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Zeitenwende

1993, ein bittersüßes Jahr für Monsterfilmfreunde. Während Steven Spielberg in Amerika mit „Jurassic Park“ ein neues Zeitalter der Riesenreptilien einläutete, endete auf der gegenüberliegenden Seite der Weltkugel ein anderes mit dem Tod von „Godzilla“-Vater Ishirō Honda. Kurzzeitig schien es so, als wollte sich Tokio dieser Zeitenwende beugen, war „Godzilla gegen Mechagodzilla II“ doch zunächst als Abschluss der Heisei-Ära geplant, auch mit dem Hintergrund, den bereits köchelnden Plänen einer US-Version Godzillas nicht im Weg zu stehen. Nach einem Abschlussfilm sieht das hier aber nicht aus. Vielmehr hat man das Gefühl, der schuppige Wüterich sei gerade so in Rage, dass er nicht einfach auf Kommando mitten im Lauf wieder abbremsen kann.

Und er hat seine alten Freunde und Feinde mitgebracht. Wo der T-Rex bloß die Oberfläche eines Wasserglases zum Hüpfen bringt, zieht Rodan (aka Radon) bei seinem siebten Gastauftritt in der Godzilla-Show mit seinem Flügelschlag meterhohe Schneisen ins Meer, während der Gastgeber bis zur Hüfte in dem Schlamassel steht und versucht, nicht in die tödliche Bahn zu geraten. Brachiale On-Set-Effekte, eine wild gewordene Kamera, die sich auch mal hoch in die Lüfte erhebt, um im Vorbeifliegen über die Rückenplatten des Titelmonsters zu streichen… da gibt es erst mal nichts zu meckern, was den Brawl-Faktor angeht.

Und dann ist da ja noch Mechagodzilla. Einst geschmiedet durch außerirdische Mächte, nimmt inzwischen der Mensch für sich in Anspruch, seine Form und Beschaffenheit zu definieren. Es ist sein erster Auftritt seit dem Abschluss der Shōwa-Periode mit „Die Brut des Teufels“ aus dem Jahr 1975. Fans beteuern, hier die vielleicht beste Reinkarnation des Robomonsters erleben zu dürfen. Zusammengesetzt aus den Trümmern des zerstörten Mecha-King Ghidorah („Godzilla – Duell der Megasaurier“, 1991), steht er dennoch klar in Tradition der ersten beiden Prototypen. Mögen auch diverse Modifikationen im Design zur Anwendung gekommen sein, das finale Erscheinungsbild ist deutlich auf Wiedererkennungswert ausgelegt. Dabei hätte man eigentlich zu gerne den ursprünglichen Konzeptentwurf unter dem Arbeitstitel „Berserk“ realisiert gesehen, eine an „Tetsuo: The Iron Man“ (oder auch an Hedorah aus „Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster“) angelehnte Scheußlichkeit aus organischem Stammmaterial, die wie ein Magnet immer mehr Draht und Metall absorbiert. Stattdessen darf sich Wataru Fukuda eine Aluminiumrüstung mit klobigen, aber nahezu menschlichen Körperformen überstreifen, die der Doppelgänger-Wesenheit natürlich wesentlich dienlicher ist.

Die Rückkehr Mechagodzillas ist sicherlich auch als Ausdruck eines Trends zu verstehen, der sich zu jener Zeit global verbreitete, möglicherweise unter anderem angetrieben von James Camerons Meilensteinen „Terminator“ und „Terminator 2“. In Japan erschien zudem 1989 der Cyberpunk-SciFi-Actioner „Gunhed“ (unter Mitwirkung von Effektspezialist Koichi Kawakita, der auch an der Realisation des Mecha-King und schließlich auch an Mechagodzilla beteiligt war), Anime-Serien wie „Densetsu Kyojin Ideon“ (oder in der späteren Generation „Neon Genesis Evangelion“) durchforsteten den Geist in der Maschine und die amerikanisch-japanische Kooperation im Rahmen der Spielzeug-Franchise „Transformers“ machte die Anwesenheit überdimensionaler Roboter international salonfähig. All diese Einflüsse gehen von Mechagodzilla in seiner dritten Inkarnation ebenso aus wie sie von ihm reflektiert werden, er ist eine mögliche Antwort auf das Verlangen, der Natur in Form einer überdimensionalen Echse ein artifizielles Denkmal setzen zu wollen, sie gewissermaßen zu imitieren, um sie letztlich niederzuringen.

Die Nebenschauplätze von „Godzilla gegen Mechagodzilla II“ drehen sich fast vollständig um solche destruktiven Überlegungen, denn die Menschheit wird in diesem Film hauptsächlich von Vertretern von Hi-Tech-Konzernen und Militär repräsentiert, während Megumi Odaka in ihrer angetrauten Rolle als Miki Saegusa nahezu alleine für empathische Schwingungen verantwortlich ist. Da sie zugleich für die rigoros vorgehende G-Force-Einheit im Einsatz ist, verkörpert sie das schlechte Gewissen ihrer Spezies mit Blick auf die Zerstörung, die sie anwendet, um das eigene Überleben zu gewährleisten. Immer mal wieder schwebt auch ein futuristischer Fluggleiter durch den Bildhintergrund und veranschaulicht die Omnipräsenz des technologischen Fortschritts, der zu pervertieren droht, eine Funktion, die auch der Gleiter des Green Goblin in Sam Raimis „Spider-Man“ einnahm.

Um das Monster und seinen stählernen Zwilling zusammenzuführen, ist dem Drehbuch sogar eine Neuauflage von Godzilla Junior Recht, dessen erste Ausgabe „Minilla“ nach dem Tiefpunkt „Godzilla: Attack All Monsters“ (1969) nicht grundlos in der Versenkung verschwand. Sein Nachfolger, nur noch „Baby Godzilla“ genannt, wurde im Design zum Glück grundlegend überarbeitet, er erinnert nun eher an das Jim-Henson-Vermächtnis der Marke „Turtles“ und „Die Dinos“ mit seinen glasigen Knopfaugen und den motorisierten Gefühlsregungen, obgleich ihm leider die mimischen Ausdrucksformen dieser Kreaturen fehlen. In vielerlei Hinsicht ist er für die Handlung der Fixpunkt: Er ermöglicht die Kommunikation mit der Gegenseite, er dient als wissenschaftliches Forschungsobjekt, das wahrlich sensationelle biologische Erkenntnisse über Godzillas Innenleben zu Tage fördert (wer hätte gedacht, dass der große Kerl deutlich mehr Hirnschmalz hat als wir Menschen… und das auch noch über den ganzen Körper verteilt?) und nicht zuletzt ist er natürlich der Lockvogel, um Papa aus der Reserve zu locken. Die beiden „Jurassic-Park-Fortsetzungen würden gerade dieses Suspense-Element in aller Ausführlichkeit ausschlachten (man denke an die Entführung eines T-Rex-Babys in „Vergessene Welt“ oder den Diebstahl der Raptoren-Eier aus „Jurassic Park 3“), doch bereits unser alter Titan streunt wie eine böse Gewitterwolke um ein Hochhaus und reißt Etage für Etage ab in dem Wissen, dass irgendwo da drin ein kleiner Kerl von seiner Art gefangen gehalten wird. Selbstverständlich ist Baby Godzillas Teilnahme in erster Linie ein Ergebnis von Marktanalysen, als Bindeglied der zerstrittenen Parteien erfüllt er seinen Zweck aber blendend.

Vielleicht ist es deswegen letztlich sogar ihm zu verdanken, dass es vor allem im letzten Drittel so schön kracht und rummst. Könnte man nach dem furiosen Start und einer folgenden Ruheperiode noch den Eindruck bekommen, dass es sich womöglich wieder um einen eher actionarmen Beitrag zur Reihe handelt, so zerstreut jedes weitere Aufeinandertreffen zwischen Godzilla und seinem blechernen Spiegelbild alle Sorgen. Mitunter wird dem Grünling von der Konserve ordentlich der Hosenboden aufgewärmt, inklusive besonders übler Stromstöße durch Elektrokabel, die sich nicht nur ziemlich brutal mit Widerhaken ins Fleisch bohren, sondern anschließend per elektrischer SMS zum Scheunentanz einladen, während der meist per Gleitermodell animierte Rodan über den Köpfen der Streithähne seine Runden zieht. Weil diesmal Menschen hinter dem Metallhaufen stehen, ist der ganze Kampf noch persönlicher… und verwirrender, denn obgleich Godzilla wieder anders als in der späten Shōwa-Phase als waschechtes Monster gezeichnet wird, so ist es vielleicht doch wieder er, dem man die Daumen drücken möchte. Der Mecha jedenfalls wird keinen Deut sympathischer, nur weil er als Schützer der Menschheit in Erscheinung tritt. Im Gegenteil womöglich…

Nein, dies ist kein Film, mit dem man eine Periode abschließt, Winke-Winke und abtauchende Rückenflosse im Zwielicht des Sonnenuntergangs hin oder her. Wer Mechagodzilla bezwungen hat, will doch erst recht zu den Sternen greifen… nimm dich in Acht, Spacegodzilla!

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