesen aufzeichnen. Die Angelegenheit läuft jedoch aus dem Ruder, Ed Warren wird arg in Mitleidenschaft gezogen und kann nicht verhindern, dass die besitzergreifende Wesenheit auf Arne Johnson, den Freund der älteren Schwester Davids, überspringt – der später allerlei Sinnestäuschungen unterliegt und zu seinem eigenen Bekümmern seinen Hauswirt, den Hundepensionsbesitzer Bruno, bestialisch umbringt. Die Warrens, die um die Besessenheit wissen, wollen nun ebendiese beweisen, um dem jungen Mann die Todesstrafe zu ersparen. Im Haus der Glatzels stoßen sie alsbald auf ein Hexentotem, kooperieren daraufhin mit der Polizei, die sich ihrerseits Hinweise auf Sektierer im Zusammenhang mit einem anderen Fall erhofft – und erkennen bald, dass sie es mit einer mächtigen Satanistin zu tun haben, die einen Dämonen aus der Hölle heraufbeschworen hat und ihrerseits schnell merkt, wer ihr da auf den Fersen ist – um infolgedessen alles daran zu setzen, die Warrens aus der Welt zu schaffen.
Gespickt ist die Handlung wie so oft in diesem Franchise mit vielen kleinen Verbeugungen vor größeren und kleineren Klassikern des Horrorfilms – noch immer aus den 70er Jahren, auch wenn der Handlungszeitraum selbst sich mittlerweile in die begonnenen 80er Jahre verlagert hat: Natürlich steht hier der aus dem Taxi steigende Exorzist vor dem Haus der Glatzels wie weiland Max von Sydow als Pater Merrin vor dem Haus der MacNeils in "The Exorcist" (1973); auch den berüchtigten spider walk bekommt man in beiden Filmen geboten. Und vereinzelt macht sich zu Beginn der Einfluss von "The Amityville Horror" (1979) bemerkbar. Und wenn Arne Johnson nach seiner Tat verstört über die Landstraße schlurft und von einem herbeikommenden, von den Warrens verständigten Polizisten aufgegabelt wird, dann wirkt das wie ein Echo jener Anhalter(innen), die – manchmal Opfer, manchmal Täter – von "Texas Chain Saw Massacre" (1974) bis "Texas Chainsaw Massacre" (2003) auf offener Straße auf die durchreisenden Protagonist(inn)en zukommen. Auch eine Kettensäge hält einmal für eine kleine Suspense-Szene her, die allerdings unblutig endet, wenngleich es beinahe zu einem Unfall kommt, der insgesamt eher an den frühen Fenstersturz in Lucio Fulcis "L'aldilà" (1981) erinnert. Dieser Fulci passt nicht nur bestens zur Handlungszeit; er wurde innerhalb des Franchises auch wie ein, zwei andere Splatterklassiker des Italieners ausgiebig in "The Nun" zitiert... Dort allerdings war die Zitat-Dichte höher, waren die Anleihen deutlicher, war der Tonfall stärker an Vorbilder von Hammer bis Fulci angepasst. "The Conjuring: The Devil Made Me Do It" hält sich im Vergleich dann doch ein wenig zurück – und das große Vorbild ist nicht Amityville, nicht Fulci, nicht Shining oder die auch angespielte "A Nightmare on Elm Street"-Reihe, sondern: Montague Rhodes James.
M. R. James, Paläograph, Mediävist und Übersetzer apokrypher Bibeltexte, hat sich mit seinen anfänglich zur Weihnachtszeit ersonnenen Gespenstergeschichten einen Namen unter Phantastik-Liebhaber(inne)n gemacht. Er gilt als der Großmeister der britischen Gespenstergeschichte, als Bindeglied zwischen Joseph Sheridan Le Fanu und Edward Frederic Benson, das jedoch einen ganz eigentümlichen Stil beibehält, welcher sich aus James' Gelehrtendasein ergab: Seine Gespenstergeschichten wimmeln nur so von Fundstücken und Relikten, die entschlüsselt und kontextualisiert werden wollen von den jeweiligen Protagonisten: oftmals Antiquare. Nicht selten transportieren diese Relikte die Vergangenheit in die Gegenwart – als passiv bleibendes Abbild oder gar als aktive Erscheinung...
Ed und Lorraine Warren bieten sich einerseits an für einen M.-R.-James-Bezug, gleichen sie doch mit ihrem Keller-Museum und den archivierten unheilvollen Fundstücken den Antiquaren einer James-Erzählung. Zugleich aber neigen die Warrens wie das "Conjuring"-Franchise selbst dazu, alles Übernatürliche zu erklären, zu begründen, auszuleuchten... wo James Wan als Begründer des Franchise eine ganze Kosmologie anstrebt, da gab es bei M. R. James immer bloß weitgehend isolierte Einzelwerke, die sich bei aller Deutbarkeit stets ein Geheimnis bewahrten.
Dennoch haben Johnson-McGoldrick, Wan und Chaves hier M. R. James, den (post-)viktorianischen Überklassiker unheimlicher angelsächsischer Literatur, eingewoben: "Casting the Runes" (1911) steht ganz deutlich Pate, entspricht doch das Unterschieben von Hexentotems dem Unterjubeln von Runen, die der schwarzmagische Okkultist Mr. Karswell missliebigen Mitmenschen zusteckt, die daraufhin nach bedrohlichen Vorzeichen ums Leben kommen. Von Abraham Merrits Erzählung "Burn, Witch, Burn!" (1932/1933), wo eine Hexenleiter ähnlich zum Einsatz gelangt, zieht sich über Jacques Tourneurs klassische James-Verfilmung "Curse of the Demon" (1957) bis hin zu Stephen Kings "Thinner" (1984) oder einem Sam-Raimi-Spektakel wie "Drag Me to Hell" (2009) die Variation dieser vielleicht (neben "'Oh, Whistle, and I'll Come to You, My Lad'" (1904)) bekanntesten James-Geschichte. Die Schwarzmagierin (Eugenie Bondurant) in "The Conjuring: The Devil Made Me Do It" ist eine Art Karswell-Pendant. Noch dazu deckt ihr Background – ihre direkte Abstammung vom gelehrten Geistlichen, der kurz vor seinem gewaltsamen Ableben als Vater wie als Priester versagt zu haben glaubt – die frappierende Nähe zwischen Frömmigkeit und Unheil ab, die immer wieder in James' Erzählungen aufblitzt: Mr. Abney in "Lost Hearts" (1895) ist zwar bei Nachbar(inne)n verschrieen, gilt aber unter seinen Bediensteten als hilfsbereiter Wohltäter, der aber tatsächlich seinen kindlichen Gästen die Herzen aus dem Leib schneidet, um sich als Alchemist an eine Verjüngungskur machen zu können. Im Vermächtnis des sündigen Kanonikus Alberic findet sich die Abbildung eines Dämons wieder, der bald auch vom Leser von "Canon Alberic's Scrap-Book" (1895) gefühlt wird. In "The Stalls of Barchester Cathedral" (1910) wird das mörderische Geheimnis eines Erzdiakons gelüftet, wohingegen in "The Treasure of Abbot Thomas" (1904) ein abtrünniger Abt auf teuflische Weise einen Schatz beschützen lässt. In der Erzählung mit Bibelbezügen "The Residence at Whitminster" (1919) ereignen sich Okkultismus und Spuk in unmittelbarer Nähe einer Kirche. Auch ein titelgebendes "Uncommon Prayer-book" (1921) hat es in sich und "An Episode of Cathedral History" (1914) ist eine waschechte Vampirgeschichte. Der Strang des jüngsten "Conjuring"-Films rund um den frommen Kastner (John Noble) und seine satanische Tochter, die gegen Ende ihre Höllenfahrt antreten muss, fügt sich da (zunächst) gut ins Bild. Auch der Aufhänger des Hexenfluches passt, hat doch James mit "The Ash Tree" (1904) eine entsprechende Geschichte vorgelegt, in der noch zudem wie in "The Conjuring: The Devil Made Me Do It" kleine Tierchen in verborgenen Schlupflöchern eine (wenn auch etwas anders geartete) Rolle spielen. Und der spider walk – vor allem aber der wie bei einem toten Insekt oder einer toten Spinne verkrümmte Leib der verstorbenen Schwarzmagierin am Schluss – mag letztlich nicht bloß auf Friedkins Horrorfilmklassiker verweisen, sondern sich auch den zumindest in drei Erzählungen James' anzutreffenden spinnenartigen Erscheinungen verdanken.
So zufällig solch kleine Details letztlich auch sein mögen, so offenkundig ist doch das zentrale, handlungsstiftende Element aus James' "Casting the Runes" zugegen.[1] "The Conjuring: The Devil Made Me Do It" bleibt mit der Schwarzmagierin und ihren Hexentotems diesem James-Klassiker mit seinem Mr. Karswell und seinen Runen ebenso treu wie (vordergründig) James' genereller erstaunlicher Verbindung des Heiligsten mit dem Niedrigsten...
Diese Verbindung ist in der exorzismusaffinen "Conjuring"-Reihe freilich ohnehin schon immer präsent, am deutlichsten natürlich in "The Nun". Das soll abschließend noch einmal kurz den Blick auf das krude christliche Fundament der Filmreihe lenken: Im "Conjuring"-Kosmos ringen das (christlich) Göttliche und das Teuflisch-dämonische stets miteinander. Die Warrens wissen als Eingeweihte (und im Fall von Lorraine Warren auch als Sonderbegabte) um diese zwei Instanzen, wobei gerade die teuflisch-dämonische Instanz gesamtgesellschaftlich weitgehend geleugnet wird. Auch in diesem neuen Teil dürfen die Warrens wieder einmal Ungläubige bekehren: die christliche Horrorfilmreihe vermag geneigten Gemütern somit Genugtuung verschaffen – auch all jenen freilich, denen die abstrakte Konstellation als Projektionsfläche bereits ausreicht, die also von Identifikationsfiguren profitieren können, welche zunächst von Nebenfiguren unterschätzt oder belächelt werden, bis ihre Überlegenheit dann nicht mehr zu leugnen ist.
Vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit in einer säkularisierten Gesellschaft die realen Warrens am ehesten für Scharlatane, christliche Fanatiker oder psychotische Spinner halten dürfte, ist die "Conjuring"-Reihe im Grunde ein kleines Ärgernis: Stehen Exorzismus-Horrorfilme ohnehin schon im Ruf, als christliche Propaganda zu fungieren, so gesellt sich hier noch die Aufwertung zweier Esoteriker und Okkultisten zu verkannten Errettern und durchweg sympathisch gezeichneten Leinwandfiguren hinzu. Es passt, dass die Filmschaffenden in diesem dritten Teil zwar den Satanismus einbinden, aber zum Beispiel die damit verbundene (und etwa von Joris-Karl Huysmans in seinem Roman "Là-bas" (1891) prominent genutzte) Möglichkeit, die repressive christliche Sexualmoral offenkundig werden zu lassen, gänzlich ungenutzt lassen; mehr noch: sowohl bei den Warrens als auch beim jungen Liebespaar erscheint die Eheschließung als der korrekte Lauf der Dinge. Und die satanische Schwarzmagierin ist letztlich das sündige Produkt eines Verstoßes gegen das Zölibat (worin man aber nur schwerlich eine ernsthafte Zölibat-Kritik ausmachen kann). (Der Geistliche ist somit sündig, aber reuig, fällt seinem Vergehen aber letztlich doch zum Opfer; seine Tochter indes ist abgrundtief verdorben. Die Fronten verlaufen hier sehr klar; da waren M. R. James' Verbindungen von Christentum und Teufelei wesentlich progressiver – und das, obgleich James in vielerlei Hinsicht doch als ausgesprochen konservativ gelten muss.) Immerhin sind die Besessenheitsopfer hier entgegen der Genrekonventionen nicht weiblich, allerdings erzählt der Film dafür – wie so viele Hexenfilme der letzten Jahre – die Geschichte der bösen Frau, die sich selbstermächtigt (hier) über Väter oder (z. B. in "The Wretched" (2019)) über Ehemänner hinwegsetzt, dabei allerdings klar als Bedrohung gekennzeichnet ist. Diesen Aspekt gleicht "The Conjuring: The Devil Made Me Do It" glücklicherweise wieder aus, insofern Lorraine Warren gegenüber ihrem Partner Ed durchsetzungsfähig ist, wohingegen er in diesem dritten Teil zeitweise gar auf Rollstuhl oder Gehstock angewiesen ist.
Natürlich könnte man "The Conjuring: The Devil Made Me Do It" somit als eher reaktionären Unfug abtun. Findet man sich aber damit ab, dass der Film als Kommerz- und Modeprodukt eine christliche Grundierung ausstellt, so bekommt man nicht bloß eine unterhaltsame M.-R.-James-Variante in ziemlich solider Inszenierung geboten, die wieder einmal Platz für die kleinen Details, für den Anflug von tiefen Emotionen in kleinsten Nuancen und mimischen Regungen, lässt, sondern kann Christentum und Satanismus auch noch auf den gröbsten Kern runterbrechen, um sodann der ganzen Chose doch noch etwas Sympathisches abgewinnen zu können, wenn man mit religiösen Institutionen wenig anfangen kann. Dann hat man nämlich auf der einen Seite die uneigennützige Nächstenliebe (von der die marketingtüchtigen wahren Warrens eher entfernt gewesen sein dürften), die einen alles, was man besitzt, in die Waagschale werfen lässt, um einer fremden Person beizustehen; auf der anderen Seite hingegen den Egoismus, der durch Alisteir Crowleys Maxime "Do what thou wilt shall be the whole of the Law" ebenso geistert wie durch die ganzen neoliberalen Strömungen, die seit "Rosemary's Baby" (1968) und seinen (erfolg)reichen Upper-Class-Satanist(inn)en im Horrorfilm weite Teile der Gesellschaft bereits unterwadert haben. Man muss aber eben die komplette christliche Institutionalisierung und die Verzerrung der obskuren Warrens zu heiligen Sympathiebolzen ausblenden (oder eben selbst entsprechend christlich und/oder okkultistisch ausgerichtet sein), um dann mit solch einer schon ganz liebenswürdigen, aber auch recht naiven Moral (und eben den ganzen M.-R.-James-Vorzügen) befriedigt Vorlieb nehmen zu können...
Schwache 7/10.
1.) Übrigens 1979 vom "Ghost Stories for Christmas"-Regisseur Lawrence Gordon Clark ebenfalls mit einer Spinnenkreatur adaptiert, die sich in dieser M.-R.-James-Erzählung eigentlich ja gerade nicht befindet.