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Robert Hall hat sich in den vergangenen Jahren nach seinem Abschluss an der „Roger Corman School of Film“ mit seinen gekonnten F/X-Kreationen für Produktionen wie „the X-Files“, „Buffy“ oder „Dead Birds“ in Hollywood einen Namen gemacht. Mit „Lightning Bug“ gab er 2003 schließlich sein Debüt als Drehbuchautor und Regisseur, wobei er eine Vielzahl Elemente und Erlebnisse seiner eigenen Vergangenheit in der Story verarbeitete…

Manchmal verläuft das Leben einfach nicht nach Plan, weshalb sich Jenny Graves (Ashley Laurence) dazu gezwungen sieht, ihr bisheriges Leben in Detroit hinter sich zu lassen und mit ihren beiden Söhnen nach Fairfield, Alabama zu ziehen – „nur übergangsweise“, wie sie beim Beziehen des (Wohn-) Trailers betont. Einige Jahre später ist jener Wunsch jedoch einer nüchternen Realität gewichen, denn die junge Familie wohnt noch immer dort. Jenny hat inzwischen geheiratet, um wenigstens etwas Stabilität zu erhalten, aber ihr Ehemann Earl (Kevin Gage) ist ein aggressiver Zeitgenosse, der zudem schnell handgreiflich wird (selbst wenn er mal nüchtern ist), ihr jüngerer Sohn Jay (Lucas Till) hat nach anfänglichen Schwierigkeiten in Gestalt der Kirche einen Sinn und Richtungsweiser gefunden, während sich der inzwischen im Teenageralter befindliche Green (Brett Harrison) zu einem „Fangoria“-verschlingenden „Horrorfilm Geek“ entwickelt hat, der ambitioniert, talentiert sowie leidenschaftlich daran arbeitet, Special Effects Masken, Make-up und Requisiten zu kreieren. Sein Traum ist es, eines Tages einen Job in Hollywood zu bekommen, um dieser Kleinstadt zu entfliehen, in welche er eindeutig nicht hineingehört. Bis dato vertreibt er sich, abgesehen von seinem Hobby, hauptsächlich die Zeit damit, Genrefilme anzuschauen oder mit seinen Kumpels Glühwürmchen zu fangen.
Irgendwann scheint sich Greens Beharrlichkeit jedoch auszuzahlen, denn nach einer anschaulichen Präsentation seiner Künste engagiert man ihn, das traditionelle örtliche Spukhaus für Halloween mit seinen Kreationen auszustatten. Weitere Inspiration sowie gar das Gefühl von Geborgenheit schöpft er aus der aufkeimenden (erwiderten) Liebe zu Angevin Duvet (Laura Prepon), welche nach Negativerfahrungen als „Schauspielerin“ in ihre Heimatstadt zurückkehren musste, wo sie nun in der Videothek arbeitet. Während der 31.Oktober immer näher rückt, wächst derweil der Druck der überwiegend sehr gläubigen Gemeinde – hauptsächlich vertreten durch Angevins problematische Mutter, welche fest davon überzeugt ist, Greens Treiben und Einfluss wäre „satanisch“. Es scheint, als habe seine Arbeit eine Kettenreaktion im Ort ausgelöst, bei der die Schändung der Kirche mitsamt seiner anschließenden Verhaftung erst den Anfang darstellt – und eine Eskalation der Lage bei ihm zuhause keinesfalls das Ende…

Man merkt sofort, dass der Film von Regisseur Halls Herzblut förmlich getränkt ist, denn es ist offensichtlich, wie viel ihm das Erzählen dieser Geschichte bedeutet haben muss. Das Gefühl, dass es sich nicht um eine Routine-Auftragsarbeit handelt, erhält man bereits nach kurzer Zeit, auch wenn einem die Hintergrundgeschichte nicht bekannt ist. Sein Ansatz wirkt ehrlich – von den Motiven und Verhaltensweisen der Charaktere bis hin zur Darstellung der „white trash“-Umgebung mit all den skurrilen, aber doch bemitleidenswerten Bewohnern der Kleinstadt (vor allem Tony (Jonathan Spencer) und Billy (George Faughnan), zwei Kumpel von Green, die wohl keine Chance haben, je mehr als einen Mindestlohn-Job im örtlichen Hühner-Verarbeitungsbetrieb zu erreichen). Auch die religiöse Denkweise des amerikanischen „Bible Belts“ wird thematisiert und ist ein entscheidender Faktor der Handlung: Jay hat keine Freunde oder Begabung wie sein Bruder, seine Mutter ist ständig betrunken, vor Earl ist er nicht sicher – aus diesem Grund stellt die Kirche für ihn ein Ort der Flucht sowie Geborgenheit dar, denn dort befindet er sich in einer Gemeinschaft, welche ihn trägt und akzeptiert. Das Lebensgefühl aller Beteiligten wird authentisch präsentiert, wodurch sich die emotionale Bindung des Zuschauers zu Green erst recht festigt, schließlich ist er der klassische, gutherzige Underdog, der nur eine Chance benötigt, um sich mit Hilfe seines bislang unentfalteten Potentials endlich verwirklichen zu können. Der Spukhaus-Auftrag ist dabei für ihn der entscheidende Schritt, denn die Präsentation seiner Arbeit wäre von Vorteil für sein Portfolio, das Honorar genug für ein Busticket nach LA…

Ironischerweise zeichnet sich gerade Robert Hall aber auch für die Probleme von „Lightning Bug“ verantwortlich: Letztendlich wirkt der Film überfrachtet und verliert im Verlauf seinen Fokus. Der Anfang konzentriert sich auf Greens Leben (Hobby, Freunde, Familie) in der ländlichen Kleinstadt und kommt als starkes, melancholisches „Coming of Age“ Drama daher. Dann bekommt er ein konkretes Ziel geboten (das Spukhaus), über das er seinem übergeordneten Bestreben (Hollywood) näher kommen kann, doch das Drehbuch stellt ihm genau ab diesem Zeitpunkt eine derartige Menge an Hürden und Konflikte in den Weg (die Situation zuhause, die Sache mit der Kirche, Ms.Duvet, seine Verhaftung etc.), welche (nicht nur angesichts der Laufzeit) zu gebündelt und zudem fast oberflächlich abgehandelt wirken. Es scheint, als wollte Hall alle möglichen Erinnerungen und Ideen unbedingt verwenden – sie sind ja auch gar nicht mal schlecht, nur angesichts des subtilen ersten Drittels im Gesamtbild nicht ganz passend. Der ganze Subplot um Angevins Mutter ist zwar interessant, aber zu überzogen und ablenkend vom eigentlichen Ablauf. Einige kleine Logikpatzer fallen ebenfalls ins Auge: Als Green etwa den Wagen nicht bekommt, um zu einem Date mit Angevin zu fahren, die in der Videothek auf ihn wartet, muss er sie versetzen…warum hat er nicht einfach angerufen, abgesagt und es ihr erklärt? Es gibt noch einige ähnliche Momente, was schade ist. Als Regisseur hat Hall anständige Arbeit geleistet, vor allem durch sein gutes Auge für Stimmungen und Details, doch sein Skript verrät leider recht deutlich, dass es sich bei ihm um einen Anfänger auf jenem Gebiet handelt. Man merkt, dass er Genre-Liebhaber ist, denn neben dem „F/X“-Bezug inszenierte er mache Szenen in einer Art, wie man sie üblicherweise in „Slashern“ zu sehen bekommt. Dies mag zwar auch seinen Reiz haben, wirkt aber nicht ganz homogen mit dem Drama-Ansatz – was vor allem bei der brutalen Anfangsszene deutlich wird, die zwar eine Vorwegnahme des Endes darstellt, aber nicht nötig gewesen wäre sowie einen falschen Anfangseindruck erweckt. Der „Showdown“ ist dann auch wieder in dieser Form umgesetzt worden, was zwar interessant und gut rüberkommt, aber die Autenzität in Frage stellt (der Audiokommentar bestätigt, dass es sich bei diesem Teil um pure Fiktion handelt)…

Die Verantwortlichen haben mit der Besetzung der Charaktere, von denen dieser Film schließlich lebt, ganze Arbeit geleistet: Brett Harrison („Orange County“) macht seine Sache recht gut, obwohl er letztendlich bei mir keinen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen konnte – man nimmt ihm die Hingabe zu seiner Leidenschaft aber problemlos ab. Die Chemie zwischen ihm und Laura Prepon (TV´s „that 70s Show“), welche sich zudem als Mit-Produzentin verantwortlich zeichnet, stimmt aber. Ihr gelingt es, sexy und offen im Rahmen der Beziehung zu Green zu agieren, gleichzeitig aber doch abtastend und zurückhaltend vorzugehen, da die Erlebnisse ihrer Vergangenheit eindeutig seelische Narben hinterlassen haben. Die Rolle von Shannon Eubanks („the Patriot“) als tief religiöse Mutter mit einigen psychischen Problemen (sie trägt etwa ein Kissen mit einem aufgemalten Gesicht als Erinnerung an ihren verstorbenen Mann mit sich herum) ist in meinen Augen etwas zu „over the top“ angelegt worden, was nicht ganz zu dem ansonsten ernsten Kontext passt, da die eigentliche Tragik ihrer Figur leider nur in einer Szene wirklich deutlich wird. Die erstaunlichste Tatsache ist jedoch, dass die herausragendsten Leistungen aus zwei reinen Klischee-Parts hervorgehen: Kevin Gage („Strangeland“) spielt den gewalttätigen, trinkenden Stiefvater bedrohlich und ungemein effektiv, während Ashley Laurence („Hellraiser“) die mit Abstand beste Performance ihrer Karriere abliefert! Jenny liebt ihre Kinder über alles, schafft es aber nicht, ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen, ist an einen Mann wie Earl geraten, der sie schlägt, ihnen aber wenigstens das Geld für ein halbwegs annehmbares Leben bietet, und flüchtet sich daher ebenfalls in den Alkohol. Natürlich sind diese beiden Rollen oberflächlich ausgefallen (sie ähneln zudem jenen in „8 Mile“), doch Gage und Laurence füllen sie überzeugend aus und lassen sie dadurch glaubwürdig funktionieren.

Es sind gerade die Szenen mit Ashley Laurence, die im Gedächtnis bleiben: Sei es ihr Verhältnis zu Green (zwar problematisch, aber trotzdem liebevoll und voller Stolz) oder ihre Bemühungen, den Kindern etwas bieten zu können – und das alles angesichts ihrer Lage. Es gibt eine Szene gegen Ende, als sie sich einen zerschlagenen Zahn hat richten lassen und mit neu gekauften Schuhen voller Hoffnung auf einen neuen Job blickt, welche einem förmlich das Herz zerreißt – derart intensiv ist sie, vor allem angesichts der Tatsache, dass man diese verdammte Sequenz ganz am Anfang bereits kennt und das Kommende erahnen kann! Als diese dann abläuft, wird man gefühlsmäßig erst recht zu Boden gedrückt. Der bereits erwähnte „Showdown“ soll den Zuschauer schließlich wohl aus diesem Loch wieder heraushelfen, doch selbst im Rahmen des Filmausgangs, der sich anhand von Halls Werdegang zumindest für Green in etwa ausmalen lässt, wird man noch mit einer wirklich überraschenden Entscheidung konfrontiert, die ihrerseits selbst dann eine positive Gefühlsnote verhindert.

„The most frightening monsters are all around us“ heißt es auf dem Cover, und die Tatsache, dass es Menschen wie Earl wirklich dort draußen gibt, beweist diese Aussage eindrucksvoll und kann einem deutlich mehr Angst einjagen, als jedes Monster-Geschöpf Hollywoods…

Fazit: „Lightning Bug“ ist ein interessantes, düsteres, intensiv gespieltes „Coming of Age“ Independent-Drama, das leider an dem Ehrgeiz krankt, möglichst viel in seinen 97 Minuten unterbringen zu wollen, wodurch es am Ende überfrachtet wirkt und in meinen Augen „nur“ noch für „7 von 10“ reicht.

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