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Dünnes Eis


In einer kanadischen Diamanten-Mine gibt es eine Explosion. Die Männer werden verschüttet. Zur Rettung bedarf es riesiger Bohrköpfe aus North Dakota. Die tonnenschwere Last kann aber nur mit Trucks transportiert werden. Dazwischen liegt ein zugefrorener Ozean und das Tauwetter hat bereits eingesetzt. Genau die richtige Herausforderung für „Ice Driver“ Mike McCann.

Vor 40 Jahre hätte man sich keinen anderen als Charles Bronson hinterm Sattelschlepper-Steuer vorstellen können. Ein Glück dass die Kandidatenliste heute ähnlich kurz ist. Seit er vor 13 Jahren in der Pariser Unterwelt aufgeräumt hatte (TAKEN, 2008), ist der hemdsärmelige Ire Liam Neeson die Traumbesetzung für alle letzten echten Kerle des actionreichen Abenteuer- und Thrillerkinos. Wie sein Vorgänger Bronson hatte auch er zunächst im Charakterfach reüssiert, um dann im reifen Alter den wortkargen Einzelkämpfer zu kultivieren. Dass er dabei trotz ähnlicher Härte und Kompromisslosigkeit nicht wie John Rambo wirkt, ist die eigentliche Leistung hinter dieser Wandlung.

Nun geht es also ins nicht ganz so ewige Eis, offenbar hatte Neeson nach HARD POWDER noch nicht genug vom Schnee. Die Grundprämisse ist wie geschaffen für ihn, aber leider muss er sich diesmal mit einer Handvoll Mitstreiter um die exklusiven Problemlöser-Meriten streiten. Da wären nicht nur sein PTS-gepeinigter Mechaniker-Bruder Gurty und sein Auftraggeber Jim Goldenrud. In den drei Trucks (zumindest einer soll durchkommen) fahren auch noch Jilms nassforsche Ex-Angestellte Tantoo und der Minengesellschafts-Bürokrat Tom Varnay mit. Ein Ensemblestück wird daraus dennoch nie, denn außer Neeson traut man keinem die unfallfreie Rutschpartie zu. So bleiben überflüssige bis vorhersehbare Nebenkriegsschauplätze, die mehr bremsen denn beschleunigen. Auf dem dünnen Eis des Plots eine denkbar schlechte Idee.

So entwickelt sich alles wie erwartet. Nicht alle werden überleben, nicht jeder ist der, der er zu sein scheint, der traumatisierte Bruder wird noch ganz wichtig und das schlechte Gewissen gegenüber den amerikanische Ureinwohnern darf auch noch ein wenig entlastet werden. Das ist teilweise ärgerlich „cheesy“ erzählt und sägt kräftigt an der Thriller-DNA. Dass das Skript offenbar den ersten Platz für die plattesten Dialoge in einem Neeson-Spätwerk anstrebt, hilft auch nicht unbedingt. Phrasen wie „Jetzt wird es persönlich!“ strapazieren gar die Lachmuskeln, was vermutlich nicht beabsichtigt war.
Immerhin bieten die kanadischen Schauplätze Winnipeg und Manitoba eine atemberaubende Kulisse, so dass man zumindest manchmal das infantile Treiben in und um die Trucks vergisst. Ja, bis zum nächsten unfreiwilligen Kalauer. Zwischendurch und vor allem gegen Ende löst der Film dann auch sein Action-Ticket, aber selbst im internen Neeson-Badass-Vergleich sind das bestenfalls Stehplätze.

Für die große Leinwand und den geneigten Neeson-Fan ist das alles recht dürftig und der Gelegenheitskonsument auf der heimischen Streaming-Couch wäre hier die bessere Adresse gewesen. Mann kann nur hoffen, dass sich Liam Neeson nicht mit diesem Discountereis in den Actionruhestand verabschiedet, sondern uns nochmal einen schmucken Becher, randvoll mit allen Zutaten seiner späten Großtaten serviert.

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