Als 2017 „Justice League“ in die Kinos kam, hatte der Film eine gewisse Entstehungsgeschichte hinter sich. Nachdem Regisseur Zack Snyder kurz vor der Vollendung aus familiären Gründen aus dem Projekt ausgestiegen war, krempelten das Studio Warner Bros. und der eingesetzte Ersatzregisseur Joss Whedon den Film kräftig um. Warner war mit dem düsteren Ton der zuvor von Snyder realisierten Werke nicht so recht zufrieden und so schrieb man nicht nur das Skript um, es wurde nachgedreht, gekürzt, Designs wurden verändert und alles etwas freundlicher gestaltet. Das Ergebnis wirkte dann entsprechend zerfahren, nicht mehr wie die von Snyder etablierte Version und bald regte sich an der Fanbasis Widerstand. Man forderte den ursprünglichen Cut, jahrelang zog sich das durch die sozialen Medien und es geschah etwas, was man nicht alle Tage sieht – man gab Snyder grünes Licht für die Vollendung seiner Version.
Lange gefordert kam der Snyder Cut dann tatsächlich 2021, seine knapp über vierstündige Fassung, die auf dem Streamingdienst HBO Max ihre Premiere feierte.
Und es beginnt ungefähr da, wo Snyders Vorgänger „Batman v Superman“ (2016) endete - mit dem Tod von Superman im Kampf mit Doomsday. Die Szene erweitert sich, der Fokus liegt auf Kal-Els Schreien, die um die Welt gehen, vom Tod einer Ikone künden – und auch etwas anderes ins Leben rufen. Sogenannte „Mother Boxes“, einst auf der Erde zurückgelassen, aktivieren sich und locken nicht nur den schurkischen Steppenwolf an, sondern drohen auch mit der Vernichtung der Welt. Zeit für Batman, eine schlagkräftige Truppe von Wesen zusammenzustellen, um der Bedrohung zu begegnen.
Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Auch in Snyders Version wirkt „Justice League“ nicht richtig rund, stellt aber im Vergleich die weitaus bessere Fassung dar. Alle Änderungen zu besprechen sprengt da den Rahmen, manches springt einen aber geradezu an. Zuerst ist da das geänderte Bildformat zu nennen, Snyder präsentiert seine Fassung im Format 4:3, wobei man so mehr Bildinhalt oben und unten zu sehen bekommt. Für einen Cinemascope-Fan wie mich schwer zu schlucken, wirkt das Ganze doch so mehr wie ein TV-Mehrteiler denn ein Kinofilm. Dafür spricht auch die Unterteilung in Kapitel, sechs an der Zahl mitsamt Epilog strukturieren das Epos durch. Diese Einteilung ist durchaus interessant, der Epilog allerdings verzichtbar. Letztlich wirkt dieser wie ein Teaser für Dinge, die nie kommen werden und wie Snyders Ansage á la „Das hättet ihr bekommen können“. Es fühlt sich drangeklatscht an, profitiert auch nicht von seiner ungewöhnlichen Figurenzusammenstellung in der „Knightmare“-Sequenz, denn sie scheint hier nur noch selbstzweckhaft.
Die Laufzeit nutzt Snyder weitreichend, räumt den Figuren mehr Zeit ein und nutzt viel Laufzeit für weitere Exposition. Insbesondere Victor Stone alias Cyborg profitiert hiervon, er erhält mehr Vorgeschichte und Einbindung. Gleiches gilt für die anderen Charaktere, wobei Supes leider erst sehr spät zur Party erscheint. Und man spürt mit seinem Auftauchen, dass er letztlich das Herz des Snyderverse darstellt. Dies zeigt auch einen weiteren (vielleicht den größten) Schwachpunkt des Ensemblefilms auf. Er lädt sich nicht nur die Bildung der Vereinigung auf, er muss auch die Hälfte der Figuren selbst noch einführen, weil ihnen der filmische Hintergrund fehlt. Mit „Man of Steel“ (2013) und „Wonder Woman“ (2017) hat man zwei Figuren etabliert, den Rest, und dazu gehört hier auch Batman, schmeißt man en passant in dieses zu früh als Höhepunkt geplante Teamabenteuer. Das hat die Konkurrenz besser konstruiert, zu den Figuren mehr Bindung aufbauen lassen und sie dann erst zusammengeführt.
Laut eigener Aussage hat Snyder keine der von Whedon nachgedrehten Szenen genutzt. So fehlen viele Sequenzen, die man nicht vermissen dürfte und auch der Humor wurde deutlich zurückgefahren. Beides ist zu begrüßen, ohne Witz ist die Fassung dennoch nicht. Ohne Länge auch nicht, 242 Minuten sind schon eine Hausnummer, der Fluss ist mitunter gemächlich. Das Ausmaß hinterlässt ein zwiespältiges Gefühl. Etwas mehr Fokus hätte nicht geschadet, wirklich überflüssig wirkt aber nichts und doch bleibt der Gedanke, dass es eine halbe Stunde weniger auch getan hätte, ohne dem Film etwas zu nehmen.
Tonal gibt sich Snyders Version erwartbar etwas düsterer und brutaler. Nicht ausreizend, aber merklich, eben Snyders Stil entsprechend. Das gibt dem Cut angenehmen Schliff und Kante und ebenso die Actionsequenzen profitieren in Sachen Dynamik und Stil. Auch wurde das Design von Antagonist Steppenwolf überarbeitet, der hier sehr viel außerirdischer wirkt. Seine Verbindung zu seinem Chef Darkseid wird intensiver (bzw. überhaupt) besprochen und auch bebildert mitsamt Rückblende. Da kann Snyders Fassung richtig punkten, setzt sie die Geschehnisse doch mit zusätzlichen Sequenzen in einen viel größeren Kontext mitsamt Ausblick auf das, was noch hätte kommen sollen (Stichwort „Anti-Life“). Dies verlangt allerdings dann auch massig CGI und dieses ist über die vier Stunden immer wieder mal nicht so hübsch anzusehen. Die Animationen und Aktionen aus dem Rechner, das Agieren vor blauen Wänden, den artifiziellen Look wird der Film oftmals einfach nicht los.
Cavill, Affleck und Gadot sind wieder in ihren schon zuvor eingenommenen Rollen zu sehen und bilden als Superman, Batman und Wonder Woman ein schlagkräftiges Team. Wobei Afflecks Batman immer noch wenig ausgearbeitet wirkt. Da haben Superman und Wonder Woman mit ihren Einzelfilmen natürlich Vorteile. Ray Fisher als Cyborg erhält wie erwähnt mehr Hintergrund spendiert, gleiches gilt für Ezra Miller als Flash. Beiden Figuren kommen die erweiterten Szenen zugute. Jason Momoa als Aquaman hatte zum ursprünglichen Release noch keinen eigenen Eintrag, sodass auch seine Figur von der Langfassung profitiert hätte, inzwischen aber mit seinem Soloabenteuer entsprechend etabliert wirkt.
Die Nebenrollen sind wieder verstreut eingestreut, am prominentesten Amy Adams als Lois Lane und Jeremy Irons als Alfred Pennyworth. Generell kann man über den Cast nicht viel Schlechtes sagen. Ihre Rollen füllen sie alle aus, das Skript hadert nur etwas mit der Aufgabe, so viele neue Figuren in einem Ensemblefilm einführen zu müssen und sich so weniger um die Gruppendynamik kümmern zu können. Die vielen Einzelbaustellen zerfasern den Filmfluss.
Nicht so recht gelungen ist in Teilen die musikalische Untermalung. Der Score von Junkie XL ist dabei durchaus ansprechend, es sind mehr die eingestreuten Songs, die nicht wirklich gut platziert wirken und im Abspann in einer schlimmen Version von Leonard Cohens „Hallelujah“ gipfeln.
Ist Snyders Fassung der bessere „Justice League“ Film? Auf jeden Fall. Ist die Fassung fehlerfrei? Mitnichten. Denn auch dieser Cut krankt unter anderem an dem fehlenden vorangegangenen Unterbau (Einzelfilme der Figuren, eine sich aufbauende Bedrohung etc.).
Trotzdem ist es eine tolle Sache, dass Snyder sein Projekt, soweit möglich, zu einem Ende bringen konnte und diese Version nun vorliegt. Hier gibt es mehr von den und über die Figuren zu sehen, insbesondere Cyborg und Flash bekommen mehrere Sequenzen und auch auf Seiten der Antagonisten wird sinnvoll ausgebaut. Hier kann der Cut seine Stärken ausspielen, bereichert er die Geschichte so doch mit Inhalt und Hintergrund. In vielen Einzelteilen dreht die Fassung an den richtigen Rädern und lässt vieles runder wirken. Die im „Epilog“ aufgemachten Fässer kann man wohl in die Tonne kloppen, da Snyder und das DCEU getrennte Wege gegangen sind. So endet seine Vision hier, was durchaus schade ist. Die Weiterführung des Franchises wandte sich überwiegend von seinem Stil ab, wurde bunter, eben mehr wie bei der Konkurrenz. Denn selbst wenn Snyder inhaltlich nicht vollends ablieferte, sein Stil war ein Gewinn für das Franchise.