Der deutsche Dokumentarfilmer Torsten Körner („Die Unbeugsamen“) beleuchtet in seinem abendfüllenden Film „Schwarze Adler“ aus dem Jahre 2021 das traurige Phänomen des Rassismus, der in Deutschland dunkelhäutigen Fußballspielerinnen und -spielern entgegenschlägt. Seinen Fokus richtete er dabei darauf, was dies in den direkt betroffenen Spielerinnen und Spielern auslöst, wie sie darüber denken und wie sie damit umgehen. Beginnend bei Erwin Kostedde, Sohn eines schwarzen US-Soldaten und einer Deutschen und 1974/’75 erster dunkelhäutiger deutscher Nationalspieler, deckt Körner viele illustre Personalien ab: Die extrovertierte Frohnatur Jimmy Hartwig, ebenfalls US-Soldatensohn, Guy Acolatse, Anthony Baffoe, Gerald Asamoah, Souleyman Sané, Beverly Ranger, Jérôme Boateng, Shary Reeves, Cacau, Steffi Jones, Otto Addo und weitere mehr. Einige finden lediglich in Form von Archivmaterial statt, andere konnten für aktuelle Interviews gewonnen werden. Körner selbst tritt dabei in den Hintergrund; seine Fragen werden ausgespart und er enthält sich jeden Kommentars.
Kostedde war lediglich eine kurze Nationalmannschaftskarriere vergönnt, die von ständigen Beleidigungen und Verschmähungen seitens bestimmter Teile des Fußballpublikums begleitet war – wohlgemerkt einzig aufgrund seiner Hautfarbe. Seine Pionierleistung bleibt davon unangetastet, er kann stolz auf sich sein und Deutschland auf ihn. Hartwig trat bereits selbstbewusster auf und mutmaßte seinerzeit im TV, dass ihn einzig sein dunkler Teint an der Nominierung für die DFB-Auswahl hindere. Letztlich brachte er es auf zwei Einsätze, wichtiger aber ist sein Umgang mit den Rassistinnen und Rassisten im Stadion: Statt sich verunsichern zu lassen, begann er, die Schmähgesänge zu dirigieren und damit dem Pack das Wasser abzugraben. Der ghanaische Diplomatensohn Anthony Baffoe spielte in den 1980ern für deutsche Vereine, aber für die ghanaische Nationalmannschaft. Er bot Rassistinnen und Rassisten sogar noch deutlicher Paroli: Als „Bimbo“ beschimpft, habe er schlagfertig entgegnet: „Du wirst doch sowieso in nächster Zeit arbeitslos, du kannst bei mir auf der Plantage arbeiten.“
Tief beeindruckt hatte mich, als ich nach der WM 1990 als Steppke auch Bundesligafußball im TV zu verfolgen begann, der senegalesisch-französische Spieler Souleyman Sané, der dem Bochumer Stadtteilverein SG Wattenscheid 09 zu einem wahren Höhenflug verhalf. Auch er war nicht gewillt, sich allzu viel gefallen zu lassen. Als HSV-Abschaum ihn im DFB-Achtelfinale mit „Neger raus“ bedachte, netzte er kurz vorm Abpfiff den Siegtreffer für die SG ein, tänzelte vor der Idiotenkurve und – was diese Doku leider unterschlägt – äußerte nach dem Spiel: „Nix Neger raus – HSV ist raus!“ Das feiere ich hart! Sanés Sohn Leroy ist heute deutscher Nationalspieler.
Und so gibt es viele weitere Geschichten zu erzählen, z.B. von Beverly Ranger, die Mitte der 1970er ein Tor des Monats schoss und die ARD-Sportschau ihr zu Ehren den Schlager „Schön und kaffeebraun“ einspielte – damals als die Exotik hervorhebendes Kompliment gedacht, heute bizarr anmutend. Andere historische TV-Ausschnitte wirken, je weiter sie in der Zeit zurückreichen, noch befremdlicher und sind Ausdruck davon, wie wenig selbstverständlich dunkle Haut seinerzeit nicht nur im deutschen Profifußball, sondern generell in Deutschland war. Die ehemaligen Spielerinnen Steffi Jones (später Bundestrainerin) und Shary Reeves (medienaffiner Tausendsassa) repräsentieren den etwas jüngeren Frauenfußball und berichten von eigenen Erfahrungen, aber auch, wie sehr sie ihre männlichen schwarzen Kollegen beobachtet haben – insbesondere deren Umgang mit Rassismus. Sie schaffen damit ein Bewusstsein für die Vorbildfunktion, die Fußballspieler – nicht nur in Bezug auf Rassismus – einnehmen.
Richtig schmerzhaft wird es indes, wenn Körner in der Gegenwart anlangt – und der Rassismus mitgekommen zu sein scheint, statt als beschämendes Relikt auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet zu sein. Erst wenige Jahre ist es her, dass der AfD-Faschist Gauland den Nationalspieler Jérôme Boateng öffentlich beleidigte. Bestimmte Schalker Fans entblödeten sich nicht, Jordan Torunarigha 2020 im DFB-Pokal rassistisch zu provozieren. Seit der sog. Flüchtlingskrise verspüren Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten Aufwind, bestimmte Gebiete, vornehmlich Ostdeutschlands, sind nie sicher für all diejenigen geworden, die nicht in Menschenbild von Neonazis passen, in sozialen Netzwerken im Internet wimmelt es vor Beleidigungen, Drohungen und Einschüchterungsversuchen, Faschistinnen und Faschisten zündeln, verüben Anschläge, schlagen Schädel ein und morden. Wenn Shary Reeves ihr Verhältnis zu Deutschland zum Ausdruck bringen möchte und ihr dabei mitten im Satz die Stimme versagt und die Tränen kommen, dürfte auch für den unsensibelsten Klotz deutlich werden, was so etwas mit betroffenen Menschen macht.
Doch „Schwarze Adler“ fängt auch immer wieder die Gegenseite unter den Fans ein, zeigt antifaschistische Fußballaufkleber, Banneraktionen im Fanblock etc., zeichnet also kein einseitig düsteres Bild. Es geht auch gar nicht darum, die Gesellschaft und ihre rassistischen Ausleger zu porträtieren – es geht um die Spielerinnen und Spieler, deren Leistungen und Persönlichkeiten dieser Film würdigt und die einem auch biographisch nähergebracht werden. Als überflüssig habe ich lediglich die eingewobenen altertümlichen Waschmittel-Werbespots mit ihren Betonungen von Weiß- und Reinheit empfunden, diese Analogie ist mir zu plump. Die Zeit hätte meines Erachtens besser für Aussagen beispielsweise ehemaliger Mitspielerinnen und Mitspieler genutzt werden können, eventuell auch für ein paar Statistiken oder Hintergrundinformationen zum Thema Rassismus.
Doch davon abgesehen ist „Schwarzer Adler“ ein beeindruckender Film über beeindruckende Menschen, der beschämt und Mut macht zugleich. Sein subtiler Soundtrack, der die deutsche Nationalhymne in Variationen immer wieder anspielt, verfremdet und abbricht, passt perfekt zum Inhalt und zum ambivalenten Verhältnis, das (nicht nur) von Rassismus Betroffene zu Deutschland pflegen. Allen dunkelhäutigen Spielerinnen und Spielern, die sich für die deutschen Nationalmannschaften einsetzen und/oder sich in ihren jeweiligen Vereinen engagieren, sei an dieser Stelle versichert: Wir sind mehr als die.