Review

Suspiria, dieser Film ist untrennbar mit Dario Argento verbunden, da er für viele das Meisterwerk des italienischen Regisseurs darstellt.
Bei Argento gibt ja fast nur schwarz/weiss - Sprich man liebt seine Filme oder kann gar nichts damit anfangen. Ich zähle mich zur Kategorie der Liebhaber seiner Filme, wenn auch der Gute in den letzten Jahren stark nachgelassen und seinen Kritikern damit eine gute Portion Öl für deren Feuer geliefert hat (ein ähnliches Schicksal erleidete auch der US-Horromeister John Carpenter mit fortschreitendem Alter).
Doch zurück zu Suspiria und dessen Inhalt:
Suzy Bannion landet mit dem Flieger in Freiburg, um die dort ansässige und hochgeschätze Tanzschule zu besuchen und um dort zu studieren. Gleich zu Beginn flieht eine Schülerin in Panik aus eben dieser Schule und wird später in einem Hotel bestialisch ermordet.
Fortan hat Suzy ein mulmiges Gefühl bezüglich der Schule. Nachdem auch ihre neue Freundin Sara verschwindet, beginnt Suzy Nachforschungen anzustellen und kommt einer alten Hexe, der Mutter der Seufzer (Mater Suspiriorum) auf die Spur...
Ich bin Baujahr 1976, daher konnte ich den Film nicht zu seinem Release 1977 sehen. Ich muss gestehen, das ich diese Kleinod erst in Zeiten der DVD entdeckte, dafür wirkte der Film umso nachhaltiger, als ich ihn das erste Mal sah. Argento liefert hier einen astreinen, audiovisuellen Rausch erster Güte ab. Viele schimpfen ja, das in Argentos Filmen kaum eine Story vorhanden wäre, aber die Geschichte der drei Hexenmütter, die hier leider noch nicht vertieft wird, fand ich doch recht anständig.
Argento hat sich in Supsiria so richtig ausgelassen. Skurille Personen, verrückte Kamerawinkel und seine berühmten und exzellenten Kamerafahrten sind hier massig und qualitativ vertreten. Die Farbgestaltung die Argento hier auffährt, lässt den Film wie einen Traum oder auch ein Märchen erscheinen. Er hatte spezielles Filmmaterial, das nicht mehr erhältlich war aufgekauft, um diesen Effekt zu realisieren. Sobald Suzy das Flughafengebäude verlässt, beginnt ein Strudel aus Farbenrausch und Albtraum. Die rar gesäten Tageslicht-Szenen dienen wohl eher der Auflockerung, da der Rest des Films hauptsächlich Nachts und in der Tanzschule spielt und ständig an den gereizten Nerven des Zuschauer kratzt, der sich fragt, was als Nächstes passieren wird. Argentos Point of View Shots ziehen  den Zuschauer hilflos in den Bann, wenn das Böse zuschlägt. Und das geschieht recht schnell:
Die geflohene Tanzschülerin wird kurz nach Beginn in ihrer Hotelunterkunft bestialisch ermordet. Argento fährt hier schon so ziemlich alles auf, was er in der Trickkiste hat. Hier erkennt man auch, warum man ihn oft als "Künstler des Todes" bezeichnet. Wie er hier wirklich kunstvoll gleich einen Doppelmord inszeniert, ist unglaublich. Gewaltspitzen und Morde sind relativ rar gesät, dafür umso nachaltiger und absolut beängstigend umgesetzt.
Alleine die Szene, wenn sich Sara vor ihrem Verfolger auf dem Dachboden vesteckt und dieser mit einer Rasierklinge versucht, den Türriegel hochzuschieben, ist an Spannung kaum zu überbieten. Dazu dann noch der Tod von Sara in den Metallschlingen, das ist Argento pur.
Leider haben sich auch ein paar Stolpersteine eingeschlichen, die dem Film zwar nicht groß schaden, aber doch ein wenig unnötig waren. Da wäre der recht "cheesige" Angriff der mechanischen Fledermaus oder auch die abrupten Schnitte, die den vorangegegangenen Spannungsaufbau, inkl. abwürgen der Musik, zunichte machen.
Ach ja, der Soundtrack! Nachdem Argento ja schon in Profondo Rosso mit der Band Goblin zusammengearbeitet hat, hat er hier wieder auf diese zurückgegriffen. Und die haben einen experimentellen, aber absolut passenden Soundtrack abgeliefert. Ich gehe sogar soweit zu behaupten, das dies ihr bestes Werk ist. Die Musik schwankt zu den Szene perfekt, von mystisch bis nervenzerreissend.
Ein weitere Darsteller ist die Tanzschule selber. Diese ist dem "Haus zum Walfisch" aus Freiburg nachempfunden und bietet eine grandiose Kulisse als Hexenstandort. Die Architektur, die Gänge und Zimmer, im Zusammenspiel mit Argentos Farbpalette, erschaffen eine wahnsinnige Atmosphäre, die einen gruseln lassen. Dazu gesellen sich die Schauspieler:
Allen voran Jessica Harper, die die Suzy Bannion wunderbar zerbrechlich verkörpert und weitere bekannte wie unbekannte Darsteller, die sehr gut in die Szenerie passen. Es gibt ja auch das Gerücht, das Argento für die Tanzschüler Kinder haben wollte, was wohl aber nicht durchgesetzt werden konnte (ein Hinweis darauf könnten die Türgriffe in der Schule sein, die so hoch sind, das die Akteure von der Größe her wie Kinder erscheinen, allen voran Jessica Harper mit ihrem kindlichen Gesicht).
Suspiria ist ein vollkommener Schocker, ein Film der den Begriff Horror und Grusel einmal wirklich verdient hat. Dieses Werk alleine zu Hause im Dunkeln, ist schon fast eine (positive) Qual. Im Finale dreht der Film dann nochmals kräftig an der Spannungsschraube, wenn Suzy auf die Mutter der Seufzer und ihre wiederauferstandene, entstellte Freundin Sara trifft.
Dazu bietet der Film sogar Interpretationsspielraum. Seit Jahren rätseln viele Fans, ob Suzy nicht vielleicht selber eine Hexe ist (Indizien sind, als sie im Taxi zur Tanzschule fährt, fällt z.B. das Wort "Witch", die Mutter der Seufzer sagt ihr, das sie schon lange auf Suzy gewartet hat und als Suzy am Schluß aus der brennenden Tanzschule heraus läuft, lacht sie abgeklärt vor sich hin)...
Die andere Seite ist, ich kann allerdings auch ganz gut verstehen, wenn jemand nichts mit dem Film anfangen kann und diesen vielleicht sogar langweilig findet. Man braucht schon einen gewissen Zugang zu diesem Werk, bzw. Argento selbst, sonst klappt das nicht und man hat nur einen mittelmäßigen Horrorstreifen gesehen. Wer sich aber von den Film in seinen Bann ziehen lassen kann, bekommt hier einen grandiosen Schocker mit Gruselfaktor hoch zehn.
Argento hat hier sein Meisterwerk abgeliefert! Ein audiovisueller Trip, der die Story dafür etwas zurückstellt. Argento setzt seine Gewaltspitzen gekonnt und unheimlich blutig ein, übertreibt es aber nicht und liefert hier statt Quantität Qualität ab.
Suspiria ist ein Film der die Bezeichnung Horror mehr als verdient hat, Spannung ohne Ende bietet und zwar nicht mit plumpen Effekten oder erschreckend lauten und plötzlich einsetzenden Soundeffekten. Das hat Suspiria auch nicht nötig. Horrorfans sollten unbedingt einen Blick riskieren, denn wenn man irgendwie einen Zugang zu Suspiria hat, wäre es schade dieses Kleinod verpasst zu haben. Daher eine runde Höchstwertung für, in meinen Augen, einen der besten Genrebeiträgen.

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