Review
von Leimbacher-Mario
Trügerischer Kneipenklüngel
Daniel Brühl ist einer der berühmtesten und besten Schauspieler, die Deutschland in den letzten 30 Jahren hervorgebracht hat. Und das nicht nur hier in der Heimat, sondern auch international gesprochen mit seinem Durchbruch in Hollywoodhits wie „Rush“ oder sogar dem MCU. Und dabei ist er noch recht jung, gefühlt dauerfreundlich und auf dem Boden geblieben, immer noch mit Potenzial in alle Richtungen, fast zu cool um wahr zu sein, der Typ. Und genau auf solche Punkte schielt, zielt und schießt er nun mit seinem Regieerstling und erweiterten Kammerspiel „Nebenan“, in dem er sich mehr oder weniger selbst spielt, kurz vor dem Flug nach London für ein riesiges Hollywoodcasting eines Superheldenfranchise steht (!), dann jedoch in einer urigen Berliner Eckkneipe versackt und auf seinen frechen Nachbarn mit Stasi-Vergangenheit trifft…
„Nebenan“ ist ein kleiner, feiner Kneipencocktail mit Sprengkraft, viel Metahumor, etlichen gesellschaftlichen und klassentechnischen Themen, 'ner Menge Augenzwinkern und grandios aufgelegten Darstellern. Mit Timing, mit süßen Details, mit Spannung und geschliffensten Dialogen. Mit einem Duell Brühl vs. Kurth für die Annalen. Mit Streit, mit Männern, mit Lügen, mit Hass, mit Grautönen, mit Wahrheiten, mit Vorurteilen. Mit (leider oft nur) angeschnittenen Themen und streitbaren Thesen. Bis einer weint. Von Promis und Spitzeln, von Arroganz und Neid, von Fans und Hatern Kurz gesagt: ein teils sagenhaftes Debüt für Brühl auf dem Regiestuhl. Da gibt es nichts. 90 Minuten, die vergehen wie im Flug und unterhalten wie die Hölle. Wie eine Mischung aus „Das Leben der Anderen“, „Gott des Gemetzels“ und „Der Goldene Handschuh“. Deutsches, unverschnörkeltes Kino von internationalem Format. Und damit auf Augenhöhe mit seinem Star und Director. Verspricht viel. Kein Blendwerk.
Fazit: Daniel Brühls augenzwinkerndes und doch hinter der leichteren Fassade erstaunlich ernstzunehmendes Regiedebüt lässt aufhorchen und ist die perfekte Fingerübung für (noch) Größeres. Ein klasse Kammerspiel. Selbstbewusst und locker zugleich. Das Reden des Anderen.