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Ich dachte eigentlich, dass mit „Derailed“ van Dammes Zug endgültig abgefahren ist: Zu billig die Sets, zu schlecht die Tricks, zu peinlich die Action. Keiner mehr da, der mit dem Belgier noch einen ansehbaren Film drehen wollte? Doch, Ringo Lam, und der liefert einen Film ab, der wohl van Dammes bester und vielleicht auch ungewöhnlichster seit Jahren ist.

Vom Superagenten, über Replikanten wie Abenteurer und Meisterdieb hat van Damme so ziemlich alle B-Movie-Rollen der letzten Jahre erfolglos durchgetestet, ohne dass sich dabei nennenswerter Erfolg einstellte. Grund genug es mal als Normalbürger zu probieren, als Architekten Kyle Lord, der in Russland ein Projekt betreut. Auf der Rückfahrt von der Arbeit wird er telefonisch Zeuge wie ein Vergewaltiger in sein Haus einbricht und seine Frau Grey tötet. Dort angekommen kann er den Mörder zwar noch verfolgen, wird aber schließlich von der Polizei verhaftet. Der identifizierte Verbrecher wird aufgrund seiner Herkunft vor Gericht freigesprochen, worauf der Witwer ihn tötet. Dieser wird nun selbst lebenslänglich eingebuchtet…

Der Beginn ist für B-Movie-Verhältnisse, was „In Hell“ trotz seiner Bemühungen immer noch ist, sehr gut gefilmt, bietet eine recht spektakuläre Verfolgungsjagd und zeugt von Ringo Lams Fähigkeit als Actionregisseur Hongkongs. Doch mit damit ist es auch schon vorbei mit der Materialschlacht, denn ein Grossteil des beschränkten Budgets dürfte in diese Szenerie geflossen sein.

Der Hauptteil spielt in einem heruntergekommen Knast der Russen, in dem man, unterlegt mit ewig gleicher russischer Technomucke, bei Kyles Ankunft als Einführung sämtliche Gefängnisklischees von bösen, korrupten Wärtern, Vergewaltigung, Haare schneiden, Abgabe persönlicher Gegenstände und später Zwangsarbeit, geboten bekommt, die dieses Genre zu bieten hat. Hier wird aber langsam deutlich, dass van Damme nicht als Haudrauf in der Anstalt einschlägt, sondern ernsthaft zu schauspielern versucht, was überraschend positiv ausfällt. Als gebrochener Geist, der seine Lebensfreude verloren hat und sich erfolglos das Leben nehmen will ist er glaubwürdiger, als man denkt. So hat man ihn in seiner Karriere gewiss noch nicht gesehen.

Kämpfe werden während dieser Phase der Charakterisierung weniger geboten. Stattdessen gibt es traumähnliche Flashbacks, in denen der fastende Ingenieur bei seiner Frau ist. Da er nebenher aber noch bei den Aufsehern aneckt, stecken die ihn mit einem schwarzen, philosophischen und wie sich später herausstellt sehr intelligenten Muskelberg in eine Zelle, der mit Vorliebe plappernde Zellenkollegen umbringt. Die Nachbarschaft entwickelt sich, so dass Klischees wie alter Krüppel und junger Amerikaner positiv in den Hintergrund treten.

Aber „In Hell“ bräuchte van Damme nicht, wenn es nicht auch wen zu verdreschen gäbe. Der Direktor organisiert regelmäßig Kämpfe zwischen seinen Gefangenen und lädt Gäste ein, die sich das Geschehen ansehen und Wetten abschließen. Ein sehr lukratives Geschäft, da die unterschiedlichen Banden sich nicht grün sind und auch der Belgier seine Spezies hat. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis er die Erniedrigung satt hat und like „Rocky“ an zu trainieren fängt. Beachtlich was er trotz seines Alters dabei noch zu leisten vermag.

Die Kämpfe selbst sind aber eher von unspektakulärer Natur (ein Ingenieur kann aber auch nicht auf einmal ein Kampfsportass sein), bieten aber einige harte Szenen. Der zum Robinson Crusoe mutierte Kyle beißt sich im ersten Kampf zum Beispiel in seinem Gegner fest, bis dieser stirbt. Ungewöhnlich für ein van Damme Film aber die Entwicklung des kyleschen Charakters, der abstumpft, sich von seinen Freunden entfremdet und in den Kämpfen sein Lebensziel entdeckt hat, letztendlich, nach einer etwas zu phantastischen Geistererscheinung seiner Frau, wieder zu seinem wahren Ich findet und die Kämpfe ablehnt. Der Direktor will ihn darauf bei Seite schaffen, doch wie anstellen, damit er nicht als Märtyrer stirbt?

„In Hell“ ist in vielen Belangen ein untypischer van Damme Streifen, spielt er hier doch endlich mal einen nachvollziehbaren Charakter, der eine Entwicklung durchmacht und nicht nur Bösewichte an die Wand klatscht. So muss man den Film eher als Drama, denn als Actionfilm einordnen, da es zwischen den Kämpfen und nach dem temporeichen Beginn sehr viele ruhige Szenen gibt, in denen er zu schauspielern versucht. Eine Meisterleistung darf da nicht erwartet werden, aber für sein Talent zieht er sich beeindruckend aus der Affäre.

Fazit:
„In Hell“ wird Fans, die von „Derailed“ enttäuscht waren, begeistern. Ungewöhnlich „anspruchsvoll“ (Ich benutze das Wort bei einem van Damme Film mit Vorsicht), vom Belgier intensiv gespielt ist dieses wohl sein bester Film seit Jahren. Leider musste Ringo Lam die Klischees aber sehr extrem ausreizen, so dass der Filmspaß doch öfter erheblich getrübt wird. Seine Optik des Knasts ist zu eintönig und der Plot natürlich frei von innovativen Ideen. Doch selbst für mich, als sehr kritischen van Damme Beobachter (Fan wäre wohl übertrieben), eine Freude ihn insgesamt in einem besseren Film zu sehen. Man darf auf die vierte Zusammenarbeit des Duos Lam/van Damme gespannt sein. Dann aber bitte wieder mit van Dammes gewohnter Synchrostimme! Er redet hier zwar nicht viel, aber etwas gewöhnungsbedürtig war es schon.

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