iHaveCNit: Je Suis Karl (2021) – Christian Schwochow – Pandora Film
Deutscher Kinostart: 16.09.2021
gesehen am 08.09.2021 in der Spotlight-Arthouse-Sneak der Arthouse-Kinos Frankfurt
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie - Parkett – Reihe 9 Platz 3 – 21:00 Uhr
gesehen am 16.09.2021
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kinosaal 11 – Reihe 16 Platz 15 – 20:15 Uhr
Kommen wir zu einem Film, den ich bereits im Rahmen der „Spotlight-Sneak“ der Arthouse Kinos Frankfurt gesehen habe und der auch in meinem regulären Kinokalender geplant war, nachdem mich sowohl der Trailer als auch Kinowerbeflyer und Aufsteller angesprochen hat. „Je Suis Karl“ ist aktuell für 4 Preise beim „Deutschen Filmpreis“ nominiert und war auch einer der Kandidaten, die Deutschland hätte einreichen können für die Kategorie „Best International Feature Film“ bei der nächsten Oscarverleihung, bevor man sich aktuell für Maria Schraders „Ich bin dein Mensch“ entschieden hat. Beide Filme sind großartig, nach aktuellem Stand ist jedoch „Je Suis Karl“ für mich der beste deutsche Film, den ich 2021 im Kino gesehen habe, da er durchaus ein wichtiges brisantes und aktuelles Thema auf interessante und provokative Art und Weise auf die Leinwand bringt.
Ein Bombenanschlag in Berlin reißt das Leben von Maxi und Alex aus den Fugen, weil die Mutter und Frau Ines als auch die Brüder/Söhne Hans und Franz damit aus dem Leben gerissen wird. In aller Wut und Trauer entfremden sich Tochter und Vater immer weiter voneinander. Auf der Suche nach Halt trifft Maxi auf den charismatischen Karl, der ihr nahelegt eine kommende Veranstaltung einer Gruppierung in Prag zu besuchen, bei der auch er vor Ort sein wird. Dort angekommen findet sie den Halt, eine Familie, ein Zuhause und die Liebe, die sie in ihrer Trauer so dringend benötigt – ohne erahnen zu können, was es mit dieser Gruppierung und Karl auf sich hat.
Der Film ist eine elektrisierende, spannende und in seinen Bann ziehende Mischung aus Familiendrama, Liebesgeschichte und auch Extremismusthriller, der mich sowohl bei der ersten, als auch der zweiten Sichtung begeistern konnte. Das liegt an Christian Schwochows moderner Inszenierung, der Filmmusik, die bei der Auswahl und Kreation der extra für den Film geschaffenen Songs in den passenden Situationen eingespielt wird und mit seinen Melodien und den Texten die Handlung perfekt unterfüttert. Und das liegt an den Schauspielern – allen voran an Luna Wedler, die hier die junge Maxi spielt und Jannis Niewöhners Karl. Natürlich lassen sich ein paar schmissige, moderne Oneliner und Plattitüden in den Dialogen nicht vermeiden, aber das ist für mich kein großes Problem gewesen. Das Thema des Films ist brisant, aktuell und natürlich sehr wichtig. In diesem Film setzt sich Christian Schwochow und der Drehbuchautor Thomas Wendrich mit dem Auftreten der neuen Rechten in Europa auseinander und wie sie mit modernen Mitteln des Internets, der sozialen Netzwerke und Events ihre Mitglieder erweitert und sogar einen Einfluss auf aktuelle politische Entscheidungen nehmen könnte – und eine große Bedrohung sein könnte. Natürlich ist der Plot in seiner Konstruktion an der ein oder anderen Stelle zu forciert konstruiert. Bei all dem wie der Film dies darstellt setzt man sich als Zuschauer einer direkten Selbstreflexion aus, die auch lange nach dem Film nachhallen kann. Dabei stellen sich Fragen, wie empfänglich man selbst für die Ideologien ist, aus welchem Blickwinkel man Nachrichten über Attentate betrachtet und in Folge von Manipulation, Propaganda, Verführung hinterfragt, was richtig und falsch ist. Und selbstverständlich zeigt der Film auf, mit welchen Mitteln unsere Gesellschaft gesamt aus ihren Fugen gerissen wird und sich Geschichte wiederholen könnte.
„Je Suis Karl“ - My Second Look – 9/10 Punkte.