Review
von Leimbacher-Mario
Du wirst PornHub nie mehr mit denselben Augen sehen
„Pleasure“ erzählt den klassischen American Dream/Nightmare ein wenig freizügiger und geiler als ähnliche Geschichten. Und ist dennoch ein Abturner sondergleichen, der besten Sorte. Erzählt wird von einer jungen Schwedin, die nach L.A. zieht mit dem Ziel der nächste große Pornostar zu werden. Sie ist nicht scheu, liebt Sex und hat eigentlich genug Mut, Talent sowie Ahnung von der Materie. Doch schnell muss sie feststellen, dass das Business mit der fleischlichen Lust heutzutage (und wahrschlich schon immer) zu einer böse strapazierenden, zerstörerischen und auslaugenden Sache werden kann, die wenig bis gar nichts mehr mit Lust, Liebe und Spaß zu tun hat…
Man könnte meinen, dass die These „Pornoindustrie = böse, kaputt, ungesund“ weder neu noch besonders clever und nuanciert ist. Doch im Grunde bietet „Pleasure“ in einer bitteren (und doch hoffnungsvollen) Charakterstudie noch viel mehr als nur diesen Ansatz und diese Message. Als ob Lars von Trier seine weibliche und einfühlsamere Seite gefunden hätte, geht „Pleasure“ schmerzhaft an unangenehme Stellen. Und das wird schon während der Titelblende klar. Ehrlich, rigoros, dreckig. Aber nie in Parodie, Alptraumareale oder Einseitigkeit abknickend. Sondern immer echt, ungeschönt und ambivalent. Ein Eindruck und Einblick, den man(n) vielleicht nicht unbedingt wollte. Aber unbedingt braucht. Körperflüssigkeiten als Wachmacher. Sofia Kappel spielt unwahrscheinlich authentisch, mutig und gut. Der Klassikscore verleiht dem Ganzen Gegendruckpunkte und Flügel. Blut. Schweiß. Tränen. Sperma. Zerfickte Seelen. Wir alle gucken zu. Der Style ist nicht over the top oder artifiziell, aber dennoch enorm hübsch und einprägsam. Zu viele Szenen kommen einem bekannt vor. Echte Pornosternchen rechts und links. Vielleicht ein paar (filmische) Höhepunkte zu wenig. Aber in seinem Kern nachhaltig beeindruckend, bedrückend und doch ein wenig beglückend. Wenn man die richtigen Schlüsse daraus zieht.
Fazit: eine stilvolle, ungenierte, ungeschminkte und zugleich real-alptraumhafte Entblößung einer der mächtigsten Industrien der Menschheit. „Pleasure“ macht weder geil noch Spaß. Und das ist nicht seine einzige Errungenschaft. Eine grandiose und in seiner Konklusion famos feministische Mischung aus „Boogie Nights“, „Nymphomaniac“, „Swallow“ und „Holiday“. Vielleicht gar ein Gamechanger und definitiv ein schmerzhaftes, sehr persönliches Erlebnis.