Review
von vodkamartini
Wuttherapie mit Jason
Ist der Held so richtig wütend, hat der Fan so richtig Spaß. Zugegeben, das gilt vor allem im Actionfilm und ganz besonders im Revenge-Subgenre. Denn hier gibt es für die bösen Jungs und manchmal auch Mädels so absolut gar nichts zu lachen und wenn doch, dann ist es ihr letztes Grinsegesicht. Schließlich haben sie unseren Heroen bis aufs Blut gereizt und der entsprechende Zoll wird in derselben Währung geleistet. Fair ist fair.
Die neueste Spielart dieser durch und durch archaischen Konstellation hört auf den öden „deutschen“ Titel CASH TRUCK, trifft aber mit dem Originaltitel WRATH OF MAN voll ins Schwarze – und das gleich im Dutzend. Denn das mittelprächtige Schießergebnis des Geldtransportfahrers „H“ (Jason Statham) ist natürlich nur Show, um nicht gleich beim Einstellungstest als überqualifizierte Ein-Mann-Armee aufzufallen. Schließlich hat der Mann eine Mission und die besteht zunächst aus Infiltration und erst dann aus Exekution. Allzu lange lässt sich die Badass-Genetik des Neulings allerdings nicht verbergen und schon gar nicht unterdrücken. Schon beim ersten Raubüberfall auf seinen Geldtransporter braucht H exakt so viele Kugeln wie Gegner vorhanden und wird daraufhin im Kollegenkreis wie ein Olympiasieger gefeiert.
Mit der mühsam aufgebauten Fassade des Security-Biedermannes ist es damit selbstredend schlagartig vorbei, aber mit solchen Tiefschlägen in den Logik-Plexus wollen wir uns hier nicht unnötig aufhalten. Hier zählt einzig und allein Wums (H), Rums (Action) und Plumps (Gegner) und diese Gleichung geht voll auf. Zumal das Dreamteam Guy Ritchie und Jason Statham auf Dauerfeuer schaltet, so dass der Plot sich ohnehin nur ab und zu aus der Deckung wagt. Immerhin stellt er uns dann nicht vor allzu große Denksportaufgaben oder verwirrt uns unnötig mit cleveren Twists, denn schon fliegen uns die nächsten Projektile und Sprüche um die Ohren.
Aber Ritchie wäre nicht Ritchie wenn er nicht dennoch ein paar lieb gewonnene Trademarks platzieren würde. So entfaltet sich die Geschichte in mehreren Rückblenden, die Stück für Stück Hintergründe und Motivation des zornigen Mannes enthüllen. Das ist für Ritchie-Verhältnisse vergleichsweise unkompliziert, aber sorgt für ein wenig Story-Fleisch auf den asketischen Baller-Rippen und für ein paar angenehme Feuerpausen. Hier fährt dann auch der dauerwummernde und Düsternis proklamierende Score von Ritchie-Neumuse Chris Benstead ein paar Fon runter und gönnt so auch den strapazierten Ohren mal ein paar Durchzugspausen.
Eine weitere Ritchie-Spezialität ist das Eintauchen in einen autarken und von der Außenwelt bestenfalls erahnten Gangster-Kosmos, in dem es mit Vorliebe altestamentarisch zugeht. Auch hier war Ritchie schon ambitionierter und origineller zu Werke gegangen, aber wenn der Fokus so eindeutig auf Kimme und Korn liegt, wird das Sichtfeld eben enger.
Ist die große Trumpfkarte ein As, braucht man halt nicht zwingend neue Karten. Jason Statham ist hier Royal Flush, Full House und was es sonst noch so braucht um alles abzuräumen. Ein eindrucksvolles Portfolio aus so grimmigen wie wortkargen Actionhelden hat den Minimalisten zum Monolithen reifen lassen, bei dem schon Blicke und Gestik zu Auflösungserscheinungen beim Gegner führen können. Ritchie weiß um diese speziellen Qualitäten – schließlich gilt er als Entdecker und Förderer des ehemaligen Turmspringers – und richtet den gesamten Film danach aus. Da dürfen bekannte Namen wie Josh Hartnett, Eddie Marsan, Scott Eastwood oder Andy Garcia gerne zur Gesamtveredelung beitragen, aber der V8 des Geldtransporters heißt Jason. Nightmare-Garantie für seine To-Shoot-Liste inklusive.
Wer also sagt, brauch ich nicht, weil des französischen Originals von 2004 kundig, ist vielleicht ein Actionfan, aber sicher kein Revenge-Connaisseur oder gar Jason-Jünger. Denn dann ist die Fahrt im Cash Truck Pflicht und nicht vergessen: Der Mann ist wütend, so richtig wütend. Ihr wisst, was das heißt.