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Staffel 1

Eigentlich war es ein besonders schönes Ereignis, diese Schulabschlußfeier 1999 irgendwo in Dänemark: die 18-jährige Ida (Karoline Hamm) und ihre Klassenkameraden fahren auf der offenen Lastwagen-Pritsche zu einer Party, alle sind ausgelassen, manche etwas aufgeregt. Idas jüngere Schwester Astrid (Viola Martinsen) beobachtet die Szenerie, als die jungen Leute Ida von zuhause abholen - es wird das letzte Mal sein, daß sie ihre Schwester sieht. Denn die LKWs kommen nie am Ziel an - stattdessen haben sie unterwegs irgendwo auf einer Landstrasse einen seltsamen Unfall. Der völlig verwirrte Fahrer und 3 Schüler überleben und werden am nächsten Tag gefunden, die restlichen 21 Teenager bleiben spurlos verschwunden.
Die kleine Astrid hat den Vorfall nie verwinden können und hat seither seltsame Alpträume - meist ist sie da im Wald unterwegs und wird von einer seltsamen Gestalt erschreckt. Ihr fürsorglicher Vater, der ihr versichert, daß Ida tot sei, und ansonsten beruhigend auf sie einzuwirken versucht, steht im krassen Gegensatz zu ihrer Mutter Lene (Hanne Hedelund), die die Kleine zu einer Psychologin und Traumdeuterin schleppt und ständig nachbohrt, sie solle ihre wiederkehrenden Träume bewußt steuern und im Wald nach ihrer Schwester suchen.
21 Jahre später ist Astrid (Danica Curcic) nun selbst erwachsen, arbeitet als Journalistin und Radiomoderatorin, als sie eines Tages ein Anruf eines Klassenkameraden ihrer Schwester mitten in einer Live-Sendung erreicht: er wisse, was damals passiert sei. Von dieser Aussage getriggert, beschließt Astrid, das sie nach wie vor stark belastende und noch immer nicht abgeschlossene Thema zu untersuchen. Der Anrufer stellt sich als Jakob (August Carter) heraus, einer der 3 Überlebenden von damals. Doch mehr als daß dieser ausgewandert ist, erfährt Astrid von dessen Bruder vorerst nicht. So wendet sich Astrid zunächst an ihren längst geschiedenen Vater, der es jedoch für keine gute Idee hält, in der Vergangenheit herumzustochern. Damit bleibt ihr nichts anderes übrig, als ihre Mutter aufzusuchen. Doch die hält - wie all die Jahre zuvor - an der fixen Idee fest, daß Ida noch lebt, hat deren Jugendzimmer mit allen Einrichtungs- und anderen Gegenständen seit 21 Jahren konserviert und wartet nach wie vor auf die Rückkehr ihrer vermissten Tochter. Der Schlüssel hierfür sei Astrid, die wieder in den Wald müsse, um Ida zu finden...

Mit ihrer Prämisse bereits vor Jahren verschwundener Leute, die jedoch die unmittelbare Gegenwart beeinflussen, wandelt die dänische Mystery-Serie Equinox auf bereits bekannten Pfaden - und in der Tat erinnern die häufigen Wechsel der zeitlichen Ebenen verbunden mit uralten Ritualen ein wenig an das schwedische Midsommar, das italienische Curon oder auch an die deutsche Produktion Dark, um nur einige zu nennen. Hier ist es eben ein dänischer Waldgeist mit Hörnern, der sogenannte Hasenmann, der einer heidnischen Tradition zufolge Seelen einfordert. In insgesamt 6 Teilen zu je etwa 45 Minuten nehmen die Regisseure Balle und Matthiesen den Zuschauer mit auf eine Reise, die von feuererleuchteten Gruselmomenten im Wald über ein geheimnisvolles Buch (dessen Vorhersagen alle zutreffen) bis hin zu traumatisierten Hinterbliebenen in der Gegenwart reicht.

Das Verdienst des Drehbuchs ist es, die Spannung durch ständiges Hin- und Herspringen zwischen 1999 und 2020, wobei stets die Geschehnisse aus der Perspektive der jungen wie der erwachsenen Astrid gezeigt werden, einigermaßen am Köcheln zu halten, denn weder die erwachsene Astrid, ein weitgehend autonom handelndes Nervenbündel, noch ihr gutmeinender, aber völlig blass agierender Vater und erst recht nicht die manipulative, psychopathisch auftretende Mutter können irgendwelche Sympathiewerte verbuchen. Auch die nur in Nebenrollen auftretenden Überlebenden des 1999er Unfalls hinterlassen keinen nennenswerten Eindruck, dafür darf man sich über einige Ungereimtheiten am Kopf kratzen.

So wird beispielsweise die verschwundene Ida in den erwähnten zahlreichen langen Rückblenden als unsicherer Teenager präsentiert, der seiner kontrollierenden Mutter zu entkommen versucht. Nach dem ersten Kuss des Klassen-Draufgängers Jakob landet Ida jedoch schnurstracks mit ihm im Bett (so schnell?), um kurz darauf mit 2 weiteren Freunden zu viert auf eine einsame Insel vor der dänischen Küste zu fahren, wo sie mit ein paar dutzend anderen Teilnehmern einem heidnischen Ritual folgen. Da Ida dort den Hauptgewinn der Tombola(?) zieht (ein Ei, das sie dann ausschlürfen muss), läßt sie sich nackt ausziehen, mit Asche bemalen und und wird schließlich vom gehörnten Hasenmann coram publico durchgebumst - wtf?  Wieso macht Ida, die ursprünglich gar nicht mitkommen wollte, diesen (natürlich jugendfrei abgefilmten) Zirkus so völlig selbstverständlich überhaupt mit?

Leider fußen alle weiteren Ereignisse von Equinox dann auf den Folgen dieses Rituals, das die 4 teilnehmenden Schüler auch psychisch erstaunlich locker wegstecken - fortan ist es die recht forsch und bisweilen auch undiplomatisch auftretende Astrid, die jede kleinste Spur aufnimmt, um Ida wiederzufinden. Dabei muß sie sich mehrfach an dieselben Personen wenden, manche sich als zunächst nicht zielführend erwiesene Fäden erneut aufnehmen und überhaupt einige Bocksprünge vollführen, um an Ende die ganze Wahrheit über ihre Schwester herauszubekommen.

Dieses für Mystery-Dramen so typische Ende, das den Glauben an übersinnliche Wesen erst recht unterstreicht, kann man zwar so stehen lassen, insgesamt hätte man in die Charakterzeichnung der Figuren aber deutlich mehr "Publikumsnähe" einfließen lassen können. So bleibt Equinox ein bewußt umständlich erzähltes Jugend-Drama rund um eine heidnische Gottheit, deren Schleier der Rätselhaftigkeit gänsehautfördernd bis in die Gegenwart reicht. 6 Punkte.

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