Review

-21 Gramm-

Wie viel Leben steckt in uns allen? Wann wird uns einmal der Lebenswille, die Lust am Leben, verlassen? Das Schicksal eines jeden Individuums ist einzigartig, genauso wie ihre Geschichten. Was ist deine Geschichte?

'Ich kannte mal einen Jungen, dessen Leben durch vielerlei Schmerz und Schwäche gekennzeichnet war. Doch im Laufe der Jahre verlor das Gewicht seiner Seele an Gewicht. Früher als Kind erschufen die Eltern ein Abbild ihres gleichen. Sie kennzeichneten das Kind. In der Kindheit prägte sich diese Kennzeichnung dehnbar aus. Durch seine oft unerträglichen Erlebnisse, ist er heute das, was er ist. Nichts weiter als ein Produkt seiner Eltern, ein Produkt der Erziehung, gekennzeichnet, durch Schmerz und das gestörte Verhältnis seiner Eltern. Geliebt haben sie sich nicht. Früher einmal, da waren sie glücklich, aber irgendwann war auch diese Liebe erloschen. Das Kind bekam natürlich alles mit und gewöhnte sich an den jahrelangen Umgang der Eltern, denn Hass, die Wut, die Unzufriedenheit und damit, dass er nicht so glücklich sein konnte, wie all die anderen Kinder da draußen.'

Paul's Figur ist in den Anfängen von ''21 Gramm'' noch glücklich , er liebt seine Frau, kann Essen und Trinken noch verschwenderisch genießen und führt ein gutes und vorallem stabiles Leben. Das Leben eines glücklichen Mannes. Das Leben eines Mannes, dem noch ein langes und glückliches Leben vergönnt sein sollte.

Christina's Figur ist ebenfalls glücklich, hat eine liebevolle, eine glückliche Familie und lebensfrohe Kinder. Sie hat einen liebevollen Ehemann und eine glückliche Ehe. Die Tragweite der schicksalhaften Zukunft noch im dunkeln, verborgen in einem Schatten, der sich ähnlich einem Puzzle zusammenfügen soll.

Einzig und allein Jack's Figur ist von Anfang an von einer schmerzhaften und zwiegespaltenen Vergangenheit geprägt. Er hat zwar zu Gott gefunden, bereut seine Fehler und möchte für seine Sünden büßen, aber verstecken kann er seine Vergangenheit nicht. In seinem Gesicht und seinen Armen stehen die Fehler geschrieben, die er begangen hat. Er hat dennoch eine Frau und Kinder, eine glückliche Familie, der man das Leid bereits jetzt ansehen kann, die Zukunft aber dennoch vielversprechend und voller Besserung scheint.

'Es gab freilich auch schöne, friedvolle Zeiten. Mit seinen Geschwistern oder in den Zeiten, die er weit weg bei seiner Oma und seinem Opa verbringen durfte. War ihre Weisheit, ihre Wissbegierigkeit und ihre innere Ruhe, in Relation zum eigenen innerem Befinden, ein hilfreicher und herzhafter Ausgleich, der ihm über manches hinweg half. Es erzeugte eine innere Ruhe und Zufriedenheit in ihm. Die Zeit mit seinen Geschwistern, seiner Mutter und seiner Oma und seinem Opa, waren manchmal alles, was er hatte. Aber wenn es dann wieder nach Hause ging, erloschen diese schönen Momente ... aber nicht ganz. Die Erinnerung verschwindet nie. Und immerhin war seine Familie, seine Geschwister und seine Mutter anerkennend, eine Gute. Seine Mutter war immer liebevoll und hat sich gekümmert. Aber auch die Liebe des Vaters, ist für eine junge Seele wichtig.'

Das Konstrukt der Geschichte ist phasenweise und gelungen aufgeteilt, nie zu lang oder zu kurz, immer genug, um die Figuren analysieren zu können und genug Zeit für die Schauspieler ihre Darstellung zu festigen. Die Handlung wird zwar phasenweise erzählt, aber eigentlich wird dennoch die richtige Reihenfolge der Ereignisse eingehalten. Zukunft und Vergangenheit wechseln sich jedoch gekonnt ab und beleuchten die Figuren, ihr Handeln und ihr Auftreten. So ergibt sich dennoch eine geradlinige Abfolge, in der alle Figuren zueinander finden.

Die Farben bleiben dabei immer sehr trüb, der Erzählung angemessen, die Musik gerade so präsent, dass sie traumatische Knackpunkte der Erzählung und Szenen, die zu Tränen rühren werden, einleiten kann.

'Was tut man, was kann man tun und wie kann man es tun? Wie kann man seinen Vater stolz machen? Er soll große Stücke auf mich halten. Dass ist es, was seinen Charakter formt. Die Zustimmung seiner Mutter hat ihm gereicht, der Verlust seitens des Vaters dennoch immer geschmerzt. Irgendwann dachte der Junge, ich zieh mein Ding durch, egal wer oder was ,etwas von mir hält.'

Wendungen gehören zu den Symbolen des Lebens. So schickt uns das Leben oft eine klare Botschaft. Sie stehen für Vorsehung , Veränderung und Kreislauf des Lebens. Eine Wendung soll auch Paul's Figur erfahren. Herzversagen und damit die Verabschiedung von seinen Träumen, gewissermaßen auch von allem, was er geliebt hat. Wasser schmeckt plötzlich ganz anders, das Essen ist intensiver. Aber ein Spenderherz kann ihn noch retten. Das Abwarten, das Bangen und hoffen, nicht vorstellbar. Christinas Mann ist mit den Kindern unterwegs, Jack verwickelt sie in einen Unfall auf offener Straße und alles, für das Christina ihr Leben investiert hat, ist in Sekunden verloren. Ein Schicksal, dass nur das Leben selbst schreiben kann. Was macht das Schicksal mit uns? Was machen Wendungen aus uns?

'Aber was ist, wenn ich euch sage, dass er auch seine Mutter verlor ... nicht ganz, aber sie verließ die Familie. Es ging nicht anders und das wusste er genau. Das Verhältnis der Ehe war schon Jahre davor untragbar geworden. Und der Vater hatte eine neue gefunden. Was bleibt dem Jungen übrig? Er fand sich damit ab, auch wenn das fortan heißen sollte, dass er bei seinem Vater bleiben muss, denn all seine Freunde will er nicht zurücklassen. Er hat, zusammen mit seine Geschwistern, immernoch ein liebevolles und verständnisvolles Verhältnis zu seiner Mutter und ist heute immerhin auch etwas glücklich, auch wenn die Vergangenheit trotzdem immer hinter ihm stehen wird. Sie wird ihm immer über die Schultern gucken, an ihm zweifeln. Es ist an ihm die Vergangheit nicht bestimmen zu lassen, was mit ihm passiert.'

"Als Deine Mutter starb, dachte ich, ich könnte gar nicht weiterleben. Ich hatte das Gefühl, die Welt erdrückt mich und ich könnte mich nie von dieser Last befreien. Aber Schätzchen, das Leben geht weiter." - "Oh, nein. Nein, das ist nicht wahr. Das Leben geht nicht einfach weiter."

Bei dem Thema Vergangenheit und wie schwer es ist, sie einfach zu begraben, sieht man im Charakter des Jack. Er erkennt seine Fehler, er ist kein schlechter Mensch und letzlich erfahren wir nicht genug über seine Vergangheit. Aber egal, was er getan hat, er bereut es zutiefst, was es einem schwer macht ihn gänzlich zu hassen. Was es einem schwer macht zu sehen, wie sich das Verlangen nach Rache bei Christina und Paul schürt.

Ob man ihm seine Fehler vergibt, liegt an uns. Inarritu lädt uns bei allem dazu ein, eine eigene Meinung zu entwickeln. Er setzt uns zwar das grausamste Drama des Lebens vor, diktiert uns aber nicht, wie wir etwas bewerten müssen. Im Gegenteil. Abschließend ergibt sich eine Mischung aus Verzweiflung und Selbsthass bei Christina und gleichzeitig auch eine neue Liebe, mit dem Mann, der das Herz ihres Mannes bekommen hat, und Paul so das Leben rettete. Und Verzweiflung bei Jack. Dieses Drama ist das Leben selbst.

"Wie viele Leben leben wir? Wie viele Tode sterben wir? Es heißt, wir alle verlieren 21 Gramm genau in dem Moment, in dem der Tod eintritt. Jeder von uns. Wie viel sind... 21 Gramm? Wieviel geht verloren? Wann verlieren wir 21 Gramm? Wieviel von uns ist verloren? Wieviel ist gewonnen? Wieviel ist gewonnen? 21 Gramm. Das Gewicht von fünf 5-Cent Münzen. Das Gewicht eines Kolibris. Eines Schokoriegels. Wie viel wiegen 21 Gramm?"

Sean Penn auf der Suche nach der Wahrheit und dem Sinn des Lebens und derjenigen, dessen Mann ihm das Leben gerettet hat.

'Aber nicht alles daran war schlecht. Es hat ihn umso schneller erwachsen gemacht. Schneller, als er je wollte und schneller als ihm lieb war. Er wäre lieber noch etwas länger kindisch und offen gewesen statt auf viele Fragen des Lebens so früh schon die Antworten kennen zu lernen. Geblieben sind ihm auch große Verlustängste, die er auf andere überträgt, er ist schüchtern und kann sich im Schreiben besser ausdrücken als im Sprechen.'

"Wer die Wahrheit sucht und sie auch findet, der wird irgendwann dafür bestraft."

Wie die kleine Geschichte des Jungen, steckt dieses Drama voller Wahrheit, Schicksal und Wendung. Und damit gehört dieser Film zu den besten, die ich kenne. Dieser Film geht ins Mark und nimmt sich weiterhin auch philosophischer Themen an, auch wenn sie nur kurz angeschnitten und benannt werden. Was diese Themen bei uns hinterlassen, ist unterschiedlich. Bei mir löste es ein enormes Interesse aus. Emotionen, wahre Gefühle, Philosophie, Tragik und Schicksal. Alles Worte, die diesen Film wundervoll umschreiben.

Wie viel Leben steckt in uns allen? Wann wird uns der Lebenswille, die Lust am Leben, verlassen? Das Schicksal eines jeden Individuums ist einzigartig, genauso wie jede ihrer Geschichten. Was ist deine Geschichte? Wie rein ist deine Seele?

"Wie oft leben wir, wie oft sterben wir?"

Details
Ähnliche Filme