Eines muss man Ang Lee lassen: Er ist verdammt konsequent. Wenn er etwas in Angriff nimmt, dann richtig. Und wenn er ein Comic verfilmen soll, dann tut er genau das. Wie keine andere Comic-Verfilmung vorher bedient sich Lee der typischen Stilelemente der Vorlage und schildert die spannende Story, wie der Hulk zum Superhelden wurde.
Es geht ja bekanntlich um den jungen Biotech-Wissenschaftler Bruce, der durch die Selbstexperimente seines Vaters genetische Veränderungen davongetragen hat und durch einen Laborunfall eine Reaktion aktiviert hat, die ihn bei Wutanfällen zum Hulk macht. Selbstverständlich gibt es genug Einflusskräfte, darunter die Regierung und sein Vater, die ihn und seine Fähigkeit ausnutzen wollen, und es gibt da auch noch eine Frau, in die er sich verliebt hat. Es sind im Grunde also die üblichen Elemente einer Superheldengeschichte, der mythologische Kampf, die Liebe, der seelische Zwiespalt des Helden. Das hatten wir in letzter Zeit schon zuhauf.
Aber wo sich jene anderen Comic-Filmchen immer schwammig irgendwo zwischen Imitation und Interpretation der Vorlage bewegten, inkonsequent einige Stilelemente des Stoffes aufgriffen und zu einer uninteressanten Effekt-Fassade zusammenwurschtelten, da geht Ang Lee zielgerichteter vor. Detailverliebt und werkgetreu versucht er das Comic im wahrsten Sinne auf die Leinwand zu übersetzen. Er spart nicht an der falschen Stelle und lässt etwas Action zugunsten einer tiefergehenden Charakterbeschreibung weg, sodass der Held und seine Widersacher und Mitstreiter etwas Farbe bekommen. Selbst solch symbolische Szenen, wie der geistige Konflikt mit seinem Vater zum Finale, werden sehr stilecht dargestellt und in den Mittelpunkt vor der Action gerückt. Diese darf aber auch nicht fehlen. Die Effekte und Actionszenen glänzen wegen guter, neuerer Ideen (nicht immer nur diese dunklen nachtaktiven Hampelmänner, die sich ständig Martial-Arts-mäßig kloppen, oder diese elementarmagie-begabten Mutanten, oder ähnliches); sie machen einen brachialeren, surrealeren Eindruck, als man gewohnt ist, wirken aber nie lächerlich. Die Sequenzen etwa, wo Hulk gegen die Militärhubschrauber kämpft, sind wirklich genial gelungen. Dazu kommt der konsequent durchgehaltene und bisher noch nie so weitgehende Comicstil im ästhetischen Sinn. Lee scheint sich geradezu verliebt zu haben in comicartige Überblendungen oder Parallelmontagen von mehreren Einstellungen durch schwarze/weiße Trennlinien, wie in Comics üblich. Ohne den Zuschauer damit zu nerven, zieht er das voll durch, sodass in besonders dramatischen Szenen, wo es viel wahrzunehmen gibt, die Bildkästen richtig durch die Leinwand fliegen und zoomen, aber in anderen Szenen dieser Stil auch mal zurückgeschraubt wird. Poppig bunte Farbgestaltung (z.B. im unterirdischen Militärbunker) und ebenso typische Kameraeinstellungen, wie z.B. die charakteristischen reißerischen Gesichts-Detailaufnahmen, zeigen, dass Ang Lee sich wirklich Gedanken gemacht hat, wie man die Dynamik der Comic-Zeichnungen auf Film umsetzen kann, und die starren, aber doch sehr lebhaften Bilder in Bewegung setzt.
Es war also wirklich mal nicht schlecht, dass so jemand Unerwartetes auf dem Regiestuhl zu einer Comic-Verfilmung Platz genommen hat, denn Lee ist einer der Menschen, die das klassische Erzählkino noch beherrschen. So wurde aus Hulk kein neues hohles Effektspektakel, sondern eine lebhafte, spannende Fantasiegeschichte, die man nun wirklich als Comicverfilmung bezeichnen kann, wie keinen anderen Film vorher (In diesem Sinne ist Hulk sogar ein fast revolutionäres Experiment). Deswegen ist es auch gut, dass man sich auf den storylastigeren Anfang der Comicreihe beschränkt hat, wie sich Hulk erst zum Helden entwickelt. Was danach kommen würde, und warscheinlich durch einige Fortsetzungen auch wird, ist eigentlich nur Masche. 8/10.