Verzeihen Sie - jedoch ich kann nicht anders, ich muss hier so pathetisch beginnen. Denn nur noch vage erinnere ich mich der Zeiten, als das Hongkong-Kino - vor allem diese Romanzen von Melancholie und Gewalt, diese kinetische Expressivität (David Bordwell), mich in so übertriebene Begeisterung versetzte, dass in diesen Jahren zu Beginn der vergangenen Dekade sich irgendwie meine Gegenwart entschied. Nun mag das durchaus am verteufelten Altern liegen, aber ab und an, so eher selten, passiert es ja noch, dass die Begeisterung sich dauerhafter zündet als nur für eine kurz auflodernde Reminiszenz der guten alten Zeiten. Aber, ich verstehe, Sie haben hier nicht bezahlt, um sich meinen Blues anzuhören. Deshalb kurz: The Twins Effect zählt ganz sicher nicht zu diesen Ausnahmen. Ich gehe sogar so weit: der Box Office Hit des letzten Hongkonger Kinosommers segelt mit hochglanzpolierten Fledermausflügeln auf einen weiteren Gipfel der Belanglosigkeit.
The Twins Effect
- Tag zur ew’gen Nacht gemacht
Der Titel auf den allgegenwärtig und großflächig plakatierten Postern ließ kaum Zweifel - The Twins Effect musste natürlich vornehmlich als ein Vehikel für Charlene und Gillian, das Popduo Twins also, funktionieren. Die Beiden waren das zentrale Element des Artworks, am Rande immerhin noch Anthony Wong, Ekin Cheng und Josie Ho; Schriftzeichen und der Mond im Bildhintergrund koloriert mit Gothic Light (light wie in reduziert) - nun, das sind nicht zwangsläufig Elemente, die gegen kurzweilige Real-Comic-Randale sprechen. Zudem suggerierte das Rating - Kategorie IIB - dass auf die Sensibilitäten der generell doch sehr jungen Fans der Twins nicht all zu viel Rücksicht genommen wurde. Aber zu was taugen Erwartung - richtig, einzig dafür, sie sich nehmen zu lassen. The Twins Effekt gelang das so mühelos, auf die dümmlichste, langweiligste und gleichsam dreisteste Art und Weise, die man sich vorstellen kann. Um ehrlich zu sein, es kostet mich einiges an Überwindung, dieses knapp zweistündige Martyrium für diese Rezension noch einmal zu rekapitulieren. Stehen wir es gemeinsam durch!?
Donnie Yen hat dem Film als Action- und Co-Regisseur deutlich seinen Stempel aufgedrückt. Es ist müßig zu analysieren, ob sich nun ihm oder doch Dante Lam die Hauptschuld für dieses unterirdische Machwerk in die Schuhe schieben lässt. Jedoch mag eine Inkompatibilität der Visionen durchaus eine Ursache dafür sein, dass The Twins Effekt nun so verfahren, zusammengestückelt, so ganz und gar undramatisch ... vorbei geht (zäh, aber irgendwann dann doch).
Wie auch immer, diesen Eindruck bekommt man erst nach der routinierten, ca. zehnminütigen Ouvertüre. Wenn man sich wirklich anstrengt kann man hier noch die postulierte Idee erkennen, sich an neuen Maßstäben im Actionbereich versuchen zu wollen. Vor allem aber begegnen sich hier der Vampirjäger Reeves (Ekin Cheng) und der Vampir The Duke (Mickey Hardt) in Choreographiemustern, die man mit geschlossenen Augen, nur anhand der Geräusche als Donnie Yens Handwerk erkennen könnte. Als Novation mag jedoch die in den Vordergrund gezogene Soundtrackspur durchgehen, entlang der sich die Opponenten ordentlich hauen und einfach mal kein Geräusch über ihre Lippen kommt. Ja, so weit in der Sackgasse sind wir also schon. Aber immerhin, auf diesem Level geht das völlig okay. Am Ende dieses Anfangs ist dann Reeves Partnerin (Josie Ho) tot, irgendwie, man weiß nicht warum. Reeves schwört aus dem Off sich nie wieder in eine Partnerin zu verlieben - schon klar, dass sich hieraus ein Handlungsstrang entwickeln wird.
Nicht zwingend origineller ist die schicksalshafte Neuerung, dass die Vampirjäger das Blut von Vampiren trinken müssen, um deren überlegener Physis gewachsen zu sein. Der Haken, der nachfolgend über alle Maßen und mit lächerlicher Mimik strapaziert wird, ist jedoch, dass es nach spätestens anderthalb Stunden der Einnahme eines Gegenmittels bedarf, will der Vampirjäger sich nicht selbst in einen Vampir verwandeln. Wahrlich, ein ganz schreckliches Los, denn Hüpfen war Gestern. Es ist ja nach seiner Arbeit mit Guillermo del Toro irgendwo naheliegend anzunehmen, die neuen Vampire seien vor allem Donnie Yen zu Kopf gestiegen ... - in jedem Fall: Heuer begegnet uns die Brut auch in Hongkong als hungrig geifernde Meute zwischen Buffy, Vampires und den Reapern in Blade 2 - die Referenz auf letztere nicht wegen des herrlich ekelhaften Make-ups sondern wegen des unartikulierten, beinahe mechanischen Triebs. Strohdoofe Kuttenträger, eben.
Erheblich distinguiert erweist sich selbstverständlich die Royal Fam der globalen Vampirnation, deren Spross Kazaf (Edison Chen) gerade - hach, famoses Update - eine Kirche in Hongkong bezieht. Kazaf schiebt den Melancholischen, trinkt sein Blut aus Weingläsern und weigert sich selbst an der Grenze zum Austrocknen, Blut von Menschen zu saugen. Als wäre diese menschelnde Prädisposition nicht bereits ärgerlich genug, setzt Edison Chen in der Adaption dieses Charakters auch noch sein ganzes fehlendes Talent dafür ein, Ekin Cheng wie einen wirklichen Schauspieler wirken zu lassen und schleift doch gleichzeitig den ihn mütterlich umtänzelnden Anthony Wong gnadenlos in Richtung seines eigenen unterirdischen Niveaus. Diesem Ensemble fehlen nun natürlich noch die tatsächlichen Protagonistinnen - die Twins - aber wer nimmt schon an, dass die den Tag retten werden? Hm, ...
Gipsy (Gillian Chung) wird Reeves neue Partnerin (und so weiter, ist doch klar), Helen (Charlene Choi) ist Reeves kleine Schwester und verliebt sich in Kazaf, den kleinen Vampir, ausgerechnet so einen, ausgerechnet den. Gipsy und Helen können sich zunächst gar nicht leiden, aber - vor allem darum geht es ja nun in den nächsten anderthalb Stunden - das kriegen die schon hin. Während man also den Twins zuschauen kann, wie sie sich zanken und boxen und kratzen und schließlich doch dicke Freundinnen werden, schiebt The Duke die Welt immer näher an den Abgrund. Er möchte der Übervampir werden, the One, oder sprechen wir doch besser noch - mit Referenz auf die dreist kopierte Vorlage - vom Bloodgod (Siehe Blade). Das Blut von Prinz Kazaf ist sozusagen das letzte Puzzle in dieser Vision. Fünf Prinzen hat(te) die Königliche Familie, vier hat The Duke schon auf dem ranzigen Gewissen. Nun braucht er nur noch Kazaf, um die Vampir-Bibel Day for Night (sic!) zu öffnen, in der die Essenz des ersten Vampirs aufbewahrt wird - und das wäre es dann: ein Meer aus Blut, die ew’ge Nacht und der ganze andere sinistre Scheiß. Dass dies nicht so eintrifft, kann man ruhig vorweg nehmen. Es ist zwar alles sehr verwirrend inszeniert, aber schließlich doch sehr simpel.
Lediglich ein Mysterium bleibt ungelöst: Welche Rolle spielt nur Jackie Chan in diesem Film? Er begegnet uns cameoesque als Bräutigam und als Krankenwagenfahrer (springt aus dem Fenster seines Gefährts und läuft neben her) - aber warum das Ganze? Vielleicht um einer all zu offensichtlichen Gurke noch ein wenig mehr Blendwerk zu addieren. Ja, vielleicht. Damit sei es aber dahin gestellt, dass man nicht mehr als Vermutungen anstellen kann, darüber, wieso The Twins Effect nicht nur am Eröffnungstage ein erhebliches Publikum zog. Es ist ja per se eine überhebliche Position, von der wir Kritiker uns Filmen nähern, und das längst vollbärtige und natürlich viel zu pauschale Lamento, dass Hongkong keine wesentlichen Zeichen mehr für den internationalen Film setzten kann, versteht dort in der Schlange vor der Box-Office ohnehin kein Schwein (no offence!). Das hat jetzt wenig oder gleich gar nichts mit kultureller Diversität zu tun, The Twins Effect ist auch (bisher) mitnichten Teil eines viel umfangreicheren Textes, der einem eingeweihten Publikum den Zugang zu den im Film nur rudimentär entwickelten Charakteren inmitten loser Handlungsfäden eröffnen kann (Ich nenn das mal das Andrew Lau-Symptom). Es ist vor allem natürlich das weltweite Zwei-Klassen-Paradox der Multiplex-Generation, das hier greift: Kritiker versus Publikum. In Hongkong klingeln immer noch mindestens zwanzig Handys pro Filmvorstellung, in Deutschland gibt’s an der Kinokasse Bier. In den Staaten natürlich nicht. Allerdings schmeckt das Popcorn inzwischen eigentlich überall so ziemlich gleich. Und wieso die das mögen, werden wir eben nie kapieren.
Jörg Nicolaus
The Twins Effect
Hongkong: 2003
Regie: Dante Lam & Donnie Yen
Drehbuch: Chan Hing Kai & Jack Ng
Kamera: Cheung Man Po
Schnitt: Chan Ki Hop
Produktion: Carl Chang
Darsteller: Charlene Choi, Gillian Chung, Ekin Chen, Anthony Wong, Edison Chen, Mickey Hardt, Jackie Chan