Review

Aua!

Die Farrellys drückten 1994 auf dem Komödiensektor so etwas wie eine Legende durch. “Dumm und Dümmer” zelebrierte mit Hilfe des kongenialen Pärchens Jim Carrey und Jeff Daniels die Blödheit an sich und man bugsierte irgendwie ein schädeldeckenknautschend bescheuertes Roadmovie auf die Leinwände, das durchschlug wie der berüchtigte Granatapfel durch Großmutters Unterbuchsen. Da konnte plötzlich endlich mal wieder jemand der “Nackten Kanone” Paroli bieten, obwohl die Art des Humors vollkommen anders war. Slapstick, ja irgendwie schon, aber ohne den ironisch-vorgeplanten Unterton der inszenierten Gags um Leslie Nielsen. Carrey und Daniels waren keine Parodie mehr auf debile Idioten, sie waren Ziel einer solchen Parodie: die Idioten selbst. Herzerfrischend ehrlich, authentisch und überhaupt mit einer eigenen Universallogik, in die nur Harry und Lloyd eingeweiht waren. Wenn man möchte, handelt “Dumm und Dümmer” von einer Sprache. Der Kommunikationsform der Doofen und Hirnis. Innerhalb ihrer Grenzen sind es die Normalen - inklusive Zuschauer - die bescheuert sind. Das ist witzig, das ist ein Stück weit genial, das hat dazu geführt, dass Hollywood über eine Fortsetzung nachdenken musste, ob es nun wollte oder nicht. Die schwarzen Zahlen zwangen dazu.

Fast zehn Jahre vergingen, bis es tatsächlich zur Erweiterung des Kosmos kam (Themenabend: Und so lernten sich Harry und Lloyd kennen) und da kann man sich freilich denken, was das zur Folge hat: Superstar Carrey (der eh nicht viel von Fortsetzungen hält) ist nicht verfügbar, Jeff Daniels wollte seine Rollen auch lieber über dem Niveau eines Zweizellenorganismus halten und die Farrellys hatten wohl auch was besseres zu tun (Matt Damon und Greg Kinnear eine Tube Uhu geben) und da sind wir nun mit einem Regisseur, der schon allerhand Weißkohl verzapft hat und zwei No-Names in den Titelrollen. Hossa.

Alea iacta est, Harry und Lloyd sind über die Würfel ihres Schicksals gestolpert und wir erfahren nun den Gradwinkel ihres Sturzes - zurück geht’s auf den Campus. Regisseur Troy Miller, der zusammen mit Robert Brener das Screenplay entworfen hat, fällt nichts besseres ein, als eine High School-Teencomedy aus dem Stoff zu fabrizieren. Na, hervorragend. Seichtes Rockgedudel, Klischees wie die Cheerleadertusse, die asiatische Austauschschülerin und der Punkrüde umgarnen das Trottelpärchen Harry (Derek Richardson) und Lloyd (Eric Christian Olsen). Eugene Levy mimt den Direktor, der in seinem Büro auch mal gerne die Hosen runterlässt und spätestens hier stinkt es nach Apfelkuchen, der zu lage in der Sonne gestanden hat.

Die Story geht ja mal gar nicht - böse Schulleiter möchten gerne etwas Geld veruntreuen und sparen bei einer “Klasse für besondere Schüler” ein, deren Mitglieder den ganzen Tag nur dumm rumsitzen und nichts tun müssen. Die Farrellys haben damals eine simple Schnapsidee Lloyds zum Aufhänger für eine Reise nach Aspen gemacht - nur weil eine Synopse im Hirn des Deppen ihm sagte, er sei verliebt und müsse seiner Liebe nachreisen. Der Plot von “Dumm und Dümmerer” ist nicht direkt mit Lloyd oder Harry verknüpft - die Veruntreuungsgeschichte würde auch unabhängig von den Hauptfiguren existieren - und alleine das ist schon ein gewaltiger Fehler. Denn wie will man auf diese Art und Weise wieder ein abgegrenztes Vollidioten-Universum zaubern? Es fehlt die Egozentrierung der Figuren. Sie sind leider nicht mehr das Rom, zu dem alle Wege führen, sondern nurmehr einer der vielen Wege, die nach Rom führen.

Das drückt auch auf die Qualität der Gags, die unterirdisch ist in Sachen Originalität und Verwertung. Mit Verzweiflung hält man sich an Späßen des Vorgängers fest (Der Uhrzeit-Gag, das Toiletten-Malheur, das kuriose Gefährt, das Wettrennen die Treppe hinauf) und auch Versatzstücke des Plots werden gnadenlos nachgestellt.

Der dickste Pferdefuß liegt aber selbstverständlich im Castwechsel. Nun schafft es Eric Christian Olsen teilweise sogar, mit der gleichen Selbstverständlichkeit sein verqueres Weltbild auszuleben, wie Carrey dies tat. Auch der junge Lloyd scheint voll überzeugt zu sein von dem Mist, den er verzapft. Man möchte nicht so weit gehen zu behaupten, die Leistung wäre stark, aber sie füllt das Carrey-Vakuum, so gut es eben geht.
Derweil ist Derek Richardson hoffnungslos überfordert. Wirres Haar und absolut sinnfreier Dackelblick machen noch keinen Komiker. Da gewinnt Daniels klar mit K.O. Viel schlimmer als die Leistungen der Darsteller trifft es den Film jedoch, dass die mimischen Verrenkungen, die das Original noch so geprägt hatten, überhaupt ausgetauscht wurden - das ist so oder so kein richtiger “Dumm und Dümmer”-Film mehr, sondern rein von der Präsentation her nurmehr ein billiger Abklatsch. Als klar war, dass Carrey und Daniels nicht zur Verfügung stehen würden, hätte man eigentlich sofort das ganze Projekt abblasen sollen.

Welcher Eumel dem Regisseur dann dazu geraten hat, diverse Matrix-Motion-Kamerafahrten in den Verlauf zu integrieren, der sollte sich überlegen, ob er nicht mit dem Filmgeschäft abschließen und lieber Waldschrat werden will. Aber es kommt scheinbar nicht aus der Mode, denn “Bandidas” (2006) hatte in einem Zugabteil einen Bullettime-Effekt, der ähnlich deplatziert wirkte wie schon hier das Durch-die-Luft-Wirbeln im brausenden Schulbus.

Aber was will man auch von einem Film erwarten, dessen primitives Highlight eine (wiederum mehr rezitierte als selbst erfundene) Szene ist, in der Harry ein Badezimmer komplett mit vermeintlichem Kot einschmiert, der in Wirklichkeit geschmolzene Schokolade aus der Hosentasche ist. Ganz üble Fortsetzung, die aber wenigstens gnadenlos aufdeckt, dass “Dumm und Dümmer” mehr war als eine bloße Kette von Banalitäten. Komödie ist hohe Kunst, vielleicht das schwierigste aller Genres - auf allen Niveaustufen, auch den niederen. Jedes Rädchen muss da genau aufeinander abgestimmt sein. “Dumm und Dümmerer” meinte wohl, einfach mal an den Reglern drehen zu können, irgendwie würde es schon gut gehen. Weit gefehlt. Auch die Flunder, Ihro königliche Plattheit, ist ein empfindliches Geschöpf.

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